Blasiuszeiger © Stephan Illmer

Aus der Bergeerleben-Serie zu den Südtiroler Berg- und Flurnamen

von Johannes Ortner (Bergeerleben 1/2023)

Peilstein (2.542 m)

In ganz Südtirol stoßen Bergfreunde immer wieder auf den Namentyp „Peil“ bzw. „Beil“. In einem Bogen über Ulten, Schnals, Passeier, Sarntal, Wipptal und dem Ahrntal kommt der Name 12-mal in Zusammenhang mit Felsen, Steinen und Wänden vor. Prominentester Vertreter dürfte der Peilstein (mda. „Pailschtũe“, um 1770 „Peilstein Bach“) oberhalb von St. Walburg sein. Unweit davon, am Plombodensee, gibt es gleich noch einen Peilstein. Andere Vertreter sind der Peilspitz oberhalb der Passeirer Timmelsalbe, das Peiljoch im hinteren Antrattberg (Jaufental) sowie das Rote Beil (um 1900 „Rothesbeil“) am Grenzkamm zwischen Pfunders und Pfitsch (2.949 m). All diese Namen haben mit einem Beil nichts zu tun, sondern lassen sich auf eine besondere Jagdmethode zurückführen. In einem Beleg aus dem 12. Jahrhundert ist das Partizip „verpilet“ (verstopft) erwähnt. Das althochdeutsche „bil“ bedeutet „Stöpsel, Stopfen“ und wurde im Hochmittelalter zu „Peil“ diphthongiert. Dabei handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Lateinischen pilum „Stößel; Sperr-, Rammholz“. Bei der Hetzjagd wurde das Wild nämlich von der Hundemeute in Felsengen getrieben, die an ihrem Ausgang abgesperrt, also „verpeilt“, wurden. Das Wild steckte in der Falle und konnte auf diese Weise einfach erlegt werden. Die zahlreichen Peil[1]steine, Peilwände oder Flurgegenden namens „Peil“ bezeichnen also Gegen[1]den, die sich für diese Art der Jagd besonders gut eigneten

Flöckenwarter (c) Stephan Illmer
Flöckwarter hoch über Naturns © Stephan Illmer

Von „hohen Warten“ Ausschau halten …

Im ganzen Lande können sich Gipfelstürmer:innen eine Sammlung von „Hochwarten“ zulegen. Besonders von Meran aus lassen sich gleich mehrere Der Gipfel als Warte, Zeichen und Sperre Südtiroler Berg- und Flurnamen Klassischer Warter im Urgestein Fotos: Stephan Illmer Bergeerleben 01/23 63 Gipfel dieses Namens ansteuern: die Vernuerer oder Spronser Hochwart (2.451 m), die von Vernuer bzw. Obisell erreichbar ist, die Naturnser Hochwart (um 1900 „Hoch Wart“; 2.616 m), die südlich von Naturns aufragt, die Ultner Hochwart (um 1900 „Hochwart“; 2.626 m) zwischen Proveis und Ulten, die Passeirer Hochwarte (2.746 m) oberhalb von Pfistrad (St. Leonhard in Passeier), die Stuller Hochwarte (2.610 m), oberhalb von Stuls, der Untere (2.570 m) und Obere Hochwarter (2.570 m) südlich von Prad bzw. Tschengls, „do Heechwåscht“ (Hochwart) zwischen Pfunders und Pfitsch südlich vom Hochfeiler (westlicher Gipfel: 3.045 m, östlicher Gipfel: 3.068 m) sowie die beiden Prettauer „Höechwåschtn“ (Hochwarten, 2.835 m) zwischen Kerra und dem Windtal. In der 2016 herausgegebenen Flurnamendatenbank des Landes Südtirol erscheinen insgesamt 12 Gipfel und 3 Anhöhen unter der Bezeichnung „Hochwart“. Gehäuft treten sie in einem Bogen auf, der sich vom Vinschgau über Ulten, das Burggrafenamt, Passeier und das Wipptal erstreckt. Wie „Peil“ ist der Name „Hochwarte“ ein Jägername. Denn die „hohe Warte“ ist nichts anderes als ein hoch gelegener Aussichtspunkt zum Erspähen des Wilds. Andererseits kann eine „hohe Warte“ dem Viehhirten auch helfen, seine versprengten Herden zu suchen. Das althochdeutsche Substantiv „warta“ bedeutet „Ausschau, Obhut, Aufsicht, Wache, Posten, Spähdienst“ und leitet sich vom Germanischen „wardo“ in der Bedeutung „Obacht, Vorsicht, Aufmerksamkeit“ ab. Zugrunde liegt schlussendlich die indogermanische Verbform *uer- „gewahren, achtgeben“. Schon im Althochdeutschen des Frühmittelalters ist die Zusammensetzung „hoha warta“ belegt.

Wårter, Zoager und Mandlen

Geländeanhöhen werden am Berg gern mit einem Steinmandl markiert. Diese heißen in manchen Gegenden „Wårter“, besonders in der Gemeinde Partschins („Grazenwarter“ = „Steinmandl eines Pankraz“; „Muttergotteswarter“, u. v.m.), in Schnals („Ausgespannte Warter“, „Flöckenwarter“, „Loisenwarter“) sowie im Mittelvinschgau (Schlandraun). Von einem „Wårter“ aus hat man gute Aussichten, um versprengte Tiere zu lokalisieren, da er oft auf erhöhten Standorten aufgeschichtet wurde und immer noch wird. Andererseits bieten die Wårter Orientierungshilfen, indem sie den Verlauf eines Steigs „zeigen“ und dem Auge bei Schnee und Nebel Anhaltspunkte liefern. Nicht umsonst werden die Steinmandln in Passeier und in den angrenzenden Gemeinden Tirol und Riffian als „Zoager“ bezeichnet. Ein bekannter Gipfelname ist der Blasiuszeiger (2.837 m) im Partschinser Zieltal. Vielleicht hat ein „Blasius“ auf dem bis dato benannten „Hühnerjöchl“ einst einen „Zoager“ (Steinmandl) aufgetürmt? Der wohl geläufigste Ausdruck für die Steinmänner ist „Stoanmandl“, kurz „Mandl“. Fast schon berühmt sind die „Stuenernen Mandln“ (von den Sarnern „Hohe Reisch“ genannt – Reischen sind die Latschenkiefern, aufgrund der reistenartig verdrehten Zweige) am Tschögglberg. Weniger bekannt ist wahrscheinlich der Mandlspitz (2.396 m, um 1770 Mendl Spiz, 1900 Mandel Spitz) in der Gemeinde Proveis am Deutschnonsberg. Namengebend war ein auf seiner Spitze errichtetes und weitum sichtbares Steinmandl. Von den Welschnonsbergern aus Raun wird der Gipfel „Omét“ (Mandl) genannt. Auch die höchste Erhebung des Laugens wird von den alten Waldnern (Einwohner von Unsere Liebe Frau im Walde) liebevoll „Afn Mandl“ genannt. Bleiben wir noch kurz am Nonsberg: Eine plateauartige Erhebung zwischen Laureiner und Britschner Alm heißt „Afn Stu~emandl“. Von den Kastelpfunder und Britschner Nachbarn, auf deren Gemeindegebiet es bereits steht, wird das schöne Platzl „Sai Pòpi“ genannt, was so viel wie „Mandl“ bzw. „puppenartige Gestalt“ bedeutet.

Steinmann und Gipfel aus Granit (c) Stephan Illmer
Steinmann und Gipfel aus Granit (c) Stephan Illmer

Beiträge rund ums AVS-Magazin „Berge erleben“