Der Große Löffler (3.378 m) im Ahrntal am Zillertaler Hauptkamm © Alfred Stolzlechner

Aus der Bergeerleben-Serie zu den Südtiroler Bergnamen

Die Namen unserer Berggipfel beziehen sich mitunter auch aufs Essen und Trinken – und zwar hinsichtlich des Essbesteckes, sowie in Bezug zu den verschiedenen Hohlformen, in denen Nahrungsmittel transportiert, zubereitet und gereicht werden.

von Johannes Ortner (Bergeerleben 3/2022)

Ausgelöffelt

Es gibt im Ahrntal gleich 3 Gipfel, die auf den Namen Löffler oder Löffelspitz hören. Der höchste davon ist der ­Große Löffler (3.378 m) am Grenzkamm zwischen dem Ahrntal und dem Zillertal. Auf der Südseite rinnen seine Wasser dem Frankbach zu, auf der Nordseite entwässert das Löfflerkees und das Löfflerkar ins Almtal Stillupp. Erwähnt ist der Gipfel erstmals um 1840 als Löffelspitze, um 1900 als Gross Löffler. Gipfel, Kees (ist östlich der Linie Ziller–Mühlbacher Klause die Mundartbezeichnung für einen Gletscher, westlich davon sagt man Ferner) und Scharte sind nach dem Löffelkar bzw. der Berggegend „im Löffel“ auf Stillupper Seite benannt, wo 1699 ein „Löflkopf in der Stillupp“ und 1727 das „kharr in Löfl“ schriftlich erwähnt sind. Das Kar bzw. der Bergkessel wurde also nach seiner Löffelform benannt.

Ein gleichnamiger Löffelspitz (3.018 m) befindet sich am oberen Ende des Almtales Griesbach in St. Peter in Ahrn. Auf der Zillertaler Seite, dem Hundskehlgrund, befindet sich wiederum ein Löffelkar.

Der dritte im Bunde ist der Löffler (3.132 m) zwischen dem Prettauer Almtal Röte und dem Deferegger Affen­tal. Vom Gipfel zog sich einst das Löfflerkees, heute nur mehr ein mickriges Eisfeld mit „Såndroane“, in die Röte hinab. Dem Gipfel vorgelagert ist der Kleine Löffler, von dem ein kleines steiles Gebirgskar, der sogenannte Löffel, nach Norden abzweigt. Westlich vom Lenkspitz befindet dann noch eine Gegend namens Löffel, eine früher vom Alprechkees mit Eis gefüllte Mulde.

Am Kamm zwischen der Kuppel­wieser Alm (Ulten) und der Tarscher Alm (Vinschgau) befindet sich eine Gebirgs­mulde, die Löffelschale. Die Bergweide mit kleiner Lacke liegt auf 2.450 Meter etwas östlich des Tarscher Passes. Ebenfalls in Ulten gibt es östlich der Ultner Hochwart einen Wasseraustritt weit oberhalb der Baumgrenze auf ca. 2.400 m – eine Seltenheit! Es handelt sich um den sogenannten Hölzigen Löffel. Hier hat jemand einen hölzernen Löffel geschnitzt und so platziert, dass es bequemer ist von der Quelle zu trinken.

Großer Löffler © Alfred Stolzlechner

Aufgegabelt

Gipfelnamen mit Gabel sind eher zu erwarten als jene mit Löffel … Der Ähnlich­keit der spitzen Felsnadeln mit Gabel­zinken verdankt die Gabel (3.076 m; mda. Gåbbl, um 1900 „Gabel Spitze“) am Dreigemeindeneck zwischen Rein in Taufers, Prettau und St. Jakob in Defereggen ihren Namen. Auffallend, dass mit dem Löffler (3.132 m; siehe oben!) ein weiterer „Besteckname“ gleich nördlich anschließt!

Ebenfalls im Ahrntal befindet sich die Sonntaggabel (3.052 m; mda. di Sunntagouwl) an der Wasserscheide zwischen Stillupp (Zillertal) und Frankbach (Ahrntal). Dieser schroffe Fels­gipfel befindet sich hinter dem Sonntagkopf und dem Sonntagkar, einem sicheren Weideplatz, der beim Hüten wenig Aufmerksamkeit erfordert und den Hirten ein wenig Sonntagsruhe gönnte.

Machen wir einen geografischen Sprung: die höchste Erhebung der Plose bilden der Große (2.575 m) und Kleine Gabler (2.561 m). Die beiden Höhenrücken der Plose bilden im Gegensatz zu den Felsen der Zillertaler Alpen keine spitzen Gabelformen. Auf der Plose „gabelt“ sich höchstens das jochartige Gelände und die Höhen­wege führen in verschiedene Täler. Aber vielleicht erinnert gerade die felsige Nordflanke des Gablers, die zur Lüsner Vielzirm-Alm abbricht, doch irgendwie an das Essbesteck?

Im inneren Rautal in Enneberg liegt die Furcia dai Fers, zu Deutsch Eisengabel (2.534 m). Alm und Berg sind ­bereits in Peter Anichs Atlas ­Tyrolensis 1770 als „Eisengabel Alm“ und 1879 als „Eisengabel“ erwähnt. Die Bezeichnung lässt an das gabel­artige Bergmassiv denken, könnte sich aber auch auf frühere Eisenschmelz­öfen (vgl. dazu die Eisenofenalpe in Val Parola!) beziehen.

Der höchste Punkt des Mull (Schlernmassiv) wird von den Völsern Gabels (mda. Goobls) genannt, weil 3 Bergrücken, der Jungschlern, der Mull und der Burgstall mit ihren gähnenden Schluchten, wie 3 riesenhafte Finger oder Gabelzinken aussehen. Das auslautende „S“ in Gabels ist ein Genitiv-S, welches auf einen Besitzernamen hinweist – im Sinne von „Gebiet eines Gabl, Gaber“. Gaber wäre dabei die Abkürzung des Taufnamens Gabriel.

Ausgetrunken

Das höchste Schutzhaus des Landes, das seit Kurzem wieder in altem Glanze erstrahlende Becherhaus, steht auf dem Gipfel des Becherfelsens oder Becher (3.195 m). Dieser ragt seit je aus dem Eismeer des Übeltalferners heraus. Der Fels erinnert anscheinend an einen umgestürzten Becher, wie er z. B. beim Würfelspiel verwendet wird.

Wenn jemand „bechert“, dann spricht er hochprozentigen Getränken zu. Diese sollten nur in geringen ­Dosen eingenommen werden, wofür die Mundart besondere Hohlmaße und Glasformen bereithält: bekannt ist das Stamperle (1/32 Maß = 33 ml), ­weniger bekannt dürfte jedoch das ­Pudele (1/16 Maß = 66 ml; zu frz. bouteille „Flasche“) sein. Für ein Fraggele Schnaps muss man schon trinkfest sein, es ist 1/8 alten Tiroler Liters = 100 ml). Dieses Maß ist im Jahr 1535 als fräckelein belegt, 1603 ist ein trinkel oder fräckele erwähnt – auch dieser Begriff stammt aus dem Französischem, nämlich flacon. Sein Bier kann man auch als Pfiff (ein halbes Seidel = 175 ml) bestellen, wohl weil man ihn in 2, 3 Schlucken „wegpfeifen“ kann. Manche bayerische Wirte weigern sich, einen Pfiff auszuschenken und be­mer­ken: „Kummst wieda poist an ­Tuascht host!“

Freiger und Becher (c) Stephan Illmer | AVS

Im Sarntal gibt es eine wenig bekannte Anhöhe westlich oberhalb von Weißenbach (zwischen dem Ebenberg und dem Heissberg): es sind die Fraggeler (2.268 m). Die Erhebungen ähneln wohl einem kleinen umgedrehten Glas.

Bei all den Trinkmaßen könnte man glatt zum Trinker werden. Dann wird das Erklimmen des Trinkerkogels (3.160 m) nordöstlich der Zwickauer Hütte zwischen dem Gurgler (Rotmoosferner) und dem Pfelderer Tal zu einer haarigen Angelegenheit. Der Gipfelname wird allerdings, wie beim benachtbarten Heuflerkogel, wohl von einem Familiennamen „Trinker“ herrühren, dessen Träger durchaus nüchtern sein kann. Im Augenblick der Namensvergabe war damit jedenfalls ein trinkfreudiger Zeitgenosse gemeint.

Von Pfannen und Schalen, ­Schüsseln und Kellen  …

Pfannspitz © Stephan Illmer | AVS

Nach den gusseisernen Muspfannen sind im Alpenraum zahlreiche Bergmulden bezeichnet, z. B. das Pfandl in der hintersten Prantacher Albe in Passeier, über das sich der Pfandlspitz (2.538 m) erhebt. Westlich vom Gabler auf der Plose schließt ebenfalls ein Pfannspitz (2.548 m) an – benannt nach dem darunterliegenden Alm­boden Pfanne, der oberhalb der Gombrill-Alm in Lüsen liegt. Oberhalb der Durnholzer Almwiese namens Pfanne befindet sich am Grenzkamm zur ­Flagge ein weiterer Pfannspitz (2.620 m) und schließlich überragt das Toblacher Pfannhorn (2.663 m) in den Villgrater Bergen eine „Gebirgspfanne“. An klaren Tagen ist die Aussicht vom Gipfel des Pfannhornes überwältigend.

In unserem Alltag sind wir von vielerlei Schalen umgeben. Die meisten von uns beginnen den Tag mit einem Schalele Kaffee … Unterm Lodner im hintersten Zieltal (Partschins) befindet sich die Berggegend In den Schalen, das sind die letzten Graslen auf rund 2.550 m. Zwei grüne Weidekare ­zwischen Mareit und Ridnaun heißen sogar Eierschale (mda. di Oarschole)!

Die Schüssel steht der Schale in nichts nach: Eine Almwiese in Olang heißt Schüssels (1.870 m) und auf der Seiser Alm liegt die Radöller Schüssel. Die Namen der ladinischen Almen ­Fanes sowie Valparola bzw. Arparora leiten sich ebenfalls von Küchenutensilien ab, nämlich von ladinisch fana „Pfanne“ sowie lateinisch pariolum „kleiner Kessel“. Valparola bedeutet also so viel wie Kesseltal.

Fehlt noch die Kelle, mda. Këll, mit der die Suppe ins Teller geschöpft wird. Im Schnalser Lagauntal liegt in großer Einsamkeit eine Bergverebnung namens Kell mit einem keinen „Gupf“, dem Kellporz. Der bekannte Marteller Skiberg Köllkuppe/Cima Marmotta (3.330 m) ist hingegen nicht nach einer Kelle benannt, sondern nach dem 1967 verstorbenen Skibergsteiger Lois Köll.

Ein Irrtum kann an dieser Stelle ­korrigiert werden: Das Tellerjoch in ­Durnholz ist eine Fehlschreibung für Töldererjoch. Es handelt sich um das Joch, das zwei Almtäler (mda. Tëlder), nämlich die Großalp und Söb, mit­einander verbindet. Der Tellakopf (2.525 m) oberhalb von Taufers im Münstertal hat seinen Namen vom Bergweiler Tella. Dieser hat nichts mit einem Teller zu tun, sondern leitet sich von einem prähistorischen Wortstamm *telwa „Erdreich, Ackerland“ ab.

Johannes Ortner, Sozial- und Kulturanthropologe

Beiträge rund ums AVS-Magazin „Berge erleben“