Rast am Schlernhaus © Luis Kompatscher
Meine Frau Erika und ich wanderten in 19 Etappen im Dreieck durch Tirol: im Sommer 2018 von Bozen nach Lienz und 2020 von Lienz über Innsbruck nach Bozen. Mit 10 kg schweren Rucksäcken auf den Buckeln bewältigten wir insgesamt 500 km Strecke und 21.000 Höhenmeter im Auf- und Abstieg.
Bergeerleben 4/2023
Von Bozen nach Lienz
Wir starten in Bozen und steigen hoch nach Unterinn am Ritten, um von dort über Steg im Eisacktal Völs zu erreichen. Ein schwieriges Stück Arbeit erwartet uns tags darauf, haben wir doch auf der „Schlern-Etappe“ saftige 2.300 Höhenmeter im Aufstieg und 900 im Abstieg zu überwinden, um zur Plattkofelhütte zu gelangen, wo wir einen netten Abend mit einem von unserer Dolomitenwelt begeisterten Paar aus den Niederlanden verbringen. Am nächsten Tag wandern wir auf dem Friedrich-August-Weg zum meist überbevölkerten Sellajoch, weiter zum Grödner Joch und ins Hochabtei/Alta Badia nach Stern/La Ila, dem 3. Etappenziel. Da wir etwas spät aus den Federn kommen, verkürzen wir den geplanten 35 km langen Tagessatz durch eine Fahrt mit dem Linienbus um 5 km und gehen von Armentarola, vorbei an der Capanna Alpina, hinauf zur Großen Fanesalm, dann hinunter zum Peutelstein und auf der alten Zugtrasse nach Schluderbach im Höhlensteintal. Nach einem guten Frühstück am Dürrensee steigen wir durchs wunderschöne Rienztal hoch zu den Drei Zinnen, deren Nordwände auf diesem Weg uns zugewandt sind. An der völlig überfüllten Drei-Zinnen-Hütte flüchten wir vorbei hinunter ins Fischleintal und zum Etappenziel Sexten. An nächsten Tag erwartet uns ein nicht zu unterschätzender Aufstieg zum Karnischen Höhenweg, wo wir die Grenze nach Osttirol überqueren. Nach dem Abstieg ins Gailtal und einem mühsamen Gang auf der Landesstraße erreichen wir Obertilliach, ein Bergsteigerdorf mit unter Denkmalschutz stehendem Ortskern. Ungern verlassen wir am nächsten Tag diesen zum Verbleiben lockenden Ort, wandern nach Untertilliach, hinauf zum Kofelpass, auf einem teils seilversicherten Steig hinunter ins Osttiroler Pustertal, um schließlich auf dem Pustertaler Radweg unser Etappen- und Abschnittsziel Lienz zu erreichen.
Dürrnsee mit Monte Cristallo (c) Luis Kompatscher
Von Lienz nach Innsbruck
Von Lienz wandern wir, teils auf Katzensteig und Moossteig, der Isel entlang nach Huben. Da es im Bereich Huben mit den Wanderwegen nicht gut bestellt ist, müssen wir meist mit der Landesstraße Vorlieb nehmen, um das Tagesziel Hopfgarten zu erreichen. Ab Hopfgarten können wir die Landesstraße meiden und auf höher gelegenen Höfezufahrtswegen über Rajach, Lerch, St. Veit und ab St. Jakob auf einem Forstweg entlang der Schwarzach ins hintere Defereggen, unserem Etappenziel, wandern. An St. Jakob kommen wir nicht vorbei, ohne die überaus freundliche und hilfsbereite Frau Karina vom Tourismusbüro zu begrüßen. Eine der schönsten, wohl auch anstrengendsten Etappen erleben wir tags darauf auf dem Weg durchs hintere Defereggental im Nationalpark Hohe Tauern. An der Jagdhausalm vorbei wandern wir hoch zum Klammljoch auf der Grenze zu Südtirol und weiter bis zum höchsten Punkt der gesamten Rundwanderung, der Ochsenlenke auf 2.585 Meter. Lang zieht sich der Weg hinunter nach Prettau, unserem Tagesziel. Auf einem sehr steilen Wanderpfad steigen wir hoch zur Waldneralm, weiter zum Hundskehljoch und hinunter zum Zillergrund in Nordtirol. Da uns der Fußmarsch auf der engen und vielbefahrenen Mautstraße nicht ganz geheuer ist, genehmigen wir uns eine Fahrt im Linienbus, um das Etappenziel Mayrhofen zu erreichen. Auf einem Promenadenweg entlang der Ziller geht’s ab Schwendau hoch zur Rastkogelhütte und hinunter nach Hochfügen, einem Winterferienort aus der Retorte. Wir sind froh, diesen unansehnlichen Ort schon früh verlassen zu können, um über den Loassattel ins Unterinntal nach Schwaz und weiter auf Feld- und Radwegen zum Etappenziel Wattens zu gelangen. Kein besonderes Wandervergnügen ist die Etappe nach Innsbruck, ist man doch ständig den Abgasen und dem Lärm der Inntalautobahn ausgeliefert; aber auch das ist Tirol. Ein kleiner Trost ist da ein Abstecher in die wunderschöne Altstadt von Hall, bevor wir auf Gehsteigen das Etappen- und Abschnittsziel Innsbruck erreichen.
Im Nationalpark Hohe Tauern
Von Innsbruck nach Bozen
Um die Etappe bis Trins einigermaßen zu „entschärfen“, übernachten wir nicht in Innsbruck, sondern wandern hinauf nach Mutters, von wo aus wir ins Stubaital aufbrechen und bei Kreith auf den Pilgerweg nach Mieders und Maria Waldrast abbiegen. Der Aufstieg zur Blaserhütte fordert uns schon einiges ab und auch der folgende Abstieg nach Trins ist nicht ganz ohne. In Trins erwartet uns unser FacebookFreund Hannes, der pensionierte Vertrauensarzt von Steinach, der beim Abendessen lustige Anekdoten aus seiner Bergdoktorzeit zum Besten gibt und uns tags darauf zu einem steilen Abstecher nach St. Magdalena in Gschnitz überredet. An Nösslach und am herrlichen Obernberger See vorbei steigen wir hoch zum Sandjöchl und sind wieder zurück in Südtirol. Der Abstieg nach Gossensaß und über Ober- und Unterried zum Tagesziel Sterzing ist zwar mühsam, aber nicht besonders kräfteraubend. Von Sterzing geht’s auf Gehsteigen und Radwegen nach Gasteig, um im Jaufental und im herrlich ruhigen, von Alpenrosen gezierten Seitbergtal zum Penser Joch hochzusteigen. Dort oben ist’s natürlich vorbei mit der Ruhe, da eine Vielzahl von Bikern auf der Passstraße ihre Motoren aufheulen lassen. Diese Rambos missachtend, steigen wir ab nach Asten und erreichen bald unser Tagesziel Pens. Die nächste Etappe gehen wir gemütlich an und wandern der Talfer entlang bis Aberstückl, um von dort den Kratzberger See und schließlich die Kirchsteiger Alm auf Meran 2000 zu erreichen. Und nun haben wir nur noch eine, die letzte Etappe vor uns. Über das Kreuzjoch und die Stoanernen Mandlen wandern wir gemächlich auf den Salten – das fantastische Südtirol-Panorama im Blick –, dann hinaus nach Jenesien und hinunter zum Ausgangspunkt Bozen. Wir haben’s geschafft! Wir sind glücklich und freuen uns, dass wir die Tirolerischen Berge, Täler und Ortschaften bodennah erleben durften, aber auch, dass wir mit Tiroler Leuten ins Gespräch kommen konnten, sodass wir heute unser schönes Land noch mehr zu schätzen wissen.
Luis Kompatscher