Kraftort im Obervinschgau: der Tartscher Bichl © Anna Pichler I Bergsteigerdörfer
Mit neuem Wissen ausgestattet können 34 Wanderleiter:innen ihren Gästen künftig spannende Einblicke in die Geschichte zu kirchlichen Bauten und deren Zusammenhang mit Kraftplätzen in Südtirol geben. Die Weiterbildung wurde von der lokalen Arbeitsgruppe Bergsteigerdorf Matsch organisiert.
Am 08.11.2025 organisierte die lokale Arbeitsgruppe Bergsteigerdorf Matsch in Zusammenarbeit mit der Landesberufskammer der Südtiroler Berg- und Skiführer einen Weiterbildungstag für Südtiroler Wanderleiter:innen zum Thema „Kult- und Kraftplätze in Südtirol: die Geschichte, ihre Bedeutung und wirkungsvolle Vermittlung“.
Bei herrlichem Herbstwetter konnten die Teilnehmer:innen den Kraftplatz Tartscher Bichl mit einer kunsthistorischen Führung der St. Veit Kirche durch Andrea Thanei erfahren und anschließend im Bergsteigerdorf Matsch die Geschichte der Matscher Raubritter und vom Golgabichl, kennenlernen. Ein Referat zur Geomantie und Kraftorten von Ulrike Buhl Ambach rundete den Tag ab.
Landmarke und Kraftplatz: der Tartscher Bichl
„Der Tartscherbühl ist wohlbekannt im Vinschgau im Tirolerland …“, dieses Gedicht beherrschte Andrea Thanei aus ihrer Schulzeit noch gut. Der in der letzten Eiszeit geformte kahle, felsige und auf 1077 m gelegene Hügel stellt Landmarke im Obervinschgau dar mit Sichtbeziehungen nach Mals, Laatsch, zum Kloster Marienberg, Glurns, Schluderns, zur Churburg und zu Ortler, und Königsspitze. Mehrere archäologische Funde zeugen von einer frühen Besiedelung des Bichls. Beeindruckend sind die Überreste eines rätischen Hauses, welches Rückschlüsse auf eine Siedlung von 80 Häusern gibt, die um ca. 400 v.Chr. (Eisenzeit) von Rätern der Fritzens-Sanzeno-Gruppe, einem Räter Stamm, errichtet wurde und im Jahre 15 v. Chr. während der römischen Feldzüge in den Alpen eingenommen wurde.
Kalzinierte Knochenreste von Tieren deuten darauf hin, dass auf dem Tartscher Bichl von den Rätern Tiere geopfert wurden (Brandopferplatz). Auch eine Kreidefeuerstation wird vermutet, wo Kreide angezündet wurde, um auf Gefahr aufmerksam zu machen. Dafür musste trockenes Holz gelagert werden. Die Glurnser vollstreckten auf dem Hügel Todesurteile, die Tartscher werfen am 1. Fastensonntag ihre brennenden Scheiben mit Reimen ins Tal und pflegen die Tradition des Scheibenschlagens. Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Tartscher Bühl ausgehöhlt und unterbunkert für den Alpenwall, die Befestigungslinie von Mussolini. Sie kamen aber nie zum Einsatz.
Der Kraftort Tartscher Bichl wird durch die Lage, das Vorhandensein von ausreichen Wasser unterhalb der St. Veitkirche, die Schalensteine unterhalb der Kirche oder durch die Schutzwirkung der Mauern um die Kirche charakterisiert, welche dazu beitragen, dass Besucher:innen an diesem Ort besser loslassen oder meditieren können.
Das romanische Kirchlein St. Veit am Bichl wurde im 11. Jh. auf dem Boden einer vorchristlichen Kirche gebaut. Kunsthistorisch bedeutend sind die fragmentarisch erhaltenen romanischen Fresken in der Apsis der Kirche aus der Zeit um 1200: ein Mäanderfries mit Perlstabband, Christus in der Mandorla, ein bärtiger Mann, der ein Krummhorn bläst. Sie stammen wahrscheinlich von Künstlern der Marienberger Schule. Nirgends in Europa eine solche Dichte an Romanik wie hier im Vinschgau. Armut war der Hauptgrund dafür, dass sich dieser Baustil unverändert erhalten konnte. Der Tag der Romanik jedes 2. Wochenende im Oktober macht diese Kunsthistorischen Schätze durch Führungen erlebbar.
Matscher Raubritter und Golgabichl
Bei einem Dorfrundgang im Bergsteigerdorf Matsch wurden die Matscher Vögte zum Leben erweckt, welche über 400 Jahre lang ein wichtiges Adelgeschlecht im Vinschgau waren und vor allem durch ihre Streitigkeiten mit dem Bischof von Chur oder den Tiroler Landesfürsten Grausamkeit in die Geschichte eingegangen sind. Wahrscheinlich stammen sie von den Herren von Tarasp im Engadin ab. In Matsch zeugen noch die St. Martinskapelle und die Ruinen der Burgen Ober- und Untermatsch von der einstigen Herrschaft. Sie besaßen auch die Churburg, welche heute im Besitz der Grafen Trapp ist. Die Matscher hatten die hohe Gerichtsbarkeit inne, der Kerker befand sich im alten Widum und sie vollstreckten ihre Todesurteile am Golgabichl vor dem Dorf. Von 1395 bis 1927 war Matsch eigenständig.
Geomantie und Naturphänomene
Geomantie ist u.a. die Kunst der alten Baumeister Bauwerk, Landschaft, Zweck und Mensch in eine Einheit zu bringen. Geomantie ist auch ein sich in Resonanz bringen mit einem Ort, ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu hinterfragen, was dieser Kontakt in einem auslöst. Alte Kirchen stehen oft auf Plätzen, die bereits in vorchristlicher Zeit kultisch oder zu Siedlungszwecken benutzt werden. Dabei wurden die Ortsqualitäten auch für den christlichen Bau übernommen. Viele dieser Plätze sind sogenannte Kraftorte wie beispielsweise St. Prokulus, St. Hippolyth, Castelfeder und stehen nicht zufällig an diesen Orten. Natürliche Phänomene wie Verwerfungen, Wasseradern oder Quellen, Magnetismus, Erdstrahlung und Gasaustritt, bestimmte Gesteinsarten, hohe Anzahl negativer Ionen machen den Ort zu einem Ort der Kraft. Auch Naturkraftplätze wie Wasserfälle, Seen, alte Bäume und Quellen, werden seit Jahrtausenden besucht. Dazu kommen auch Legenden und Sagen, die die Besonderheit der Plätze noch betonen.
Ehrenamtliche Kräfte
Ehrenamtliche Arbeitsgruppe Bergsteigerdorf Matsch setzt neben diesem Weiterbildungstag weitere Projekte um, die Bestehendes in Wert setzen, die Identifikation der Bevölkerung mit den Werten des Bergsteigerdorfes verstärken, die Lebensqualität verbessern. Am Freitag, 14.11. wird die Alpingeschichte Matsch vorgestellt. Die Bergsteigerdörfer Matsch und Lungiarü organisieren abwechselnd eine Fortbildung für Wanderleiter:innen.
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