Das Villgratental ist seit 15 Jahren Bergsteigerdorf. Es zeigt, wie es gelingt sich an neue Gegebenheiten anzupassen, dabei authentisch zu bleiben und wirtschaftlich rentabel zu produzieren.

15. Jahrestagung der Bergsteigerdörfer zum Thema Berg & Mensch – Alpines Leben im Wandel

Bilderbuchidylle trifft Querdenker

Auf den ersten Blick scheint hier im Villgratental die Zeit still zu stehen: sonnengebrannte Holzhäuser, ringsum steile Hänge, Schafen grasen ruhig auf den Weiden. Die Bilderbuchidylle, die viele von uns nur noch aus Erzählungen unserer Großeltern kennen, wird hier lebendig. Kulturgüter wie alte Mühlen und Venezianersägen wurden renoviert und sind als Freilichtmuseum zugänglich. Auf einem Handwerkerrundgang erfahren Besucher: innen wie sich das Handwerk früherer Tage gewandelt und an die heutigen Bedingungen angepasst hat.

Kraftwerkevillgraten nennen sich sieben Betriebe, die mit vereinter Kraft versuchen viele an den Besonderheiten des Tales teilhaben zu lassen. Prominent die Villgrater Natur, ein Familienbetrieb, der es verstanden hat, die Ressource Schafwolle zu nutzen, zu Produkten wie Sitzkissen und Bettwaren weiterzuverarbeiten und neue Wege zu gehen wie mit der Dämmung von Gebäuden. Unter dem Slogan „A Villgroter Stickl“ vermarktet die Villgrater Bergfleisch GmbH auf ihrem gemeinschaftlich geführten biozertifizierten Schlachthof lokales Fleisch. Die regionale Verarbeitung und Verwertung schafft einen Kreislauf und vereint Bauern mit Gastronomen. Seit 2021 präsentieren die Villgrater ihre Produkte im Dorf.ladele.

Kulturerbe kreativ nutzen

Die Jahrestagung der Bergsteigerdörfer bietet Zeit und Raum für Austausch und Vernetzung. Im Fokus der heurigen Jahrestagung vom 6. bis 8. Oktober in den Gemeinden Inner- und Außervillgraten stand auch der Umgang mit leerstehenden Gebäuden und der Bodenverbrauch. Alte Gebäude prägen das Ortsbild vieler unserer Bergsteigerdörfer. Um sie zu erhalten braucht es nicht nur kompetente Architekten und Handwerker, sondern vor allem den Willen das Kulturerbe zu erhalten. Dann finden sich auch zeitgemäße, kreative Nutzungskonzepte wie z.B. Wohnen im alten Heustadel.

Geht nicht, gibt es nicht

Betrachtet man die Situation der peripheren Bergregionen alpenweit, dann befinden sich die Bergsteigerdörfer laut Regionalentwickler Michael Beismann in einer „sehr komfortablen Mittellage“: es ist noch nicht alles kaputt, die Dörfer sind noch nicht ausgestorben. Hier gilt es das vorhandene Potential zu nutzen und in Richtung einer zukunftsfähigen Entwicklung zu gehen. Wir wissen eigentlich schon sehr viel, doch müssen ins Tun kommen. „Geht nicht, gibt es nicht.“ Denn es gibt alpenweit viele gelungene Einzelinitiativen, die zeigen wie es geht. Wir dürfen nicht mehr das Problem in den Fokus stellen, sondern die Lösungen.

„Peripherie kann nur dann zum Qualitätsraum werden, wenn sie ihre eigenen Potentiale nutzt und stärkt und ihre Gestaltungsspielräume so gut wie möglich ausnutzt“ (Michael Beismann)

Wertvolle Spinnereien

Bergsteigerdörfer wollen Orte guten Lebens sein. Das Bergsteigerdorf Villgratental zeigt auf beeindruckende Art, wie „wertvolle Spinnereien“ einzelner Pioniere zur zukunftsfähigen Dorfentwicklung beitragen können. An uns Akteuren, den Alpenvereinen, Gemeinden, Touristikern und Einwohnern ist es nun, diese guten Ideen zu verbreiten und sie in die Breite zu bringen.

Crafuns da segra fürs Buffet aus den Bergsteigerdörfern, Besuch beim Bürstenmacher, Hausmühle beim Gannerhof, Steile Hänge in Innervillgraten, Venezianersäge Wurzerhof in Betrieb, Pionierbetrieb Villgrater Natur, Wanderung im Winkeltal. Alle Fotos © Anna Pichler