„OXL-SPRAY (VII-)“, Sarner Scharte, Sarntal
Erstbegehung der "OXL-Spray" © Andreas Stofner und Manuel Egger

Die beiden jungen Sarner Manuel Egger und Andreas Stofner konnten im Mai 2018 auf ihrem Hausberg, der Sarner Scharte, eine neue Linie erstbegehen.

Wenn man bedenkt, dass sich heutzutage an manchen Plätzen dieser Welt wie z.B. In Macau (China) pro Quadratkilometer 21.500 Menschen gegenseitig auf die Füße treten, ist das schon fast beängstigend. Bei uns im schönen Sarntal sind es zwar weitaus weniger (24 um genau zu sein), jedoch sind hier auf jedem Quadratkilometer gefühlte 10 gute Alpinisten beheimatet. Und jeder dieser Sarner Kletterer möchte sich seit jeher auf einer der sehr wenigen Wände im Tal ein Denkmal setzen. Am liebsten natürlich auf der einzig großen Wand, der Sarner Scharte.

Meinem Seilpartner Andy Stofner und mir geht es da nicht viel anders. Die Hoffnung, auf dem Sarner Aushängeschild noch eine freie, schöne Linie zu finden – so dachten wir – sei deshalb wohl verschwindend gering…
Da es uns im Mai in Arco zu heiß und in den Dolomiten zu weiß war, beschlossen wir trotzdem, uns „zu bewaffnen“ und den Angriff auf die Sarner Scharte zu wagen – denn die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt!
Mit reichlich Ausrüstung am Rücken stiegen wir im Morgengrauen mit gemütlichem Tempo hoch zum Objekt der Begierde. So war es abgemacht. In Wirklichkeit war das die Untertreibung des Jahres! Vielmehr sind wir richtig „gesprungen“ (laufen auf sarnerisch).
Oben beim Bildstöckl unter der Wand angekommen – unter uns Kletterern auch „Topo-Häusl“ genannt –  analysierten wir sämtliche dort verstauten Routenskizzen, Wandbilder und Kletterführer. Schnell wuren wir auf eine freie, allen Anschein nach sogar kletterbare und in allem Überfluss auch noch voraussichtlich schöne Linie aufmerksam!
Von da an waren wir nicht mehr zu bremsen! Es war immer noch früh am Morgen und wir waren optimistisch, dass wir bis zum Abend mit unserer eigenen Route im Sack am Gipfel der „Sarner Schort“ stehen werden!

Am Einstieg angekommen behängten wir uns wie die Christbäume und waren ab diesem Moment im Wohlfühlmodus. Da sind wir frei. Weit weg von Arbeit und Verpflichtung, von Stress, Hektik und Menschenmengen. Hier sind wir Zuhause und genau hier fühlen wir uns wohl!
„Tintl-Tantl, welches Handl“ entscheidete wie immer, wer einsteigt. Dieses Mal traf es Andy. Mit viel Speck, – äähm Besteck – an den Hüften kletterte er sich sehr sicher fühlend ins Ungewisse. Bereits die erste Seillänge (jetzt die 2. laut Topo) entpuppte sich als traumhaft schöne Reibungskletterei und begeisterte uns gleichermaßen. Der leichte Nieselregen machte uns nichts aus. Im Gegenteil: Er bestärkte sogar das Naturburschenfeeling, in das wir uns so gerne hineininterpretieren. Der Fels war noch einigermaßen trocken. Wir kamen gut voran und nach der 4.Seillänge folgte der lange Quer-Riss. Wir wussten, dass nach dessen Überwindung ein Rückzug nur noch sehr umständlich zu bewältigen sein würde und überlegten uns das weitere Vorgehen – wissend, dass am Nachmittag Gewitter zu erwarten seien. Nach dem dumpfen Dröhnen eines Donners banden wir uns schmunzelnd aus und bereiten uns auf den Rückzug vor.
Wir entschieden uns die Stände zu bohren. Das mehr oder weniger reibungslose jedoch regenbegleitete Abseilen ermöglichte uns dann nochmal die belassenen Haken besser nachzuschlagen und uns die einzelnen Seillängen gut einzuprägen, um sie später dann adäquat auf Papier bringen zu können. Wieder am Einstieg angekommen packen wir unsere 7(00) Sachen und flüchteten in den vermeintlich Blitz-sicheren Wald. Sicher ist sicher! Ab da setzten wir unseren Abstieg gemütlich fort… (gesprungen…)

Zwei Tage später stiegen wir wieder auf. Natürlich in Allerherrgottsfrüh. Und selbstverständlich im gefühlten Laufschritt, dieses Mal waren wir sogar noch schneller an der Wand. Es fühlte sich so an, als hätte sich der Körper bereits an den schweren Rucksack gewöhnt. Blieb ihm ja schließlich auch nichts anderes übrig.
Es war noch nass vom heftigen Gewitter der Nacht und nieselte immer noch leicht.
Bereits nach wenigen Klettermetern mussten wir akzeptieren, dass Reibungskletterei auf Flechten-überzogenem, nassem Fels ein Ding der Unmöglichkeit ist. Nur mit Mühe erreichten wir den Umkehrpunkt des ersten Versuches. In Anbetracht der Tatsachen war nicht daran zu denken, sich ins Ungewisse weiter zu wagen. Wieder seilten wir ab. Bis auf den erhöhten Fitnessgrad und drei geschlagene Haken hatten wir an diesem Tag nicht viel erreicht.
Am darauffolgenden Samstag trafen wir uns wieder bei Tagesanbruch. Andy, das genaue Gegenteil eines Morgenmuffels, wusste wieder einmal nicht, wohin mit seiner Energie. Bei der Hinfahrt hatte er plötzlich die dumme Eingebung, einen Deospray als Reinigungsmittel zu verwenden und mir die Armaturen des Autos zu besprühen. Blöderweise war der Spray ziemlich ungünstig zusammengesetzt: Seit dem ziert eine „tolle“, weiß-schnörkelige dicke Linie mein geliebtes Cockpit. Und das wird so bleiben. Seitdem weiß ich, dass mit Andy als Co-Pilot ein OXL-SPRAY im Auto keinerlei Daseinsberechtigung hat…

Beim diesmaligen Berglauf-Wettschleppen fiel derart häufig das Wort „OXL-SPRAY“, dass der Name für die Tour bereits entschieden war. Wir wussten es nur noch nicht. Schnell waren wir am Einstieg. Es war ein super Tag. Alles war trocken und der Aufstieg fiel uns leicht. Endlich wieder im Wohlfühlbereich-Abenteuer angekommen. Dieses Mal machte uns das Wetter keinen Strich durch die Rechnung und wir waren wieder beim Riss, den wir nun schon zwei Mal vor der Nase hatten und jedes Mal zur Umkehr gezwungen waren. Diesen Tag nicht. Ich kletterte den jungfräulichen Riss wahrscheinlich als erster Mensch. Was für ein großartiges Gefühl. Suchtpotenzial. Nach 60 traumhaften Metern und viel Praxis im Klemmgeräte-setzen, war die Wand so gut wie bezwungen. Wir suchten und fanden schließlich sogar noch einen schönen Ausstieg über 2 schöne Platten. Genau als im Tal mittags die Sirene ertönte, waren wir überglücklich oben angekommen: Auf der Sarner Scharte, meinem Hausberg! „Schian geats!“

Erstbegehung der "OXL-Spray" © Andreas Stofner und Manuel Egger

Routeninformationen

Routeninformationen
OXL-SPRAY / 350m /VII- / R3

Erstbegeher:
Andreas Stofner und Manuel Egger, Mai 2018
Erste Rotpunkt:
Andreas Stofner und Manuel Egger, 26.Mai 2018
Charakter:
Schöne Kletterei in herrlichem Ambiente. Der Fels ist sehr kompakt mit schönen Platten und einem sehr eindrucksvollen ausgesetzten Riss. Die Absicherung ist als sehr alpin zu bezeichnen.
Ausrichtung:
West
Zustieg:
Von Sarnthein zum Parkplatz unterm „Tengler“ und den Wanderwegen auf die Sarner Scharte folgen. Beim Bildstöckl links gerade hoch zur Wand (Steinmänner), leicht links bei einer „Höhle“ markiert eine rote Schlinge den Einstieg (57min).
Material:
Normale Alpine Ausrüstung, Kompletter Satz Friends, Mittlere und ev. auch große Friends doppelt. 60m Seil
Abstieg:
Kurz aufsteigen Richtung Osten, dann nach rechts über dem markierten Weg zum Wandfußfolgen.