Der Sturz eines Seilpartners © Andreas Baur

Der Ablauf einer Kameradenrettung gehört zum Grundwissen eines jeden Skitourengehers. Die Rettungstechniken bei einem Spaltensturz auf Hochtour sollte jeder Bergsteiger beherrschen. Aber: Wie schaut es mit dem Wissen und Können der zahlreichen Alpinkletterer aus? Auch sie sollten sich mit der Situation bei einem Kletterunfall auseinandersetzen und Erste Hilfe und Rettungstechniken erlernen!

von Stefan Steinegger (Bergeerleben 04/14)

Seit vier Jahren bietet der Alpenverein beim Projekt „ALPINIST“ Weiterbildungstage an, um junge Alpinkletterer für Notfälle bei alpinen Klettertouren vorzubereiten und auszubilden. Gemeinsam mit dem Rettungsexperten Oskar Zorzi und dem Bergführer Walter Obergolser wurde heuer diese Ausbildung inhaltlich und methodisch erweitert. Wir haben uns mit Oskar getroffen, um herauszufinden, was die häufigsten Fehler beim Klettern sind, was wichtig ist, um diese zu vermeiden und was jeder in einer Notsituation selbst unternehmen kann und sollte.

„Die beste Erste Hilfe ist, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einem Notfall kommt.“

Oskar ZorziRettungsexperte und Ausbildner beim AVS

Das ist Oskars Leitspruch, den er gerne zitiert. Er hat die wachsende Menge Alpinkletterer und auch die Art der Unfälle beobachtet. Daraus ergibt sich für ihn ein klassisches Bild: Treten verschiedene kleine Fehler gemeinsam auf, führen sie zu einer Unbeholfenheit am Berg, die oft in einem Bergunglück endet. „In Kombination können am Berg Faktoren wie eine falsche oder nicht ausreichende Planung, nicht vollständige Ausrüstung, unzureichende Energiezufuhr in Form von Essen und Trinken, kein Handyempfang oder das Nicht-Finden von Auf- bzw. Abstiegsroute zu völliger Erschöpfung bis hin zum Tod führen.“ Die Verhältnisse am Berg zu unterschätzen, bzw. nicht darauf vorbereitet zu sein, sieht Oskar dabei als einen der größten Risikofaktoren.
Neben Unfällen, die auf menschliche Fehler zurückzuführen sind, darf man alpine Gefahren wie Steinschlag, Gewitter, Nebel, Schnee, Wind und Kälte nie außer Acht lassen. „Für Seilschaften kann aber auch das Unvorhergesehene zur Gefahr werden.“ Situationen, von denen Oskar aus realen Unfällen zu berichten weiß. „Das ist z. B. ein Stau in einer Route bzw. beim Abstieg, ein Wandausbruch oder sich plötzlich ändernde Verhältnisse wie Gewitter bzw. Altschneefelder.“

Erste Hilfe und Betreuung des Verletzten © Ewald Guarda
Erste Hilfe und Betreuung des Verletzten © Ewald Guarda

Unterwegs in alpiner Klettertour

Jeder Alpinist muss sich bewusst sein, dass er sich nicht in dicht besiedeltem Gebiet befindet, wo die organisierte Rettung sofort alarmiert werden kann und schnell zur Stelle ist. Besonders im alpinen Gelände gibt es unzählige Faktoren (Wetter, schwer erreichbarer Unfallort, Finsternis), die die Rettung erschweren und die Wartezeit über Stunden verlängern können.
„Je früher Verletzungen behandelt werden, umso schneller verläuft auch die Genesung; das kann bei lebensbedrohlichen Verletzungen sogar überlebenswichtig sein.“ Aus diesem Grund muss jeder Bergsteiger in der Lage sein, die Grundkenntnisse der Ersten Hilfe am Berg anzuwenden, einfache Rettungstechniken zu beherrschen und diese auch regelmäßig zu üben. Allgemeine Erste-Hilfe-Kenntnisse gilt es ebenso regelmäßig aufzufrischen wie einfache Rettungstechniken.

Jede Unfallsituation verängstigt zunächst. Um Leben zu retten, muss man den Anfangsschock schnell überwinden, Ruhe bewahren, sich einen Überblick verschaffen und schnell und gezielt die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
Wie schaut es mit deinen Erste-Hilfe-Kenntnisse aus? Beherrschst du die Rettungstechniken beim alpinen Klettern?

Abseilen eines verletzten Seilpartners © Ewald Guarda

Notfall auf alpiner Tour was tun?

  • Ruhe bewahren
  • Abklären, was passiert ist; Übersicht verschaffen
  • Kurzen Notfallplan erstellen, nachdenken, Strategie zurechtlegen
  • Könnte es weitere Gefahren geben?
  • Erreiche ich den Verunfallten?
  • Mit Verunfallten sprechen (In welcher Lage befindet er sich?)
  • Verunfallten am Stand fixieren
  • Abklären, ob er mithelfen kann
  • Verunfallten aus der Gefahrenzone in sicheren Bereich bringen (abseilen, heraufziehen)
  • Erste-Hilfe-Maßnahmen
  • Rettung alarmieren
  • Habe ich Handyempfang?
  • Absteigen/Aufsteigen bis Handyempfang oder Hilferufe möglich
  • Nach Notruf: Handy empfangsbereit halten und nicht benützen, um Batterie zu sparen

 Ständige Orientierung am Berg

Für die organisierte Rettung ist bei einem Notruf äußerst wichtig, dass die verunglückte Seilschaft genaue Angaben zu ihrem Unfallort geben kann. Ohne genaue Angaben ist für die Rettungsdienste eine Lokalisierung enorm schwierig und führt zu hohem Zeitverlust. Eine gute Planung und die laufende Orientierung ist Voraussetzung, um genau Angaben zu Route, Gipfel oder Wegnummer geben zu können. Besonders das Alpinklettern setzt Erfahrung in Orientierung und Routenfindung voraus. Das endet nicht am Gipfel, sondern spielt auch beim Abstieg eine wesentliche Rolle. Jeder Alpinist sollte den Abstieg genau studieren und kennen, sei es beim Abseilen als auch beim Abklettern

Standplatz © Ewald Guarda