Sonnenaufgang am Orenknott © Klaus Bliem
Mit einem Manifest bekräftigen die Alpenvereine die Notwendigkeit eines ernstgemeinten Schutzes des alpinen Raums. Bei Infrastrukturen im alpinen Raum müsse als erstes immer die Frage geklärt werden, „ob“ es das überhaupt brauche. Erst dann dürfe das „Wie“ diskutiert werden. Für die beteiligten Vereine und Verbände müsse das auf Großsportveranstaltungen in den Bergen ebenso zutreffen wie auf Schigebietserweiterungen und andere Neubauten.
Die Erschließung der Alpen ist abgeschlossen
Der Alpenverein Südtirol hat zusammen mit dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz und dem Heimatpflegeverband Südtirol das Manifest für mehr Respekt für den alpinen Raum verfasst. CAI und die Alpenvereine von Deutschland und Österreich stehen hinter den Aussagen im Manifest und unterstützen es. Seit Jahren bemühen sich die alpinen Vereine gemeinsam mit Heimatpflege- und Naturschutzverbänden, eine weitere Erschließung und Verbauung der letzten noch unerschlossenen Gebiete im alpinen Raum zu reduzieren. „Die Erschließung des alpinen Raumes ist abgeschlossen“, heißt es im Manifest. Der Höhepunkt sei längst erreicht, Erschließung werde zur Übererschließung.
Kein Disneyland
„Leider ist dies bei den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft noch nicht angekommen“, stellt AVS-Präsident Georg Simeoni enttäuscht fest. Das Ziel, eine weitere Erschließung und Verbauung noch unberührter oder bereits bestens erschlossener Gebiete im alpinen Raum auf ein unbedingt notwendiges Maß zu reduzieren, sei noch immer nicht erreicht. Der alpine Raum steht unter Druck: Schigebiete werden erweitert, Sportgroßveranstaltungen werden geplant, Almen werden mit neuen Straßen erschlossen, Hängebrücken und Klettersteige sollen noch mehr Unterhaltung und Abenteuer suchende Menschen anlocken. „Die alpine Landschaft wird nur mehr als Kulisse wahrgenommen. Eine Respektlosigkeit unseren schönen Alpen gegenüber“, sagt Georg Simeoni.
Respekt gefordert
Eine Reihe von Projekten und Entwicklungen zeigen, dass es für die alpinen Natur- und Kulturlandschaften, die zum größten Kapital der Alpenländer zählen, eine immer geringere Wertschätzung gibt. Diese Tatsache hat die Alpenvereine dazu veranlasst, ein Manifest zu verfassen. Darin fordern die unterzeichnenden Organisationen mehr Respekt für den alpinen Raum und die konsequente Anwendung aller gesetzlichen Mittel zum Landschafts- und Umweltschutz. Um die Ressource Landschaft langfristig zu sichern, brauche es ein grundlegendes Umdenken bei Intrastrukturen im alpinen Raum. Für Manfred Sailer, Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins, ist die Erschließung der Alpen abgeschlossen. „Die Erschließungsspirale darf sich nicht weiterdrehen, die Alpen sind das am dichtesten besiedelte und mit der dichtesten Infrastruktur versehene Hochgebirge der Welt“, so Sailer.
Kraft von Petitionen und Manifesten
Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins, Clemens Matt, ist von der Kraft von Petitionen und Manifesten überzeugt. Am Beispiel vom Zusammenschluss der Schigebiete Ötztal und Pitztal zeigte er auf, wie – ausgehend von einer Petition – fast 170.000 Unterschriften gesammelt wurden und somit Druck auf die Entscheidungsträger ausgeübt wurde. Bei einer Bürgerbefragung in St. Leonhard im Pitztal, einem Ort, der vom Tourismus lebt, wurde mehrheitlich dagegen gestimmt. „Wichtig sei es, die Bevölkerung gut zu informieren, was in den Alpen passiert“, so Clemens Matt. „Die Alpen sind ein kostbares und wertvolles Gut“.
Sportstätten für Großsportereignisse
Das Manifest mitunterzeichnet hat auch der italienische Alpenverein CAI. Carlo Zanella, Präsident des CAI Alto Adige, kritisierte den Neubau von Sportstätten für die Olympiade Cortina-Mailand. Für einige wenige Sportlerinnen und Sportler werden Infrastrukturen errichtet, die dann unbenutzt verkommen und dem Verfall preisgegeben sind. Das Beispiel von Turin habe dies anschaulich gezeigt. „Warum braucht es eine neue, 100 Millionen teure Bobbahn in Cortina, wenn in geringer Entfernung eine in Österreich zur Verfügung stünde“, so Carl Zanella.
Öffentliche Beiträge müssen überdacht werden
Bei der Vorstellung des Manifests kam auch die Seilbahn Tiers-Frommer Alm zur Sprache. Hier stellte Florian Trojer vom Heimatpflegeverband Südtirol die Sinnhaftigkeit der öffentlichen Beiträge für solche Projekte in Frage. Bis zu 75 Prozent der Kosten einer Aufstiegsanlage werden von Steuergeld gefördert. In Bayern hingegen werden Umweltverbände schon bei Beiträgen von 30 Prozent aktiv.