„Lam Thuk Khamzang (VIII A2)“, Jamyang Ri, Rangtik Valley, Indien
Erstbegehung der Route "Lam Thuk Khamzang" von Stefan Plank und Hannes Niederwolfsgruber

Im Rangtik Tokpo Tal in Zanskar / Indien gelang auch Stefan Plank und Hannes Niederwolfsgruber eine Erstbegehung am Vorgipfel des Jamyang Ri. Die Tour die die ersten 5 Seillängen mit der beeindruckenden Tour "Norbu Duk Lam" von Elisabeth Lardschneider und Markus Ranalter teilt nannten sie "Lam Thuk Khamzang". Sie berichten von ihrer Tour und was es mit dem Namen auf sich hat.

Sie ist eine steile, beeindruckende und fast schon furchteinflößende Wand und thront direkt über dem Rangtik Valley Basecamp – die Nordwand des Little Jamyang Ri. Genau diese Wand haben wir uns als erstes Ziel ausgesucht, da nach den ergiebigen Schneefällen der ersten beiden Tage jede andere Wand zu riskant gewesen wäre. Und so hielt jeder unseres 7 Kopf-starken Teams, Ausschau nach möglichen freikletterbaren Linien auf diesem beeindruckenden Koloss. Nach ausgiebigen Diskussionen entschieden Stefan Plank und ich, die rechteste der drei vielleicht möglichen Linien zu versuchen. Ob diese wirklich von unten bis oben machbar wäre, kann uns keiner sagen, wir müssen es selbst herausfinden…

Guten Morgen aus dem Basislager

Und so starteten wir tags darauf unseren ersten Versuch in dieser fast durch und durch senkrechten Wand. Nach zwei, zum Teil sehr brüchigen Einstiegslängen, standen wir vor einem meisterhaften Verschneidungsriss, der sich vom Standplatz direkt Richtung Himmel schlängelte. Mir wurde die Ehre zuteil, dieses Prachtstück aus feinstem Granit als erster klettern zu dürfen. Voller Motivation startete ich in den anfangs perfekten Faustriss, der oben nach und nach kleiner wurde, bis nach einer Höhe von ca. 30m eine zweifelhafte Schuppe mir den Weg versperrte. Da ich nach dieser Stelle sowieso kein Weiterkommen vermutete, gab ich leider allzu früh auf und setzte unterhalb der Schuppe einen (für später leider total überflüssigen) Spit, um mich wieder zu Stefan abzuseilen. Für uns beide war klar, dass wir diese Stelle sicher nicht überwinden werden können, da nach dem Ende des Risses eine kompakte Platte augenscheinlich ins Ungewisse führte.

Das erste mal beim Zustieg zur einzig kletterbaren Wand nach dem heftigen Schneefall

Von dieser Ungewissheit gepackt, versuchten Lisi und Makke gleich am nächsten Tag, die Stelle nach dem wunderschönen Riss zu überwinden, da auch sie eine freikletterbare Linie weiter links von uns vermuteten. Schlussendlich gelang es Lisi mit Leichtigkeit, die Stelle zu überwinden und so konnten die beiden ihre Ideallinie weiterverfolgen. Nach einigen ziemlich anstrengenden Tagen waren die beiden zu der Stelle vorgedrungen, wo sich ihre und unsere Routenlinie trennen werden. Somit haben sie es uns ermöglicht, dass wir unsere Route dennoch weiterführen konnten.

Wunderschönes Ambiente im Rangtik Tokpo Tal

Nach einigen Pausetagen versuchten Stefan und ich gemeinsam mit unserem Joker Patrick, die eingerichteten Seillängen von Lisi und Makke zu klettern, um zu unserem eigentlichen Start der Tour zu gelangen. Von dort aus stieg Patrick die erste Seillänge unserer Route vor und war nach ca. 40m wunderschöner Risskletterrei auf einer riesigen Schuppe angelangt, an dem er Stand baute und uns nachsicherte. Da bis zu diesem Zeitpunkt der Tag bereits allzu weit fortgeschritten war, entschieden wir uns, bis hierher die Route mit Fixseilen auszustatten. So konnten wir uns die unteren schweren Seillängen bei den nächsten Versuchen ersparen. Unten im Basecamp angelangt, genossen wir die gute Versorgung unserer Köche und schöpften neue Kraft für unseren (hoffentlich) finalen Summit Push.

Patrick beim Versuch die Schlüßellänge der Norbu Duk Lam frei zu klettern

Ein paar Tage später und nach 2 anstrengenden 60m Jumar-Sessions standen Stefan und ich wieder auf der großen Schuppe, von dort aus weiter rechts ein Risssystem in die Senkrechte führte. Ich war wieder an der Reihe, und so kämpfte ich mich, zunächst freikletternd, anschließend technisch, Zentimeter für Zentimeter die Wand hinauf. Nach ca. 30m konnte ich leicht rechts ein wunderschönes Band ausmachen, der ideale Standplatz für unsere nächste Seillänge. Er war sogar so breit, dass man darauf liegen und ich Stefan bei seinem nächsten Go entspannt zusehen konnte. 

Für Stefan ging es gleich vom Standplatz senkrecht in einen eher brüchigen Riss, der leider nur technisch erzwingbar war. Je länger Stefan sich mit dieser Seillänge abplagte, desto mehr fühlte ich mich auf meinen gemütlichen Standplatz schlecht, wenn ich sah, wie er die ganze Zeit in seinem Gurt ausharren musste. Nach einiger Zeit, in der ich ihn dann aus den Augen verlor, hörte ich endlich die langersehnten Klänge von oben erschallen: „STAAAND!!“. 

Stefan beim arbeiten in der 8. Seillänge

Nach einer haarsträubenden Jumar-Session war ich mit meinen Nerven komplett am Ende, als ich endlich bis zum Stand zu Stefan kam, der bereits mit einem breiten Grinsen auf mich wartete. Nach einem kurzen Blick auf die nächste Seillänge, die einen durch und durch nassen Riss aufwies, stand für mich klar, dass es das mit unserer Erstbegehung gewesen sein musste. Doch Stefan war hartnäckig und wollte mich auf alle Fälle umstimmen. Nach ein paar aufmunternden Worten und einem Motivations-Snickers war ich wieder voll fokussiert die nächste Länge in Angriff zu nehmen. Wie grausig es ist, einen komplett nassen Riss technisch zu bezwingen, brauche ich hier keinem zu erzählen. Zu meinem Glück befand sich am Ende des ca. 40m langen Risses ein etwas abschüssiges Band, an dem ich Stand machen konnte.

Der Tag war leider wieder viel zu schnell verflogen und es war bereits ca. 16:00 Uhr, als Stefan die nächste Seillänge in Angriff nahm. Nach 15m und 3 geschlagenen Nägel stand Stefan jedoch einer losen Schuppe gegenüber, die er nur ungern angreifen wollte. Ich stand nämlich genau in deren Schussfeld. Nach langem hin und her, ob wir weitermachen sollen oder nicht, ob wir es überhaupt so spät noch auf den Gipfel schaffen würden, entschieden wir uns schlussendlich schweren Herzens die Tour abzubrechen und den Berg Berg sein zu lassen. Wir waren davon überzeugt, dass das unser letzter Versuch gewesen war, die Nordwand des Little Jamyang Ri als zweite Seilschaft überhaupt zu durchsteigen. Also seilten wir ab und nahmen das ganze Material inklusive Fixseile mit, da wir ja eh nicht wieder zurückkommen sollten.

Es war dann doch Steil

Doch am Boden angekommen bedrückte uns ein seltsames Gefühl. Konnte es das wirklich gewesen sein? Diese ganzen Strapazen auf sich zu nehmen, um eine Wand nur halb zu durchsteigen? Desto mehr wir uns dem Basecamp näherten, desto stärker wurde das Gefühl und im Basecamp bei einer heißen Schale Noodlesoup fassten wir den Entschluss: Nein, es kann und darf noch nicht vorbei sein, wir MÜSSEN die Linie noch einmal probieren. Wie oft im Leben bekommt man die Möglichkeit, so eine geniale Linie als Erste klettern zu dürfen?

Unser einziges und größtes Problem war: wir haben all unsere Fixseile abmontiert, die wir die Tage zuvor mühsam an Ort und Stelle gebracht hatten. „Scheiss drauf“ dachten wir uns, „dann montieren wir sie halt noch einmal!“

Hannes beim Versuch die Kristallänge zu klettern.

Einige Tage später waren die Fixseile wieder an Ort und Stelle und wir wieder dort, wo wir Tage zuvor ein Weiterkommen für unmöglich gehalten hatten. Stefan war wieder am Punkt mit der losen Schuppe, konnte sich jedoch hochziehen, ohne die Schuppe allzu sehr zu belasten. Nach einem ausgesetzten Quergang unter einem Dach konnte er schließlich hinter der Kante einen Standplatz bauen, von dem aus die Wand ziemlich an Steilheit verlor und augenscheinlich leichter wurde. Nach 3 wunderschönen Längen im VII Schwierigkeitsgrad standen wir endlich im Schein der letzten Sonnenstrahlen auf der Schulter des Little Jamyang Ri. Von dort aus wären es noch ca. 60m über die Schulter zu queren um die letzten Seillängen der Norbu Duk Lam zum Vorgipfel zu klettern, die ließen wir aber aus, um beim Abseilen zumindest noch ein bisschen Licht zu haben.

Nachdem wir endlich das Dach erreicht haben, bestand die große Unsicherheit darin, ob wir einen Weg hindurch finden würden

Da die Dunkelheit aber leider viel zu schnell ins Rangtik Tokpo einkehrte, mussten wir nach dem ersten Abseiler in kompletter Dunkelheit abseilen. Zum Glück kannten wir unsere Standplätze aber mittlerweile in und auswendig… angekommen im Base Camp freuten wir uns natürlich riesig über unseren Erfolg. Zum Glück haben wir uns trotzdem nochmals umentschieden, unser gewaltiges Projekt zu Ende zu klettern.

Erschöpft, aber glücklich am Ende der Route Lam Thuk Khamzang

Wie beschrieben, beginnt unsere Route zusammen mit der „Norbu Duk Lam“ von Lisi und Makke. Sie trennt sich im Verlauf der Zeit als Variante ihrer Route, jedoch kommen beide Linien am Ende auf dem Gipfel wieder zusammen. Bei der Namensgebung haben wir uns für das ladhakische Sprichwort „Lam Thuk Khamzang“ entschieden, da dieses unsere Route sehr gut wieder spiegelt. Zum einen wünscht es einem guten Freund/einer guten Freundin alles Gute auf seiner/ihrer bevorstehenden Reise. „Kamzang“ beschreibt die Begebenheit, dass sich die Wege zweier Menschen eines Tages trennen werden. Sie werden unterschiedliche Wege gehen und Unterschiedliches erleben. Am Ende werden sie sich jedoch wiedersehen und ihren Weg gemeinsam fortsetzen. 

 

Lam Thuk Khamzang Lisi.

Lam Thuk Khamzang Lisi
Text: Hannes Niederwolfsgruber
Fotos: Stefan Plank

Routeninformationen

„Lam Thuk Khamzang“

Gebirge: Himalaya

Gruppe: Rangtik Tokpo

Gipfel: Jamyang Ri

Erstbegeher: an 5 Tagen zwischen 11. und 28.07.23 von Stefan Plank und Hannes Niederwolfsgruber, Länge 6 von Patrick Tirler

Schwierigkeit: VIII A2

Länge: 370m

Seillängen: 13/ davon die ersten 5 zusammen mit der Tour „Norbu Duk Lam“ von Elisabeth Lardschneider und Markus Ranalter

Felsart: Granit

Charakter: Wunderschöne Route durch eine imposante Nordwand in einer sehr alpinen Umgebung. Die Route ist mit einigen Bohrhaken und Normalhaken versehen, muss aber großteils selbst abgesichert werden. Leider hatten wir sehr nasse Verhältnisse in den Längen 8-10, sind aber der Meinung dass alle Längen frei kletterbar sind und dies ein spannendes Projekt wäre.

Ausrüstung: NAA, 60m Halbseile, 3x BD#0.1-0.5, 2x BD#0.75-#3, 1x BD#4, Stopper, einige Haken hauptsächlich Messerhaken

Abstieg: Abseilen über die Route (60m!)

„Diese Route wurde mit Haken des AVS-Alpinfonds erstbegangen“