Auf Hochtour © Simon Kehrer

Trittsicherheit auf Schnee, Firn und Eis

übernommen vom Österreichischen Alpenverein (Bergeerleben 03/19)

Im gut zu spurenden Schnee, im aufgeweichten Firn oder auf griffigem Eis können wir uns, solange wir guten Halt haben und uns sicher fühlen, ohne Steigeisen fortbewegen. Gehen ohne Steigeisen ist ökonomischer und weniger verletzungsanfällig, birgt aber erhöhte Ausrutschgefahr. Neben dem Untergrund (Schnee- und Eisqualität) entscheidet die Hangsteilheit darüber, ob wir besser Steigeisen verwenden.
Firn ist nach einer klaren Nacht infolge der Abstrahlung hart gefroren, weshalb wir Steigeisen benötigen. Derselbe Hang kann später durch die Sonneneinstrahlung aufgeweicht und dann ohne Steigeisen sicher zu begehen sein. Ein aperer Gletscher ist nach Regen, wenn dieser bei niedrigen Temperaturen am Eis anfriert, ohne Steigeisen nicht begehbar (blau schimmerndes Eis), wenige Stunden später durch Auftauen (milchiges Eis) hingegen problemlos. Die Verwendung von Stöcken oder eines Pickels kann uns zusätzliche Stabilität geben, wobei wir nicht versuchen, fehlende Trittsicherheit mit Armarbeit wettzumachen.
Wir setzen Steigeisen also nur dort ein, wo sie sinnvoll und notwendig sind und achten penibel auf eine saubere Steigeisen-Gehtechnik. Dabei unterscheiden wir zwei Grundtechniken.

Vertikalzackentechnik Abstieg © Alpenverein
Vertikalzackentechnik Abstieg © Alpenverein
Vertikalzackentechnik Aufstieg © Alpenverein
Vertikalzackentechnik Aufstieg © Alpenverein

Vertikalzackentechnik

Die Vertikalzackentechnik (auch „Eckenstein“-Technik genannt) wenden wir bis ca. 35° Steilheit an. Dabei werden alle vertikalen Zacken des Steigeisens gleichzeitig auf der Eisoberfläche aufgesetzt. Im geneigten Gelände erfordert dies eine gute Beweglichkeit im Sprunggelenk.

  • Eine hüftbreite Schrittstellung mit nach außen zeigenden Zehenspitzen verhindert das Verhaken der Steigeisen und Durchlöchern der Hose und Unterschenkel.
  • Aufgrund der Steigeisen müssen wir die Füße bei jedem Schritt etwas höher anheben und dabei in einem leichten Bogen nach vorne bewegen.
  • Eine natürliche Schrittlänge gewährt im Gegensatz zu einer zu kurzen oder zu langen sicheren Halt und ist zudem ökonomischer. Im steileren Gelände wählen wir die Schrittlänge tendenziell etwas kürzer.
  • Im steileren Gelände kippen wir die Füße und vergrößern somit die V-förmige Fußstellung. Die Grenze stellt die Beweglichkeit im Sprunggelenk dar. Wird dabei nur eine Zackenreihe belastet, rutschen wir leicht aus.

Frontalzackentechnik

Wird das Gelände steiler als ca. 35 Grad, kommen die Frontalzacken zum Einsatz. Dabei werden die Steigeisen mit dosierter Kraft ins Eis gestoßen, sodass wir sicher auf den vordersten zwei Zackenpaaren stehen. Die Ferse hängt dabei leicht nach unten Durch die Hebelwirkung der Frontalzacken wird die Wadenmuskulatur stark beansprucht, weshalb wir die Steigeisen vorzugsweise in flache Stellen und Dellen platzieren. Die Knie sind in der Grundstellung leicht gebeugt, die Hüfte befindet sich nahe am Eis, der Oberkörper lehnt etwas nach außen.

Frontalzackentechnik Grundhaltung © Alpenverein
Frontalzackentechnik Grundhaltung © Alpenverein

Grundelemente der Trittsicherheit

Stürze, als Folge von Ausrutschen oder Stolpern, sind die häufigste Unfallursache am Berg. Zu hohes Tempo oder Müdigkeit können die Trittsicherheit und Konzentration zusätzlich stark beeinträchtigen. Der sichere Einsatz von Steigeisen und Pickel erfordert daher intensives Training.
Als kleinste Einheit, um eine Hochtour erfolgreich absolvieren zu können, kann die Verlagerung des Körperschwerpunkts angesehen werden, die umso anspruchsvoller wird, je steiler und inhomogener das Gelände wird. Wollen wir sicher und ökonomisch unterwegs sein, müssen wir an der Verbesserung der Trittsicherheit arbeiten.
Zu große Abstände zwischen den einzelnen Tritten sind unvorteilhaft, da die vermehrt geleistete Hubarbeit uns schneller ermüden lässt. Die Zeit, in der wir infolge der aufgebrachten Bewegungsenergie etwas instabil sind, wird dadurch unnötig verlängert. Zudem sollte die Lastübertragung nicht hastig, sondern kontrolliert und gleichmäßig erfolgen.
Um auch beim Abstieg den Körperschwerpunkt immer über den Füßen zu haben – „nose over the toes“ – beugen wir die Knie und Hüfte noch stärker als beim Aufstieg und lehnen unseren Oberkörper nach vorne. Dadurch verhindern wir, vor allem mit schwerem Rucksack, uns zu weit zurückzulehnen und in der Folge auszurutschen. Befolgen wir diese Grundregeln, können wir uns rhythmisch und damit ökonomisch, sicher und effizient in jedem Terrain bewegen.

Pickelrettungsgriff © Alpenverein
Pickelrettungsgriff © Alpenverein

Vorsicht vor Ausrutschern!

Ausrutscher müssen wir im steileren Firn unbedingt vermeiden, da wir fast wie im freien Fall beschleunigen. Ein Sturz kann nur mehr mit Mühe und Glück mit der Liegestütztechnik gestoppt werden, vorausgesetzt, der Schnee ist nicht zu hart. Bei hartem Firn hilft nur der Pickel, mit dem wir, richtig eingesetzt, den Sturz abbremsen können.