Lawine © Lawinenwarndienst Südtirol

Was fange ich eigentlich mit den Informationen des Lawinenreports an? Welche Touren darf ich bei Lawinenwarnstufe 3 noch unternehmen? Dabei kommt speziell der Hangneigung eine zentrale Rolle zu?

von Thomas Engl (Bergeerleben 06/19)

Es gibt verschiedene Strategien, wie man auf der Basis gewisser Faktoren für sich selbst eine Entscheidung treffen kann, ob eine Tour passend ist oder eben nicht. Mit denselben Strategien kann man auch unterwegs immer wieder aufs Neue beurteilen, ob Geplantes und Wirklichkeit zusammenstimmen. Die einfachste Strategie ist die elementare Reduktionsmethode, die auf den zwei Daten Hangneigung & Lawinenwarnstufe basiert.

Bereits bei der Tourenplanung Strategie anwenden!

Mit der prognostizierten Lawinenwarnstufe (lawinen. report) und einer topografischen Karte (mit digitalem Hangneigungslayer) geht’s los. Ob die Steilheit der Hänge für die ausgegebene Lawinenwarnstufe passt, kann man wie folgt kontrollieren: Bei Lawinenstufe 2 – mäßig – darf im Bereich der eigenen Spur der Hang maximal eine Neigung von 40 Grad erreichen. Bei Stufe 3 – erheblich – dürfen begangene/befahrene Hänge maximal 35 Grad Neigung aufweisen und bei Stufe 4 – groß – darf keine Geländekammer mit Neigungen über 30 Grad betreten werden. Passt all dies mit unserer Gruppe und dem Wetterbericht zusammen? Wenn ja, dann „GO“. Ansonsten heißt es ohne tiefer gehendes Wissen „STOP“, die Lawinengefahr ist zu groß!
Die Steilheit und Exposition kann man aus Karten (Abstände zwischen den Höhenschichtenlinien) und Führerliteratur entnehmen. Sehr hilfreich sind auch Online-Tourenportale und entsprechende Apps wie „alpenvereinaktiv.com“ oder „skitourenguru.ch“. Digitale Karten für Tourengeher haben meistens auch einen zusätzlichen Layer, um die Hangneigung in der Karte einblenden zu können. Mit diesen neuen digitalen Hilfsmitteln ist es für jeden möglich, innerhalb weniger Minuten eine erste Tourenplanung zu machen.

Hangneigung GO © AVS
Hangneigung STOP © AVS
Tourenplanung nach der elementaren Reduktionsmethode zur Beantwortung der Frage "Stop" oder "Go": Kann diese Tour bei der aktuellen Lawinengefahr begangen werden? © ÖAV

Die Hangneigung auf Tour messen!

Wie steil war der Hang laut Tourenplanung? Wie steil ist er effektiv? Wo ist der steilste Punkt? Je öfter man die Hangsteilheit auf Tour misst, desto leichter kann man „Stop or Go“-Entscheidungen treffen. Mittlerweile muss man kein Mathematik-Experte mehr sein, um mit Skistöcken den Winkel zu errechnen. Mit dem eigenen Handy lässt sich ohne Probleme die Hangneigung messen. Doch noch empfehlenswerter ist es, bereits aus der Entfernung, ohne einen Hang zu betreten, die Steilheit richtig einzuschätzen.

Hangneigung © Toni Obojes
Hangneigung messen: Apps dazu gibt's wie Sand am Meer und jeder trägt sein Handy ständig mit sich herum. Als verlängerte Messunterlage wird einfach der Skistock verwendet © Toni Obojes
Hangneigung Steilheit © AVS
Hangneigung einschätzen: Ab 30 Grad sind Spitzkehren nötig, ab 40 Grad ist das Gelände felsdurchsetzt © AVS

Üben, die Hangneigung auf Tour richtig einzuschätzen!

Damit man heikle Hänge aus der Entfernung richtig einschätzen kann, ist häufiges Schätzen und anschließendes Nachmessen nötig. Einige Grundregeln, um die Hangneigung ohne Messgeräte einzugrenzen, sind:

  • 25 Grad: Hang queren mit Schneeschuhen/Splitboard wird unbequem.
  • 30 Grad: Spitzkehren sind nötig.
  • Moränen sind 35 bis 40 Grad steil.
  • Felsdurchsetztes Gelände ist 40 Grad oder steiler.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bleibt immer ein Restrisiko. Deshalb sind für alle Wintersportler folgende Standard-Sicherheitsmaßnahmen auf Tour zu beachten:

  • Abstände: Aufstieg: 10 Meter ab 30 Grad. Abfahrt: 30 Meter, ab 35 Grad einzeln
  • Gelände optimal nutzen: Was ist über/unter mir? Geländefallen?
  • Ein Hang wirkt im Aufstieg steiler, in der Abfahrt flacher, als er wirklich ist.

Infos

Die Steigung eines Hanges wird in Grad und nicht in Prozent ausgedrückt (45 Grad = 100 Prozent),
Lawinen können in Hängen entstehen, die steiler als 30° sind. Der Einzugsbereich ist abhängig von der Gefahrenstufe.
Digitale Hangneigungskarten, ein Hangneigungsmesser, Apps für das Smartphone, das bloße Auge, die Abstände von Höhenlinien auf einer Wanderkarte sind Hilfsmittel, um die Hangneigung messen zu können.
Die Gefahrenstufe 3 „erheblich“ wird an etwa einem Drittel der Wintertage prognostiziert, fordert aber rund die Hälfte aller Todesopfer!
Die typische Skifahrerlawine wird zu 90% selbst ausgelöst, ist 50 m breit, 150 m lang, schattseitig exponiert und im Anriss 35–40° steil.
2/3 aller Unfälle passieren in der Abfahrt, 1/3 im Aufstieg.

WEITERFÜHRENDE INFOS ZU LAWINEN

Infos Schnee-&Lawinenkunde: https://lawinen.report/education
Digitale Hangneigungskarten: https://www.alpenvereinaktiv.com
Check1: Reduktionsmethode im digitalen Zeitalter: https://www.skitourenguru.ch