Sicher Alpinklettern © Peter Braito | AVS

Sich beim Einhängen der Zwischensicherungen das Seil zum Nachziehen zwischen die Zähne zu klemmen, wird von Anfängern und von Profis in den Kletterhallen und am Fels praktiziert. Stürzt man aber genau in diesem Moment, kann das Seil im Mund von schweren Zahnverletzungen bis hin zu schweren Entstellungen des Gesichts und bleibenden Schäden am Gebiss führen.

von Stefan Steinegger (Bergeerleben 05/19)
Seil im Mund © Georg Sojer
© Georg Sojer

Reflex

Die Erklärung hierfür ist einfach: Die Muskeln anzuspannen ist eine typische menschliche Schreckreaktion, die tief verankert ist und nicht einfach ausgeschaltet oder abtrainiert werden kann. Wie bei der Bedienung des Sicherungsgeräts müssen auch beim Klettern und Stürzen die natürlichen Reflexe des Menschen berücksichtigt werden. Zu dieser reflexartigen Anspannung während eines Sturzes gehört es auch, die Zähne zusammenzubeißen. So sind uns in Südtirol einige schwere Zahnverletzungen bekannt, bei denen Kletterer während eines unkontrollierten Sturzes das Seil im Mund hatten.
Auch wenn es Klettersituationen gibt, in denen es sich nur schwer vermeiden lässt, das Seil in den Mund zu nehmen, wollen wir euch auf diese Gefahrenquelle aufmerksam machen und Methoden aufzeigen, wie man die weit verbreitete, aber dennoch gefährliche Praxis vermeiden kann.

Lösungsmöglichkeit

Um das Seil nicht überstreckt einzuhängen und mit Zwischenstopp im Mund hochzuziehen, gibt es eine ein – fache Lösung: Man klettert ausreichend nahe zur nächsten Zwischensicherung hoch, bis sich diese ungefähr zwischen Hüft- und Schulterhöhe befindet. Dann nimmt man das Seil mit der Hand so weit als möglich unterhalb des Anseilpunktes beim Hüftgurt und hängt mit einem einmaligen Seilhochziehen in der Expressschlinge ein. Mit dieser Methode sind Sturzhöhe und Verletzungsgefahr wesentlich geringer und das Seil in den Mund zu nehmen ist überflüssig. Vor allem in den Kletterhallen, wo die Hakenabstände genormt sind und sehr nahe aneinander liegen, sind das überstreckte Ein – hängen mit mehrmaligem Seilhochziehen und das Seil mit den Zähnen festzuhalten viel gefährlicher als diese Methode.
Es gibt zwar mehrere alternative Möglichkeiten – wie das Seil zwischen Kinn und Brust zu klemmen oder wie einen Telefonhörer zwischen Kinn und Schulter, sie sind aber in der Praxis schlecht umsetzbar. Auch das Seil mit den Lippen festzuhalten ist in der Praxis sehr schwerfällig, da das Seil stark nach unten zieht und man mit den Lippen nicht genügend Kraft hat.

Seil überstreckt einhängen © Georg Sojer
© Georg Sojer

ZWISCHENSICHERUNGEN NICHT ÜBERSTRECKT EINHÄNGEN

Bei den ersten drei bis vier Zwischensicherungen bis ca. 5 Meter Höhe sollte man Stürze vermeiden und besonders auf das korrekte Einhängen Acht geben. Während des überstreckten Klippens liegt der Kletternde bei einem Sturz zwingend auf dem Boden. Das Gleiche gilt, wenn zwar nicht überstreckt geklippt, aber mit Schlappseil gesichert wird.
Wer es nicht glaubt, kann seine Sturzweite testen, indem er sich im Toprope und parallel im Vorstieg sichern lässt. Zum Test zieht man das Seil zum Klippen hoch und setzt sich, ohne die Express einzuhängen, in das Toprope. Der Vorstiegsichernde ändert seine Position nicht mehr, und der Kletterer wird am Toprope abgelassen. Strafft sich das Vorstiegsseil, muss man noch den Bremsweg dazurechnen, also die Strecke, um die der Sichernde angehoben wird und die Menge an Seil, die durch das Sicherungsgerät läuft. Tipp: Dasselbe funktioniert übrigens auch mit den Selbstsicherungsgeräten, die es mittlerweile in fast allen Südtiroler Kletterhallen gibt. Mit diesem Gerät als redundantes Sicherungssystem kann man in der Seilschaft Stürze üben, die Folgen von Schlappseil und überstrecktem Einhängen testen und mit unerfahrenen Sicherern das Vorstiegssichern üben.