Alt- und Jungvogel des Bartgeiers © Klaus Bliem
Die Wiederansiedlung des Bartgeiers im Alpenraum ist eine Erfolgsgeschichte. Das Marteller Bartgeier-Paar brütet auch heuer wieder. Die Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch hat ein Kletterverbot an den Eisfällen in der Örtlichkeit Altkaser Mahder/Gasthaus zum See verordnet, um das Brutgeschäft nicht zu gefährden.
Respektabstand einhalten, um Aufzucht nicht zu gefährden
Das Bartgeierprojekt ist DAS Erfolgsprojekt unter den Wiederansiedlungsprojekten in den Alpen in den letzten 40 Jahren. Der Alpenverein Südtirol unterstützt dieses Projekt von Anfang an und hat sich den Erhalt und Schutz des alpinen Lebensraums auf die Fahnen geschrieben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Bartgeier in den Alpen ausgerottet. Erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts gab es wieder Bemühungen, diesen Greifvogel wieder anzusiedeln. Inzwischen gibt es im Alpenraum wieder mindestens 320 Vögel und 98 Brutpaare und ein übergreifendes Monitoringsystem.
„In Südtirol wurden zwischen 2000 und 2008 acht Vögel aus speziellen Aufzuchten in Zoos ausgewildert. Die Jungvögel wurden so aufgezogen, dass sie ihre natürliche Scheu vor Menschen behalten haben“, sagt Klaus Bliem, Leiter des AVS-Referats für Natur und Umwelt. Alle in Südtirol ausgesetzten Bartgeier leben noch und haben sich vermehrt – insgesamt werden 7 Paare monitoriert. Bartgeier werden mit 4 bis 7 Jahren geschlechtsreif und können in freier Natur 30 bis 35 Jahre alt werden. „Die Bartgeier sehen den Ort, an dem sie ausgesetzt wurden, als ihren Geburtsort an. In der Nähe ihres Geburtsortes bauen sie ihren Horst“, erklärt Bliem. Derzeit sitzen in 4 der 7 Horste Jungvögel, nämlich in Trafoi, Martell, im Pfossental und im Passeiertal. Aus gebührender Entfernung – in der Regel der gegenüberliegenden Talseite – können die Jungtiere mit einem Fernglas oder einem Spektiv gut beobachtet werden. „Näher als 500 Meter sollte man den Tieren aber nicht kommen – weder aus Gründen der Holzgewinnung noch aus sportlichen Gründen“, appelliert Klaus Bliem. Deshalb wird in Martell im Winter während der Brutzeit der Eisfall unterhalb des Bartgeier-Horstes immer gesperrt. Sehr gut beobachtet werden können die Tiere vom Bunker Mooseum in Moos in Passeier aus.
Der AVS hat kürzlich unter dem Titel „Wildes Südtirol“ eine Exkursion ins Pfossental angeboten (das gesamte Kursprogramm des AVS hier). 22 AVS-Mitglieder haben unter der Führung von Klaus Bliem durch das Spektiv zum Bartgeierhorst geblickt und sich in das Leben der Bartgeier und der Greifvögel in Südtirol einführen lassen. „Es waren auch einige Kinder dabei. Mich hat gefreut, dass sie einiges an Wissen mitgebracht haben und sehr interessiert an allem waren“, sagt Bliem. In jedem Bartgeiernest sitzt nur ein Vogel pro Brut. „Die Vögel schlüpfen ab Mitte Februar. In dieser letzten Winterphase ist die Mortalität der Wildtiere am höchsten, durch das Ausapern werden auch tote Tiere freigelegt. Geier ernähren sich von Aas – Fleisch und Knochen. Jungtiere brauchen Fleisch, deshalb hat die Natur den Zeitpunkt des Schlüpfens gut festgelegt“, erklärt Klaus Bliem. 114 bis 120 Tage bleibt der Jungvogel im Horst und wird von den Eltern gefüttert. Dann wiegt er etwa 5 Kilogramm und fliegt erstmals aus. „Das ist in der Regel Juni oder Juli“, sagt Bliem. Sobald die Balzzeit beginnt, müssen sich die Jungvögel selbst einen Horst bauen oder suchen – auch wenn sie immer wieder in ihren ursprünglichen Horst zurückkehren. Dabei kann es auf der Suche nach einem Horst schon mal um Leben und Tod gehen: Sind Adler und Geier nahrungsmäßig keine Konkurrenten (Adler sind Jäger, Geier ernähren sich von Aas), so sind sie es beim Horst. „Geier übernehmen gern die Horste von Adlern und da kommt es manchmal zu Kämpfen mit tödlichem Ausgang“, erklärt Bliem.
Diese faszinierenden Raubvögel können seit einigen Jahren vermehrt in Südtirol beobachtet werden. „Vor allem unser Wappentier, der Steinadler, hat sich in seinem Stand gefestigt: 60 bis 70 Paare haben im hochalpinen Bereich ihre Horste“, sagt Bliem. Der Leiter des AVS-Referats für Natur und Umwelt ruft dazu auf, allen Wildtieren mit Respekt zu begegnen und ihren Lebensraum zu schützen.
”Jedes Tier hat seine Daseinsberechtigung und seine Rolle im Ökosystem. Der Geier ist als Aasfresser das letzte Glied in der Nahrungskette.
Klaus Bliem, AVS-Referent für Natur & Umwelt