#unserealpen © Jan Kusstatscher

Der alpine Raum steht unter Druck – mehr denn je. Neubau-Projekte wie die Kölner Hütte oder die Santnerpass Hütte, der weiter zunehmende Verkehr auf den Dolomitenpässen, das Vorhaben für die Errichtung des „Almdorf Schnals“ und die Legalisierung der Erschließung der Antersasc Alm sind allesamt Beispiele, wie stark der alpine Raum unter Druck steht. Schutzgebiete, Fachgutachten und Expertenkommissionen spielen hingegen eine immer geringere Rolle. Alpenverein Südtirol, Cai Alto Adige, Dachverband für Natur- und Umweltschutz sowie Heimatpflegeverband Südtirol beanstanden schwindende Wertschätzung der ursprünglichen, alpinen Natur- und Kulturlandschaften und bekommen Unterstützung von alpinistischer Seite.

Bozen, 28. September 2021

Alpiner Raum ohne Wert?

Podium © AVS

Die Alpin- und Umweltverbände Südtirols zeigen sich enttäuscht über die derzeitige Politik zum Schutz – oder besser gesagt, Nicht-Schutz – des alpinen Raumes. Eine ganze Reihe von Projekt-Vorhaben und Entwicklungen zeigen uns, dass es für die ursprünglichen alpinen Natur- und Kulturlandschaften, die zum größten Kapital Südtirols zählen, eine immer geringere Wertschätzung gibt. Es scheint, als ob nur durch eine massive (Über-)Erschließung und (Über-)Nutzung ein gesellschaftlicher Wert generiert werden kann.

Nicht wie, sondern ob überhaupt

Anders ist es nicht zu erklären, dass man angesichts der Diskussion um den Neubau der Santnerpass Hütte allen Ernstes über die architektonische Qualität diskutiert, anstatt festzustellen, die Kubatur im Vergleich zum Bestand mehr als verachtfacht (!) wurde. Und dies obwohl die Schutzhütte aus alpinistischer Sicht überhaupt keinen Nutzen hat. Die einzig berechtigte Frage muss daher nicht sein, wie, sondern ob Strukturen wie die Santnerpass Hütte überhaupt noch neu gebaut werden sollen.

Ähnlich die Diskussion um den Neubau der Kölner Hütte. Allein mit architektonischen Alleinstellungsmerkmalen wird ein Luxushotel, das anstelle der Kölner Hütte errichtet werden soll, nicht zu rechtfertigen sein. Die mangelnde Wertschätzung der Projektwerber dieses Glasturms ergibt sich dabei nicht nur gegenüber dem alpinen Raum und dem unmittelbar angrenzenden UNESCO-Weltnaturerbe, sondern auch gegenüber der architektonisch wertvollen historischen Bausubstanz der derzeitigen Kölner Hütte. Dazu kommt auch noch die Forderung der Projektwerber nach einer Unsumme an öffentlichen Geldern zusätzlich zu den ohnehin fürstlich geförderten Aufstiegsanlagen.

Jeder Winkel wird touristisch genutzt

In dieselbe Kerbe schlägt auch das Vorhaben im Talschluss von Schnals, ein ganzes „Hoteldorf“ errichten zu wollen. Allein schon die Dimensionen sprengen dabei die Grenzen jeder Verträglichkeit und zeugen von mangelnder Sensibilität gegenüber dem alpinen Raum und dessen landschaftlicher aber auch ökologischer Wertigkeit, wie etwa dem in seiner Existenz bedrohten angrenzenden Hochmoor, das eine Vielzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten beherbergt.

Neben den bereits bestehenden touristischen Infrastrukturen weitere hunderte Betten im Talschluss von Schnals zu errichten ist unserer Auffassung nach völlig inkompatibel mit der immer lauter werdenden Forderung nach einem verträglichen, sanften und nachhaltigen Tourismus. Wie ein zukunftsfähiger Tourismus im Lande ausschauen soll, darf und kann, darauf ist uns die Politik immer noch eine klare Antwort schuldig. Denn Südtirol ist weiter auf Rekordjagd. Erst im Juli haben wir einen neuen Allzeit-Rekord mit über einer Million Ankünften aufgestellt.

Die Blechlawinen rollen wieder

Dieser Touristenansturm trägt natürlich ganz entscheidend zum Auto-Verkehrschaos bei. Nicht nur in den urbanen Bereichen Südtirols droht mittlerweile kontinuierlich der Verkehrskollaps, auch über die Passstraßen wälzen sich die Blechlawinen zunehmend zäher. Seit vielen Jahren bemühen sich die unterzeichneten Verbände um eine Beruhigung des alpinen Raumes rund um die Passstraßen. Passiert ist bisher wenig. Allein mit Verkehrszählungen wird man den Verkehr auf den Pässen nicht regeln können. Diese Entwicklung ist besonders für die im UNESCO-Weltnaturerbe-Gebiet liegenden Dolomitenpässe bedenklich. Wurde die Auszeichnung als Weltnaturerbe auch von den Umweltverbänden unterstützt, weil wir uns davon eine größere Sensibilität versprochen haben, so hat sich das UNESCO-Label vor allem als Marketing-Instrument entpuppt, mit dem der Andrang auf diese Gebiete erst so richtig angeheizt wurde.

Schutzlose Schutzzonen

Die UNESCO-Auszeichnung bietet leider keinen wirksamen Schutz, den sich diese Gebiete verdient hätten. Ähnlich negative Erfahrungen mussten wir gerade in letzter Zeit auch mit Schutzkategorien wie Naturparken oder Natura2000-Gebieten machen. Was sind diese Ausweisungen denn noch wert, wenn es für Projekte und Bau-Vorhaben keinen wirklichen Unterschied mehr macht, ob diese außerhalb oder innerhalb eines solchen Schutzgebietes realisiert werden?  Ähnlich beliebig scheinen auch die Fachgutachten und Verträglichkeitsprüfungen zu sein. Bestes Beispiel hierzu ist der Fall Antersasc, bei dem zuerst die Politik trotz negativer Gutachten in einem dreifach geschützten Gebiet (Natura2000, Naturpark, UNESCO) die Erschließung mittels Zufahrtsstraße beschließt und nach einem Rechtsstreit das Projekt vom Staatsrat definitiv genehmigt wird.

Unterstützung von alpinistischer Seite

Bei ihrem Einsatz für einen naturbelassenen alpinen Raum werden die Südtiroler Umweltverbände auch von den „Huberbuam“ und Alex Walpoth unterstützt. Der Profibergsteiger und Natura 2000-Botschafter Alexander Huber spricht sich dafür aus, dass wir „nachhaltiges Erleben in der Natur entwickeln müssen“, denn „wir alle wissen, was wir mit den Alpen hier in der Mitte von Europa geschenkt bekommen haben“. Beim Thema Glasturm als Ersatz der Kölner Hütte wird Alexander Huber deutlich: „Das ist genau einer dieser Punkte, wo ich das Gefühl habe, dass wir versuchen aus den Alpen mehr zu machen als das, was sie sind. Dabei ist gerade die Natur der großartigste Baumeister und ich kann nichts damit anfangen, dass ein 22 Meter hoher Glasturm dann eine Eventlocation in der Mitte der Alpen sein soll. Von mir ein klares Nein zu solchen Projekten“.

Sein Bruder Thomas Huber spricht vor allem die Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen an: „Ich kämpfe für die Ursprünglichkeit der Berge vor allem auch für unsere Kinder. Wir haben schon einen großen Teil unseres Lebens hinter uns, aber unsere Kinder sollten genau noch diese Ursprünglichkeit leben können. Wir müssen noch etwas für sie übriglassen.“ Erst kürzlich war Thomas Huber im Schnalstal und war erschüttert über die Pläne die in Kurzras verwirklicht werden sollen.

Für den jungen Alpinisten und Bergführer Alex Walpoth wiederum gilt es die Gratwanderung zu schaffen zwischen touristischer Nutzung der Berge auf der einen Seite und größtmöglicher Bewahrung von deren Ursprünglichkeit auf der anderen Seite: „Bei dieser Gratwanderung frage ich mich schon seit längerer Zeit: Klettern wir noch am Grat, oder sind wir längst schon in die eine oder andere Flanke hinabgestürzt?“ Walpoth plädiert dafür, die bislang unberührten Gebiete auch in Zukunft so zu belassen. Hoch oben auf dem Berg brauche es keine ausgefallenen Bauwerke, die mit der natürlichen, überragenden Schönheit der Berge ohnehin nicht konkurrieren könnten.

 

Alpenverein Südtirol, CAI Alto Adige, Dachverband für Natur- und Umweltschutz sowie Heimatpflegeverband fordern daher von der Politik ein klares und eindeutiges Bekenntnis zum Wert der alpinen Natur- und über jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft und erwarten sich eine deutlich kohärentere Politik mit entsprechend konkreten Entscheidungen in diesem Bereich.

Alpenverein Südtirol – CAI Alto Adige – Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol – Heimatpflegeverband Südtirol

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Videostatement Thomas Huber – Pressekonferenz „Alpiner Raum ohne Wert?“ vom 28.09.2021

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Videostatement Alexander Huber – Pressekonferenz „Alpiner Raum ohne Wert?“ vom 28.09.2021

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Videostatement Alex Walpoth – Pressekonferenz „Alpiner Raum ohne Wert?“ vom 28.09.2021

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