Dem Südtiroler Michael Piccolruaz gelang im Sommer 2023 die Begehung der Route "Alasha" in Port de Soller auf Mallorca. Es ist eine der drei schwierigsten DWS-Routen weltweit.

Seit der Erstbegehung von Chris Sharma 2016 hat mich diese Route in ihren Bann gezogen und ich wusste, eines Tages will ich diese Route selbst probieren. Chris hat sie damals als seine schwierigste DWS-Route bezeichnet und sie gilt bis heute als eine der drei schwierigsten DWS-Routen weltweit. 

Meine ersten Versuche im Deep Water Soloing, dieser speziellen Art des seilfreien Kletterns oberhalb des Meeres, habe ich dann viele Jahre später im Herbst 2021 unternommen. Mit einer Gruppe von Freunden haben wir die Insel Mallorca besucht und die bekanntesten Routen versucht, darunter natürlich auch ‘Alasha’. Damals hatte ich die Gelegenheit meinem guten Freund Jakob Schubert bei der zweiten Begehung zuzuschauen. Dies motivierte mich sehr, selbst Arbeit reinzustecken, um sie irgendwann auch klettern zu können.  

Heuer war es dann so weit: ich habe einen Trip nach Mallorca geplant, dessen Hauptziel die Begehung von ‚Alasha‘ war.  

Gleich am ersten Tag bin ich mit Jernej Kruder nach Port de Soller gefahren und wir haben begonnen, die Route mit einem Seil von oben auszuchecken und die einzelnen Züge einzuschleifen.  

Die Route kann folgendermaßen unterteilt werden: Der Start ist eine etwa 10 Meter lange 7a Route. Danach folgt der schwere Teil der Route, 11 Züge, die zusammen etwa einer Boulderschwierigkeit von 8A+ entsprechen. Das Ganze spielt sich auf einer Höhe von etwa 12 bis 15 Metern über dem Wasser ab. Ein gutes Loch für die rechte Hand ist der rettende Griff. Darauf folgen einige leichtere Züge zum Top, bei denen man nicht mehr fallen sollte. 

Alsha Michael Piccolruaz_(c) Bor Levicnic (3)

Gleich von Beginn an fühlte sich der schwere Teil recht gut an, aber leider stellte sich heraus, dass der Start der Route ziemlich nass war. Wir versuchten am Ende des Tages einmal von unten reinzuklettern, aber es war nicht mal ansatzweise möglich, über die nasse Stelle hinweg zu kommen. Die einzige Option war der Sprung ins Wasser. 

Die Tage darauf waren dann ähnlich frustrierend, die Route schien einfach nicht aufzutrocknen. Glücklicherweise reagierten verschiedene einheimische Kletterer auf unsere Instagram-Stories und erklärten uns, auf was wir bei der Wettervorhersage achtgeben sollten, um zu verstehen, wann die Route trocken sein würde.
Einige Tage später waren dann endlich bessere Bedingungen vorhergesagt und unsere Hoffnung stieg wieder.  

In der Zwischenzeit haben Jernej und ich eine Höhle an der Südwestküste ausgekundschaftet, in der es zwar schon eine existierende Linie gab, aber wo wir noch Potential für mehr Routen sahen und uns schließlich auch einige Erstbegehungen holen konnten.  

Zurück zu ‚Alasha‘, die Route war endlich trocken. Das hieß ich konnte endlich meine ersten Versuche vom Start angehen.
Bei den ersten beiden Versuchen bin ich am ersten wirklich schweren Zug, der für mich schwerste Zug der Route, rausgefallen. Im dritten Versuch an dem Tag habe ich diesen dann endlich geschafft und bin gleich noch drei Züge weitergeklettert. Da ich überrascht war, wie gut ich es bis dorthin geschafft habe, ich aber noch nie aus dieser Höhe abgesprungen bin, wollte ich nichts riskieren und bin abgesprungen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es heißt, aus dieser Höhe zu fallen.  

Am Tag darauf hatte ich wieder einen sehr guten ersten Versuch, bin noch einen Zug weitergekommen, aber dieses Mal wirklich gefallen, weil ich nicht mehr die Fingerkraft hatte, weiter zu klettern. Die Wellen waren an jenem Tag ziemlich wild und ich merkte, während des zweiten Versuchs, dass ich nicht mehr befreit klettern konnte, weil der Respekt vor dem reißenden Wasser unter mit zu groß wurde. Ich bin relativ tief gefallen und wollte dann keinen weiteren Versuch machen, das Risiko war mir zu groß.  

Leider begann ab dem darauffolgenden Tag wieder der Kampf mit den Bedingungen. Einige Schlüsselgriffe waren wieder nass, und sie wollten einfach nicht mehr auftrocknen. Mir blieb nichts anderes übrig, als den schweren Teil am Seil besser einzuschleifen und zu hoffen, dass es bald besser werden würde.  

Die Zeit lief mir aber davon und ein Schlüsselgriff am Anfang des Boulders blieb einfach permanent nass. Die Frustration war enorm, weil ich wusste, dass mir womöglich ein einziger Tag mit guten Bedingungen reichen würde, um die Route zu schaffen, aber dieser blieb mir verwehrt.  

Drei Tage vor dem Rückflug entschied ich einen letzten Versuch zu unternehmen, die Route kletterbar zu machen. Ich habe in den einen nassen Griff Alufolie gesteckt und die Grifffläche damit bedeckt. Da sich die Alufolie gut an die Felsstruktur anpasst war es möglich, den Griff trotzdem zu halten und meine Finger einigermaßen trocken zu behalten.
Und es hat tatsächlich funktioniert. Ich konnte am Ende des Tages endlich wieder einen guten Versuch machen, bei dem ich meinen bisherigen Highpoint geschafft habe und am letzten schweren Zug gefallen bin.  

Alsha Michael Piccolruaz_(c) Bor Levicnic (1)

Der Glaube, dass es vielleicht trotzdem noch machbar sei, war also wieder da. Aber der Druck stieg, denn ich hatte nur mehr einen letzten Tag zum Probieren.  

Nach einem Rasttag fuhren wir also ein letztes Mal für diesen Trip nach Port de Soller. Ich seilte mich über die Route ab in der Hoffnung, der Griff wäre aufgetrocknet. Enttäuscht musste ich feststellen, dass er nach wie vor nass war. Ich legte also die Alufolie wieder darüber, machte am Seil nochmals ein Paar Züge, um die Finger aufzuwärmen und war dann bereit für einen ernsthaften Versuch. 

Vor dem Start war ich sehr nervös, weil ich wusste, dass das vielleicht die letzte Chance sein würde, aber der Wille, die Route zu schaffen, war enorm. Ich kletterte los, fühlte mich sehr gut am leichten Start, kletterte in einem guten Flow bis zum schweren Teil. Die Griffe waren leicht feucht, was mich kurz aus dem Konzept brachte, aber dann rief ich mir in Erinnerung, dass ich es auch mit feuchten Fingern schaffen kann und ich war bereit zu kämpfen. Zug für Zug schaffte ich es weiter nach oben, extrem am Limit gelang mir der Zug, wo ich bei meinem besten Versuch gefallen bin, und mit steigender Nervosität schaffte ich den Zug in das rettende Loch. Von da an versuchte ich nur ruhig zu bleiben und nicht irgendeinen Blödsinn bei den letzten, leichten Zügen zu machen, bis ich dann ungläubig am Tophenkel hing, 18 Meter über dem Meer, und meinen Emotionen freien Lauf ließ.  

Michael Piccolruaz