Alpintage Eis / Westalpen Level 2

Ziel des Projekts Alpinist war es immer, jungen Bergsteigern das nötige Wissen und Können zu vermitteln, um eigenständig und sicher Touren planen und durchführen zu können. Bei Level 2 ging es nun darum, das Erlernte weiter zu vertiefen und auf anspruchsvolleren Touren zu erproben. Mit dem tollen Bericht von Valentin Harich und den spektakulären Bildern die die über 9 Alpinisten mitbrachten können auch wir nun von ihren Erlebnissen zehren.

Alpinist Level 2: Hochtouren mit Köpfchen

 

Die Cabanne du Trient auf der Schweizer Seite des Mont Blanc-Massives bot für dieses Unternehmen eine reichhaltige Auswahl an prächtigen Aiguilles für steile Gratanstiege und erlebnisreiche Traversen. Da der Hüttenzustieg trotz Sessellift seine Zeit in Anspruch nimmt und die umliegenden Gipfel gänzlich unterhalb der 4000 Meter-Marke liegen, ist dieser Teil des Mont Blanc, Massives wesentlich ruhiger als die bekannteren Ziele auf französischer und italienischer Seite. 

 

Dummerweise kündigte sich gleich am ersten vollen Tag unseres Aufenthalts eine Kaltfront mit reichlich Schnee an und so beschränkten wir uns für den ersten Tag auf die Erkundung von Zustiegen und die Besteigung der etwas kleineren Teté Blanche. Zurück bei der Hütte begann es auch schon zu schneien und so überlegten wir uns, wie wir die kommenden zwei Tage mit gutem Wetter am besten nutzen konnten. 

 

Alpintage Eis / Westalpen Level 2

Den folgenden Tag beschlossen wir aufgrund des vielen Neuschnees für Westalpenstandards sträflich spät anzugehen und um 7 Uhr aufzustehen. Als der Hüttenwirt von unseren Plänen hörte, hob dieser nur eine Augenbraue und meinte süffisant: „You are on holiday eh?“. Die Entscheidung machte sich allerdings bezahlt, denn als wir anderntags den Trientgletscher überquerten war dieser bereits bestens gespurt. Um zum Einstieg des für diesen Tag anvisierte Tagesziels, die Besteigung der Aiguille du Tour über die Arete du Table, zu gelangen, musste allerdings noch ein Passübergang hinunter auf die französische Seite überwunden und dann gerade unter das Couloir du Table gequert werden. Die ersten Höhenmeter Richtung Grat werden dann auch im Couloir zurückgelegt, ehe man dieses links im kombinierten Gelände verlässt. Was folgt ist relativ einfache Kletterei um den dritten Schwierigkeitsgrat, jedoch mit nicht immer festem Fels und so angezuckert, dass die Steigeisen an den Schuhen bleiben dürfen. Herzstück des Table (=Tisch) Grats und gleichzeitig fotogene Schlüsselstelle ist die waagrecht eingeklemmte Tischplatte aus Granit, die über eine leicht überhängende Rissverschneidung erklettert wird. Das dort hängende Fixseil wird nur kurz auf seine Festigkeit getestet und schon steht man auf dem Table und hat Zeit den Ausblick auf die Aiguille du Argentiere und die Aiguille du Chardonet zu genießen. Was nun folgt ist Zackenkletterei vom feinsten, nie sonderlich schwierig, aber messerscharf und ausgesetzt. Hier gilt es das Seil immer geschickt zwischen Zacken und Köpfeln laufen zu lassen, um schnell und trotzdem sicher voranzukommen. Die Bergführer legen hier besonders Wert auf effizientes Seilhandling beim Begehen von Graten und versuchen uns das Auge für natürliche Sicherungspunkte zu geben – Bergsteigen mit Köpfchen, möchte man meinen. Gegen Mittag ist der Gipfel der Aiguille du Tour erreicht und bei bestem Wetter bestaunen wir den Ausblick auf die umliegenden Berggipfel. Der Abstieg stellt uns vor keine Probleme und bald schon sitzen wir wieder in der Cabanne du Trient und planen die nächste Tour. Fest steht, dass sowohl von den Verhältnissen als auch vom Wetter und unseren Fähigkeiten der Anspruch noch gesteigert werden kann und so entscheiden wir uns nach einigen Diskussionen die Überschreitung der Aiguilles Doreés zu versuchen. 

 

Alpintage Eis / Westalpen Level 2

Bei den Aiguilles Dorees handelt es sich um eine etwa eineinhalb Kilometer lange Bergkette in prominenter Position gegenüber unserer Hütte. Die Kletterei ist großteils einfach, jedoch mit einigen knackigeren Stellen. Eigentliche Schwierigkeit ist aber die Länge der Überschreitung mit ihren unzähligen Türmchen und Gendarmen – hier sind eine gute Tourenplanung und effizientes Seilhandling das A und O. 

 

Alpintage Eis / Westalpen Level 2

Pünktlich zum Sonnenaufgang stehen wir angeseilt und hoch motiviert am Einstieg. In der ersten Seillänge ist noch ein letzter Rest Eis von der Kaltfront übrig, perfekt um auch die letzte Müdigkeit zu verjagen. In drei Seillängen erreichen wir den Kamm und die eigentliche Traverse beginnt. Das Gelände ist vielseitig, kurze Seillängen wechseln sich mit Kletterei am laufenden Seil; teilweise lassen wir das Seil ganz weg, um schneller voranzukommen. Bald stehen wir unter der Schlüsselstelle der Tour, einer steilen Verschneidung, die laut Führer mit 5c+ bewertet ist.

Alpintage Eis / Westalpen Level 2

Der Vorsteiger der französischen Seilschaft vor uns probiert die Seillänge frei zu klettern, scheitert aber und hängt bereits nach wenigen Metern im Seil – uns wird klar, hier gilt es möglichst schnell technisch weiterzukommen. Da wir uns in vier Seilschaften organisiert haben entscheiden wir uns aufzuteilen. Während sich ein Teil an der Verschneidung versucht, probieren wir, um nicht zu viel Zeit zu verlieren, diese zu umgehen. Dazu seilen wir uns ein Stück in das Copt Couloir ab. Über dieses gelangen wir in zwei Seillängen im Firn zurück auf den Grat und beginnen den Aufstieg zur markanten Teté Biselx. Dort rasten wir das erste Mal – noch nicht ganz Halbzeit. Von nun an beginnt ein nicht enden wollendes Auf und Ab, Abseilstellen wechseln sich mit Abkletterpassagen, teilweise klettert man auf der warmen Südseite, ehe man nordseitig mit Steigeisen im kombinierten Gelände seinen Weg findet. Auch der Fels ist meist gut, an manchen Stellen jedoch auch sehr veränderungsfähig und zwingt uns somit, ständig die Konzentration hochzuhalten. Wir überschreiten den Doppelgipfel der Aiguilles Penchées, seilen ab, steigen wieder ein Stück auf, sichern eine Seillänge und klettern waagrecht über einen scharfen Zackengrat. Die Tour ist gleich abwechslungsreich wie eindrücklich, vor allem aber erstreckt sie sich über ein nicht enden wollendes Meer aus rötlichem Granit. Doch auch die Doreés Überschreitung findet irgendwann ein ende und so stehen wir am frühen Nachmittag auf dem höchsten Punkt der Tour, der Aiguille de la Varappe

 

Alpintage Eis / Westalpen Level 2

Von dort ist es gefühlt nur ein Katzensprung bis zum letzten Gipfel, der Aiguille de la Fenetre, von wo aus man in fünf Abseilmanövern wieder auf den Trientgletscher gelangt. Neun Stunden nach unserem Aufbruch wandern wir in einer knappen halben Stunde unter den Doreés zurück zur Hütte. Beim Bergsteigen kann der Zusammenhang zwischen Weg und Zeit wohl unterschiedlicher kaum sein möge man meinen.  

 

Alpintage Eis / Westalpen Level 2

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