© Bergrettung Meran
Einsatz im versicherten Gelände, ein Drahtseilakt
Hoachwool-, Ziel-, Heini-Holzer-Klettersteig: rund um Meran befinden sich gleich mehrere beliebte Eisenwege. Für die Bergrettung Meran bedeutet dies reichlich Arbeit. Vor allem in der wärmeren Jahreszeit rückt der BRD mitunter auch mehrmals am Tag zu Klettersteigeinsätzen aus. Rettungsstellenleiter Franz Haller berichtet über diese besondere Herausforderung in seinem Einsatzgebiet.
von Stephan Illmer (Bergeerleben 03/2021)
Wie oft wird die Bergrettung Meran zu Einsätzen an Klettersteigen gerufen?
Wir reden von ungefähr zehn Klettersteig-Einsätzen pro Jahr, die die Bergrettung Meran in ihrem Zuständigkeitsgebiet abwickelt. Diese konzentrieren sich auf den Hoachwool am Naturnser Sonnenberg und den Heini-Holzer-Klettersteig am Kleinen Ifinger. Im Landesweiten Vergleich – es wurden letzthin bis zu 25 Einsätze pro Jahr in ganz Südtirol gemeldet – hat man im Raum Meran also relativ viel auf Klettersteigen zu tun. Gemessen am gesamten Einsatzvolumen unserer Rettungsstelle sind die Klettersteig-Einsätze allerdings überschaubar – die Bergrettung Meran rückt in Summe nämlich rund 180 Mal im Jahr aus, um Menschen in Not zu helfen! Und dies vor allem auf den Wanderwegen im Mittelgebirge – man denke nur an den viel begangenen Meraner Höhenweg, auf den sich beispielsweise ein wesentlicher Teil unserer Einsätze konzentriert.
Sind die Einsatzzahlen in den letzten Jahren angestiegen?
Bis zur Eröffnung des Klettersteiges Hoachwool im Jahr 2014 hatte der BRD Meran – mangels entsprechender Strukturen rund um Meran – eigentlich keine derartigen Einsätze zu bewältigen. Der Hoachwool-, und seit 2016 auch der Heini-Holzer-Klettersteig, sorgen mittlerweile aber für eine recht konstante Anzahl an Einsätzen, wobei diese heute zur Hälfte am Klettersteig in Naturns und zur anderen Hälfte an jenem in Schenna erfolgen.
Aus welchem Grund wird die Bergrettung gerufen?
Der Hauptgrund für die Rettung von Personen aus einem Klettersteig ist definitiv die Erschöpfung und – insbesondere beim Hoachwool – auch der Flüssigkeitsmangel; ein „richtiger“ Unfall ist nur selten die Ursache. Der Hoachwool wird fast das ganze Jahr über begangen; er ist südwestseitig ausgerichtet und damit komplett der Sonne ausgesetzt, zudem sind rund 700 Meter Wandhöhe zu bewältigen! Vor allem im Hochsommer können einem da schon mal die Kraft oder die Flüssigkeit ausgehen.
”"Der Hauptgrund für die Rettung aus dem Klettersteig ist definitiv die Erschöpfung und - insbesondere beim Hoachwool - der Flüssigkeitsmangel
Franz HallerLeiter der AVS-Bergrettungsstelle Meran
Wer sind allgemein die Geretteten?
Ein Klettersteig ist grundsätzlich für alle, die etwas alpine Erfahrung mitbringen, interessant und machbar.
Dementsprechend ist die Gruppe der Klettersteiggeher bunt gemischt. Und dasselbe gilt dann auch für die geretteten Personen – den „klassischen“ Geretteten gibt es also nicht. Uns ist aber aufgefallen, dass auf den Klettersteigen viele Familien unterwegs sind, die dann mitunter auch unsere Hilfe benötigen.
Wie reagieren die geretteten Personen?
Recht unterschiedlich, denn nicht immer sind es die Geretteten selbst, die die Rettung alarmieren! Mitunter wird der BRD erst von anderen Klettersteiggehern auf eine mögliche Notsituation vor Ort hingewiesen. In solchen Fällen reagieren manche Gerettete dann recht empfindlich und sind etwa der Meinung, sie hätten es auch eigenständig noch bis zum Ausstieg geschafft; andere wiederum sind heilfroh, dass ihnen jemand die Rettung geschickt hat, wenn sie zum Beispiel irgendwo auf Halbweg drohten weder vorwärts noch rückwärts weiterzukommen oder wenn ein Gewitter aufzog. Wenn die Alarmierung über Dritte erfolgt, ist es für uns jedenfalls immer schwierig zu beurteilen, ob wir effektiv ausrücken sollen oder nicht. Aber die meisten Überforderten rufen schon persönlich an und sind erleichtert, wenn wir ihnen zu Hilfe eilen.
Klettersteiggeher, die Hilfe brauchen, werden, sofern sie noch selbstständig weitergehen können, von der Bergrettung ans kurze Seil genommen © BRD Meran
Welche speziellen Gefahren sind auf einer Klettersteigtour zu berücksichtigen, im Vergleich zu einer normalen Bergtour?
Die größte Gefahr geht eigentlich von den Personen selbst aus, indem sie ihre Fähigkeiten überschätzen bzw. den Klettersteig unterschätzen: Man steigt ohne entsprechende Erfahrung und zu jeder Tages- und Nachtzeit ein und wähnt sich dank Helm und Klettersteigset von unten bis oben in völliger Sicherheit – und ist dann irgendwann doch überfordert.
Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für die Retter selbst?
Sofern „nur“ Erschöpfung der Grund für die Alarmierung ist, werden die betroffenen Personen nach Möglichkeit terrestrisch – also ohne Helikopter – aus den Wänden geholt. In diesem Fall sind die Einsätze sehr zeitaufwendig und bringen gerade bei großer Hitze auch die Retter ins Schwitzen. Mitunter erfolgen die Alarmierungen auch erst in den Abendstunden, dann kommt es schon mal vor, dass man erst in der Nacht aus der Wand aussteigt. Der Helikopter kommt erst zum Einsatz, wenn eine Person verletzt oder eben völlig entkräftet ist und einen Auf- bzw. Abstieg allein schon motorisch oder kreislaufmäßig nicht mehr schafft.
© BRD Meran
Wie sollte ein Klettersteig beschaffen sein, damit die Rettung erleichtert oder im Idealfall gar nicht erst benötigt wird? Ist die Bergrettung bei Planung und Bau von Klettersteigen eigentlich mit eingebunden?
Ideal wäre, wenn es unterwegs sichere Notausstiege gäbe. Im Falle einer Rettung müsste man dann einen Patienten nicht ganz nach oben oder unten bringen. Solche Ausstiege sind aber vom Gelände her nicht überall möglich. Auch deshalb wird die Bergrettung beim Neubau eines Klettersteiges über dessen Beschaffenheit, Schwierigkeit etc. in Kenntnis gesetzt. Dann kann sie sich anhand der Bereitgestellten Informationen bereits einen Einsatz- bzw. Evakuierungsplan zurechtlegen, nach dem dann künftig im Ernstfall vorgegangen werden kann. Wir werden aber nicht vom Erbauer gefragt, wo und wie ein Klettersteig gemacht werden soll – hierfür ist die Bergrettung nicht zuständig.
Dein Appell an alle Klettersteig-Aspiranten?
Sie sollten zunächst einmal mit einem leichten Klettersteig beginnen und sich dann langsam an schwierigere herantasten. Die Möglichkeiten hierfür sind im Meraner Raum gegeben: Wir haben mit dem Knott am Naturnser Sonnenberg einen Übungsklettersteig, auch der Ziel-Klettersteig im Zieltal ist nicht das schwierigste Unterfangen, während etwa beim Hoachwool neben der Schwierigkeit die Länge eine Herausforderung darstellt und beim Heini-Holzer-Klettersteig – einem ausgesprochenen Hochsommer-Klettersteig – das alpine Ambiente inklusive Gewittergefahr hinzukommt. Eine gute Vorbereitung und Information – zum Beispiel auch über die Medien der Bergrettungsstelle – sind also das Um und Auf für gelungene Klettersteigtouren.