Hornotter (c) Tetraon

Achtsamkeit und Wachsamkeit sind zwei Dinge, die man beim Wandern nie Daheim lassen sollte. Dem Alpenverein Südtirol ist es gleichermaßen ein Anliegen, dass die Bergwelt unversehrt bleibt, aber auch dass Bergbegeisterte am Abend gesund und voller schöner Erinnerungen nach Hause kommen. „Daher gilt es, sich nicht nur konditionell, technisch und orientierungsmäßig auf eine Tour vorzubereiten und die Wetterbedingungen zu kennen, sondern auch, die wichtigsten Giftpflanzen und -tiere zu kennen“, sagt Klaus Bliem, Leiter des AVS-Referats für Natur und Umwelt.

Grundsätzlich gilt der Appell, auf den Wegen zu bleiben und sich bei allen Wild- und Weidetieren am Berg auf eine Beobachtung aus sicherer Entfernung zu beschränken. Am Berg gilt Respekt vor allen Lebewesen. Weidetiere sind oft niedlich, aber Herden können aus für Unerfahrene nicht erkennbaren Gründen plötzlich in Panik geraten und so auch für Wanderer gefährlich werden (siehe Pressemitteilung von Montag, 23. Juni). Das Anfassen von Tieren und Pflanzen oder der Genuss von unbekannten Beeren kann gefährlich sein – vor allem für Kinder, aber auch Hunde. „Als „mutmaßlich giftig“ eingestuft werden sollten jene Pflanzen, die von Weidetieren als Ganzes stehen gelassen werden. Von solchen Pflanzen sollte man auf jeden Fall Abstand halten“, sagt Bliem. Allergiker sollten auf Insekten achten – hier gelten dieselben Verhaltensregeln wie im Tal: nur keine Hektik und nicht herumfuchteln, Abstand zum Nest.

In Südtirol heimisch sind neben der Hornotter weitere zwei Giftschlangen, und zwar die Aspisviper und die Kreuzotter. (c) Ivan Plasinger

Meist gut getarnt sind giftige Tiere. In Südtirol leben drei Arten von Giftschlangen: Aspisviper, Hornotter und Kreuzotter. Üblicherweise verschwinden Schlangen, wenn sich Menschen nähern, es kommt aber doch immer wieder zu Begegnungen, selten zu Bissen – statistisch sind es in Südtirol 20 pro Jahr. Der Giftbiss einer giftigen Schlange hinterlässt ein bis zwei Einstichstellen (6 bis 8 Millimeter) und brennt wie Feuer auf der Haut, ist aber nicht tödlich. Für Schlangen gilt wie für andere Wildtiere auch: Sie greifen an, weil sie sich bedroht fühlen. Der AVS holt sich Expertise zu diesem Thema beim Verein Herpeton. „Nicht nur Giftschlangen beißen zu: Alle Schlangen beißen, um sich zu verteidigen. Und eine Giftschlange beißt oft auch „trocken“ zu. Aber man merkt gleich, ob es ein Giftbiss war oder nicht: ein Giftbiss brennt höllisch“, sagt Ivan Plasinger, Präsident des Vereins Herpeton.  Laut Statistik haben sich in den letzten 35 Jahren durchschnittlich 4,4 Patienten pro Jahr infolge von Bissen giftiger Schlangen an ein Krankenhaus gewandt. Sein Rat: Ruhig bleiben. „Die Psyche kann bei Schlangenbissen Streiche spielen – ich habe das selbst einmal miterlebt. Eine Frau wurde von einer völlig ungefährlichen Würfelnatter gebissen, sie hat sich aber so in eine Todesangst hineingesteigert, dass sie Bauchschmerzen, Kopfweh und sogar Fieber bekam“, erzählt er. Deshalb: Ruhe bewahren, Biss desinfizieren, verbinden – „in unseren Breitengraden ist es nicht nötig, die Stelle abzubinden“ (Plasinger) und einen Arzt aufsuchen.

Weißer Germer, Tollkirsche, Blauer Eisenhut und Eibe: Diese Pflanzen gehören zu den tödlich giftigen Pflanzen in Südtirol. Grundsätzlich gilt, dass unbekannte Pflanzen und ihre Früchte und Beeren nicht berührt und schon gar nicht gegessen werden sollten. Was Weidetiere stehen lassen, sollte auch der Mensch stehen lassen. (c)Pixabay/Ulrike Huber

Bei den Pflanzen ist das Panorama giftiger Exemplare in Südtirols Wäldern und Bergen breiter. Häufig sind es Pflanzen, die aus der Heilkunde bekannt sind, die giftig sind. „Es gilt die Faustregel: Unbekannte Beeren oder Pflanzen gehören niemals in den Mund, am besten sollte man sie auch nicht anfassen – oft passiert die Vergiftung über kleinste Verletzungen oder die Schleimhäute“, sagt Bliem. Die Mitarbeiter des Referats Natur und Umwelt haben einige häufig vorkommende giftige Pflanzen aufgelistet.

Neben Himbeeren, Schwarzbeeren und Erdbeeren wächst am Waldrand oder auf Lichtungen die Tollkirsche (Atropa belladonna). Die Beeren der Heilpflanze schmecken auch gut – für Kinder können aber bereits 3 bis 4 Beeren tödlich sein, für Erwachsene 10 bis 12.

Die giftigste Pflanze Europas ist der Blaue Eisenhut (Aconitum) – eine Heilpflanze; auch ihr „Verwandter“, der Gelbe Eisenhut ist giftig. Alle Eisenhut-Arten enthalten die Alkaloide Aconitin und Napellin – ersteres eines der stärksten bekannten Pflanzengifte. Man sollte diese Pflanze nicht berühren – das Gift kann durch winzige Wunden eindringen und gefährlich werden. Schon wenige Gramm können für den Menschen tödlich sein, auch für Hunde endet der Kontakt mit dem Blauen Eisenhut nach wenigen Stunden tödlich.

Ebenfalls zwei Arten gibt es vom Fingerhut (Digitalis – rot und gelb). Schon der Verzehr von zwei bis drei Blättern kann für den Menschen tödlich sein, wenige Gramm von der Pflanze sind für Hunde tödlich.

Ebenso tödlich sein kann die Eibe (Taxus baccata): die gesamte Pflanze ist stark giftig – auch für Tiere, besonders Pferde reagieren sensibel darauf.

Der Stinkwacholder oder Sadebaum (Juniperus sabina), der tödlich giftige Verwandte des Wacholders. Stinkwacholder ist ein Strauch mit schuppigen Blättern (Wacholder hat stechende Einzelnadeln), die Beeren ähneln sich – jene des Stinkwacholders riechen unangenehm.

Stark giftig bzw. tödlich ist der Weiße Germer (Veratrum album) – diese Pflanze kommt auf Almen und feuchten Wiesen häufig vor, jeder Pflanzenteil ist hochgiftig.

Etwas später im Sommer kommen die giftigen Pilze dazu – besonders gefährlich sind jene, die ihren essbaren Verwandten ähnlich sind. Hier gilt es, sich gut vorzubereiten bzw. die Pilze vor dem Verzehr von Experten (Mykologischer Dienst des Sanitätsbetriebs) kontrollieren zu lassen. Eine Herbst-Giftpflanze ist die Herbstzeitlose – leicht zu verwechseln mit dem Herbstkrokus. Diese Pflanze ist in allen Teilen tödlich giftig, auch für Hunde.

Das ist im Notfall zu tun

Vergiftungen zeigen sich durch unterschiedlichste Symptome bis hin zu Lähmungen und Herz-Kreislaufstillstand. Im Ernstfall sollte die einheitliche Landesnotrufzentrale 112 verständigt werden, welche auch Anleitungen für das richtige Verhalten bis zum Eintreffen eines Notarztteams geben kann. Eine detaillierte Beschreibung (oder im Idealfall Foto) des mutmaßlich giftigen Tieres oder der giftigen Pflanze sind für eine medizinische Behandlung hilfreich.