Dürrenstein © Ruth Heidi 2022
Hochalpine Überschreitung mit Zug & Bus vom Pflerschtal ins Stubaital
Ruth Heidingsfelder, Sektion Etschtal
Die hochalpine Überschreitung vom Pflerschtal ins Stubaital mit öffentlichen Verkehrsmitteln hatte ich schon lang im Kopf. Die Idee war mir vor vielen Jahren gekommen, als ich mit Freunden den Stubaier Höhenweg machte und wir abends gemütlich auf der Nürnberger Hütte beieinander sitzend auf die Karte schauten. Warum nicht mal vom hintersten Pflerschtal entlang des Alpenhauptkamms gen Westen laufen und dann nach Norden überwechseln? Das wäre eine Königsüberschreitung, die einen nicht nur von einem Alpenstaat in einen anderen führt, sondern auch zwei Gletscher und eine kleine Gratkraxelei dabei hat.
Ein paar Jahre später ist es endlich soweit. Da sowohl das Pflersch- als auch das Stubaital hervorragend mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden sind, treffen mein Tourenpartner Gerhardt Braun und ich schnell die Entscheidung , eine Hochtour mit Bus und Bahn durchzuführen. So fällt zwar das „Ausrüstungsdepot“ Auto weg, dafür packen wir umso sparsamer. Die Wechselklamotten für die Hütte abends können wir ja auch auf der Heimfahrt anziehen.
Mit dem Zug fahren wir nach Gossensass und nehmen den Bus nach Innerpflersch. Leider ist das Wetter sehr unitalienisch, es regnet in Strömen und für die Hochlagen ist Schnee gemeldet. Dafür soll es die nächsten zwei Tage trocken sein. Die 1000 Höhenmeter zur Magdeburger Hütte treibt uns der Regen vor uns her und deshalb lassen wir den wunderschönen Rochollsee mit seinen Wollgraswiesen rechts liegen und flüchten uns direkt ins Warme. Bis auf eine sechser Gruppe Wanderer sind wir die einzigen Gäste. Was für ein Luxus, so mitten im Hochsommer!
Feuersteinferner. Versicherter Steig zum Ferner. Blick ins Ridnauntal. Abstieg zur Teplitzer Hütte © Gerhardt Braun, Ruth Heidi
Am nächsten Morgen wollen wir über den Feuersteinferner zum Becherhaus laufen. Der Vormittag ist wenig einladend, es ist bewölkt und sakrisch kalt. Auf dem Aufstieg zum Gletscher wird uns zum Glück schnell warm. Der versicherte Steig oberhalb des Gletscherabbruchs ist schneefrei, nur die Bergspitzen rundum sind angezuckert und der Ferner hat ein Schönheits-Makeup aus Pulverschnee aufgetragen. Gefährlich sieht er nicht aus, aber wir legen zu Übungszwecken und aus Sicherheitserwägungen trotzdem das Seil an.
Am Pass angekommen entscheiden wir uns gegen die mühsamere Variante über den Hängenden Ferner und wählen den Direktabstieg zur Teplitzer Hütte. Bei dem Wetter ist uns mehr nach Kaffee und Apfelstrudel als nach Blockschutt…
Nach der Einkehr geht es auf dem prächtig ausgebauten Wanderweg hinauf aufs Becherhaus (3.195m). Wie immer zieht sich der Zustieg ganz schön, aber irgendwann sind wir da und genießen den spektakulären Ausblick aufs Gletscherrund.
Den Aufstieg zum Wilden Freiger am nächsten Morgen gehen wir gemütlich an. Erstmal einlaufen, bevor es auf den Klettergrat geht! Mit uns sind ein paar wenige Wanderer Richtung Freiger unterwegs, wir sind aber die Einzigen, die nicht den Direktabstieg zur Nürnberger Hütte wählen, sondern in den Grat Richtung Wilder Pfaff einsteigen.
In den Felsen liegt stellenweise ordentlich Schnee, trotzdem macht die Kraxelei Spaß. Auch der Abstieg zur Fernerstube ist gut zu bewältigen. Angekommen auf dem Gletscher geht es gemütlich abwärts, wir genießen die völlige Einsamkeit und bestaunen die Gletschermühlen, die sich tief unten gurgelnd immer wieder auf dem Ferner auftun.
Grat oberhalb des Becherhauses. Blick vom Wilden Freiger. Gratkraxelei auf österreichischer Seite. Sonnenaufgang am Becherhaus © Gerhardt Braun, Ruth Heidi
Oberhalb der Sulzenauhütte machen wir auf einem der großen Gletscherschlifffelsen Mittagspause und verspern ausgiebig. Nach einem Espresso auf der Hütte geht es an den Wiederaufstieg in Richtung Nürnberger Hütte. Auf dem Grenzgrat begrüßen uns Schafe, die keinerlei Berührungsängste zu scheinen haben. Nachdem sie weniger an Streicheleinheiten als an unserer (geliehenen!) Wanderkarte interessiert sind, verkürzen wir die Pause aber spontan und steigen rasch zur Nürnberger Hütte ab.
Nach zwei Tagen Bergeinsamkeit empfängt uns hier der Rummel des Stubaier Höhenwegs. Die schöne historische Stube ist bis auf den letzten Platz besetzt, der Geräuschpegel entsprechend. Was für ein Unterschied zur kleinen Magdeburger Hütte….
Am nächsten Tag erwartet uns der schwerste Part unserer Tour: die Rückkehr nach Hause. Um den harten Aufschlag in der Zivilisation etwas weicher zu gestalten, laufen wir das Stubaital noch ein Stück hinaus, bevor wir in den Bus steigen.
Fazit: eine wunderschöne, einfache Hochtour in einsamer Gegend, die sich problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln machen lässt. Wer auf der Rückfahrt schneller nach Hause kommen und daher auf den Umstieg in Innsbruck verzichten möchte, kann die Tour auch umgekehrt gehen.