„Schell 8er (VII)“ Santnerspitze, Schlern
Erstbegehung der Route "Schell 8er" © Manuel Stuflesser und Helmut Kostner

Am 10.05.22 wurde die Tour Schell 8er am Kopf unterhalb der Santnerspitze von Manuel Stuflesser zusammen mit Helmut Kostner erstbegangen. Die Tour folgt einer logischen Kletterlinie entlang eines Risses.

Den Standardeinleitungstext, wie man die Linie der Tour gefunden hat, überspringen wir diesmal. Vielmehr möchten wir in diesem Bericht die hervorgetretenen Fragestellungen, vor allem nach dem Durchstieg, mit euch teilen.

Grundlegend wird mit einer Erstbesteigung eines Wandteiles, unberührtes Gebiet besetzt. Der Begeher hat die Freiheit die Route nach seinen Vorstellungen und  seiner persönlichen Art und Weise zu gestalten. Tragen wir Erstbegeher hiermit nicht auch eine Verantwortung gegenüber der Klettergemeinschaft? Die Linie besetzt unwiderruflich einen Wandteil, wie eine Skizze ein weißes Blatt Papier. Eine endliche Ressource die es gewissenhaft zu nutzen gilt. 

Der Begeher hat die Wahl, es bei der Linie auf dem Blatt, in seiner ersten Fassung zu belassen. Ebenfalls möglich ist es Zeit zu investieren und die Skizze zu verfeinern. Im Klartext, loses Gestein zu entfernen, weitere Zwischensicherungen zu hinterlassen oder auch den Abstieg zu definieren. Der Erstgeher muss sich generell die Frage stellen, möchte man die Route im hinterlassen Zustand selbst nochmals gerne klettern. 

Gerade deshalb war es auch schnell klar, dass Standplätze mit Bohrhaken ausgerüstet werden. 

Alle Kletterabschnitte hingegen sollten falls nötig, traditionell, mit Normalhaken abgesichert werden. Wiederholern sei es gegönnt eigenes Hakenmaterial zusätzlich anzubringen, hingegen ist der Einsatz von Friends unerlässlich.

Es ist durchaus schätzenswert, Erstbegehungen ohne DIN Regelwerk durchführen zu dürfen. Vor dem Einstieg stellt sich die Frage in welchem Ausmaß die zur heutigen Verfügung stehenden alpintechnischen Mittel eingesetzt werden. Ausgehend davon, kann ein gut platzierter Friend manchen Schlaghaken vollständig ersetzten. Andererseits unter Rücksichtnahme auf die normale alpine Ausrüstung, spricht nichts gegen den maßvollen Einsatz von Schlaghaken. In der Route Schell 8er wurden nachträglich, in einer Putzaktion loses Gestein und Graspölster entfernt. Längs der Route, für eine homogene Absicherung, wurden zusätzliche noch Zwischensicherungen angebracht.

Eine Kosten-Nutzen Rechnung einer Begehung, fällt sofern die Besteigung für Wiederholer gemacht wird, ernüchternd aus. In unserem Falle ist die Tour zu kurz für den einstündigen Zustieg. Trotzdem lohnten sich die investierten Tage aufgrund der durchlebten Erfahrungen und gemeinsam verbrachten Zeit. Einige der befriedigendsten Aspekte dieser Freizeitbeschäftigung ist ohnehin der Spaß unter Gleichgesinnten.

Nicht genug der Diskussion. Wie der Name, gehört auch die Bewertung zur Route. Zunehmend ist festzustellen, dass die Schwierigkeitsgrade den Kletterpassagen sehr unterschiedlich zugeordnet werden. Erfahrung, physische und psychische Verfassung, Felsqualität usw. führen zu einer sehr subjektiven Einschätzung der Kletterschwierigkeit. Daher ist ein Feedback von Wiederholern wünschenswert.

Für die Bewertung haben wir uns in erster Linie an den vorherrschenden Nachbarrouten orientiert. Eine Fehlerfortpflanzung ist dabei nicht ausgeschlossen da einige der Routen wie „Hons im Glück“, Flugmodus bzw. Schlernschatten aus eigener Feder stammen. 

Im Gegensatz zu den allgemeinen Sportkletterbewertungen wurde die Einstufung in unserem Falle als Onsightbegehung valutiert. Dies unter Voraussetzung alpiner Erfahrung. Auch ein direkter Vergleich zu Hallenbewertungen ist nicht angebracht. 

Aus dieser Überlegung heraus ergibt sich auch der größte Bewertungsunterschied in Gebieten mit hauptsächlich neuerschlossenen Routen. Ähnliches geschieht in künstlichen Anlagen. Durch ständige Erneuerung von Kletterrouten kann das fehlen eines Urmaßes oder anders ausgedrückt einer beständigen Referenztour, eine schleichende Bewertungsinflation entstehen. Schlussendlich sind Bewertungen aber nur Zahlen für eine Orientierung zur Auswahl der nächsten Route und Themengebend für Gespräche nach der Begehung.

Eine äußerst schnelle Einigung erfolgte bei der Namensgebung der Route. 

Nach den ernsten Stunden am Berg, darf das Leben und generell die Freude nicht zu kurz kommen. So geschehen bei einem Kartenspiel kurz vor der Rotpunktbegehung.

Um weiteren Erinnerungslücken vorzubeugen, einigte man sich beim Watten auf Schell 8er als Standardansage. Dass zeitweise keiner der beiden Ansager weder Schlag noch Farbe hatten war hierbei zweitrangig. Der Gerechtigkeit war Genüge getan und das Kind am zweiten Kopf unterm Santner hatte seinen Namen.

Erstbegehung der Route "Schell 8er" © Manuel Stuflesser und Helmut Kostner

Routeninformationen

Erstbegeher: Manuel Stuflesser und Helmut Kostner, 12.08.2020 und 10.05.2022. Erste Rotpunktbegehung am 09.08.2022

Schwierigkeit: VII

Länge: 8 Seillängen / 200m

Zeit: 4-5 Stunden

Absicherung: Bohrhaken an den Ständen, einige Zwischensicherungen, Umgang mit Friends unerlässlich

Material: NAA

Charakter: Wunderschöne und logische Kletterlinie entlang eines Risses der einem vom Einstieg bis zum Ausstieg leitet. Senkrechte, abwechslungsreiche und athletische Kletterei an leisten und guten Löchern

Zustieg: Vom Ende der Forststrasse zur Schlernklamm zum Wandfuss queren oder direkt kurz nach der Schranke hoch durch den Wald ca. 50m.

Einstieg beim rechten Riss 46° 31′ 45″N 11°34’23“ E

Abstieg: Entlang dem Grat, bzw. Erhebung links umgehen, in Rinne absteigen und zum gegenüberliegenden Grat aufsteigen und Grat bis zur Scharte folgen. Einfach dem Gamspfad bzw. den abgenagten Latschen folgen