„Quanto ci manca“(VI+), Große Ohrenspitze, 2. Westpfeiler, Rieserferner Gruppe
Erstbegehung der Tour "Quanto ci manca" © Manuel Gietl und Jakob Steinkasserer

Jakob Steinkasserer und Manuel Gietl gelang eine weitere Erstbegehung an der Großen Ohrenspitze. Die "Quanto ci manca" ist eine Tour für Alpinisten, die herbe Zustiege, heikles Klettern und alpines Flair hoch achten.

Nachdem wir Anfang Juli bereits den ersten Pfeiler an der großen Ohrenspitze erklettern konnten, war natürlich das Interesse für die benachbarten Pfeiler und deren Möglichkeiten weitere Linien zu eröffnen, geweckt. Mitte August genau am sogenannten „Hoch unser Frauen-Tag“ oder wie die Italiener sagen dem „Ferragosto“ nahmen wir den langen und mühsamen Aufstieg zur großen Ohrenspitze ein weiteres Mal in Angriff. Ziel war es, am zweiten Pfeiler eine möglichst logische Linie mit Hilfe traditionellen Absicherungen zu erschließen.

Die ersten Seillänge entpuppte sich allerdings als verwegener als vermutet. Dieser geschlossene Wandbereich bot kaum nennenswerte Möglichkeiten mobile Sicherungen anzubringen. Nach einer heiklen Rechtsquerung wurde der Felsen allerdings hinsichtlich Angebot an Risssen und Spalten wieder großzügiger.

In einem unglaublich tollem alpinen Ambiente erkletterten wir schlussendlich nach neun abwechslungsreichen Seillängen einen vorgelagerten Tonalit-Sporn auf dem Südgrat. Dort richteten wir den ersten von drei Abseilständen ein und seilten uns in direkter Falllinie ab. Die „Quanto ci manca?“, was so viel bedeutet, „wie weit ist es noch?“, ist begeisterten gehtüchtigen alpinen Kletterern empfohlen, die das Klettern weit weg von viel befahrenen Passstraßen, touristisch überlaufenen Wanderwegen und viel frequentierten Modetouren schätzen. Die alpine Atmosphäre und die eindrucksvollen Ausblicke entlang der Route entschädigen sicherlich für den langen mühsamen Aufstieg.

Erstbegehung der Tour "Quanto ci manca" © Manuel Gietl und Jakob Steinkasserer

Routeninformationen

„Quanto ci manca“

Erstbegehung: Manuel Gietl und Jakob Steinkasserer onsight am 15.08.21

Schwierigkeit: 6+

Länge: 9 Seillängen, ca. 300 Klettermeter

Zeit: 4 Stunden

Fels: gut bis sehr gut (meist kompakter Rieserferner Tonalit), abschnittsweise etwas blockig

Material: 12 Express, Doppelseil, 2 Sortiments Friends, Klemmkeile, Hammer und Haken, Schlingenmaterial

Ausrichtung: Südwest 

 Charakter: sehr alpine Wand- und Risskletterei auf strukturiertem, meist griffigen und größtenteils kompakten Tonalit (granitähnlich)

Absicherung: In der ersten Seillänge stecken einige Normalhaken und ebenso ist der erste Standplatz mit zwei Profilhaken versehen. Der Rest erfolgt ausschließlich durch mobile Sicherungen. Der Fels bietet jedoch zahlreiche gute Möglichkeiten, sich mit Friends und Klemmkeile abzusichern. Das Abseilen erfolgt entlang einer mit Normalhaken eingerichteten Abseilpiste.

Einstieg: 46.903770, 12.172612

Zustieg: ausgehend vom Antholzer See zunächst Weg Nr. 39 folgen. Nach ca. 500 am Riepboden angelangt vor der Gedanktafel (Stein) rechts abbiegen. Nach einigen Metern nach Steinmännchen Ausschau halten. Diesen folgen und weiter steil aufsteigen bis zu einer grasigen Schulter. Von dort kann man die große Ohrenspitze gut einsehen. Von nun an weglos die beste Möglichkeit suchen, um zuerst Richtung Tuplenscharte bzw.  um zum Einstieg zu gelangen (nicht markiert). Aufstiegszeit ca. 2h 30 min.

Abstieg: Vom letztem Standplatz (eingerichtet)   3 Mal 60m in direkter Linie abseilen – Abseilstände sind jeweils eingerichtet – Von dort in leichter Kletterei ca. 100m in den breiten Graben absteigen. Dann über Aufstiegsroute wieder zurück zum Ausgangspunkt am Antholzer See (ca.2 h)