„Geschwisterliebe (VII+ oder VI+ A0)“, Piz La Dorada, Edelweißtal
Erstbegehung der "Geschwisterliebe" © Hannes Hofer, Fabian Bacher und Andreas Brunner

Hannes Hofer, Fabian Bacher und Andreas Brunner konnten 2017 diese neue Linie Erstbegehen. Die Verschneidung springt einem förmlich ins Auge und endet mit einem großen Dach.

Kaum zu glauben, dass diese logische Linie noch unbestiegen ist.
Mit einem Sack voll Nägel und Friends machten Andreas Brunner und ich uns auf den Weg, um diese Verschneidung näher zu betrachten. Wir kletterten die ersten beiden Seillängen der Route „Pescione ed Airona“. Weitere zwei Seillängen über das Grasband bis zum Beginn unseres Vorhabens. Ich stieg in die Verschneidung ein. Der Fels ist ausgezeichnet. In der Verschneidung bot sich Platz für Nägel und Friends aller Größen. So schnell ich auch diese 40 Meter Seillänge klettern konnte, brauchte ich umso länger für den Bau des Standplatzes. Eine kleine Sanduhr…  konnte ich diese als zusätzliche Standsicherung verwenden?

Aus Angst sie würde brechen, schlug ich mit meinem Hammer leicht dagegen. Im Gedanken „der Stand muss halten“ ertappte ich mich, wie meine Schläge immer stärker und stärker wurden – bis die Sanduhr Risse bekam und schließlich zerbrach.
Mit Sicherheit hätte sie einiges ausgehalten, doch mein Vertrauen zum Fels ließ zu wünschen übrig – zu frisch war der Unfall meiner Schwester.

Topo Geschwisterliebe © Hannes Hofer, Andreas Brunner und Fabian Bacher
Als Andreas sich für den Weiterweg vorbereitete, läutet sein Telefon. Es war sein Vater mit schlechten Neuigkeiten: seine Großmutter war friedlich entschlafen. Ohne weitere Worte zu verlieren fädelten wir die Seile um und Seilten ab.
Im Sommer 2017 war es endlich wieder an der Zeit. Andreas war leider verhindert und so begleitete mich Fabian Bacher. Am letzten eingerichteten Standplatz angekommen, ging es für mich weiter ins Neuland. Die weitere Linienfolgerung war natürlich klar. Ein bombenfester Riss in der Verschneidung, optimal zum Sichern mit Friends.
Wir schweiften gedanklich aus: Der Riss erinnerte uns ans Klettern im Yosemite Valley, was kein Wunder war, denn so ziemlich alles ließ uns an die kürzlich gelungene Reise erinnern. Selbst das Klappern der vielen Friends am Gurt, dass ich im Spreizschritt kletternd verursachte. Es war keine kräftige Seillänge, viel mehr krampften meine Füße. Als das Material am Gurt zuneige ging, erreichte ich ein schönes Band, welches sich optimal für den Standplatz eignete.
Auch die nächste Seillänge konnten wir ziemlich schnell und ohne größere Probleme erstbegehen und schon waren wir an der Finallänge unter dem großen Dach angelangt. Ein klarer Riss im Dach zeichnete uns den Weg. Durch eine gute Leiste unter dem Dach konnte ich mich weit ausstrecken und erreichte so einen guten Griff. Schnell einen kleinen Friend rein und dann wurde es spannend…
Für mich kein haltbarer Griff über der Dachkannte… Ich konnte nur einen Aufleger in einiger Entfernung erahnen – lieber noch einen zusätzlichen Nagel schlagen. Erst jetzt konnte ich den dynamischen Zug wagen und siehe da, der Aufleger war gut. In ungünstigen Positionen kämpfte ich mich die letzten Meter bis zum Grasband nach oben. Es war geschafft, eine neue attraktive Linie in den Dolomiten war geboren.
Topo Geschwisterliebe © Hannes Hofer, Andreas Brunner und Fabian Bacher

Im Frühjahr 2018 kehrten wir nochmals zurück um einige wenige Stellen zu säubern und die Sicherung mit zusätzlichen Nägeln zu verbessern. Da uns bei dieser Erstbegehung das Schicksal meiner Schwester stets im Gedanken begleitete, entschieden wir uns die Route „Geschwisterliebe“ zu benennen, um an unserer Kletterpartnerin und Schwester Helene zu gedenken.

Hannes Hofer

Erstbegehung der "Geschwisterliebe" © Hannes Hofer, Fabian Bacher und Andreas Brunner

Routeninformationen

Geschwisterliebe – Südostverschneidung, La Dorada, Edelweißtal, Kolfuschg

Schwierigkeit:
VI+, eine Stelle VII+ auch A0 möglich

Erstbegeher:
Hannes Hofer, Fabian Bacher, Andreas Brunner 2016/2017

Charakter:
sehr schöne Verschneidungskletterei in kompaktem Fels

Material:
normale alpine Ausrüstung mit 1 Satz Friends aller Größen: (C4: 3 – 0.3)

Zustieg:
beim Parkplatz Sessellift „Col Pradat“ parken. Von dort ist die Wand gut ersichtlich. Der Forststraße zur Edelweißhütte folgen. Oberhalb der Latschen und unter die Wand queren (ca. 45 minuten).

Einstieg:
an der Route „Pescione ed Airona“, gefädelte Sanduhr ersichtlich

Abstieg:
über die Hänge nach rechts absteigen und zurück zum Wanderweg Nr. 4