„Fairplay“, Vallon-Sella-Gruppe, Dolomiten
Erstbegehung der "Fair Play" © Simon Gietl
Im Herzen der Dolomiten, nahe Corvara in der Vallon-Sella-Gruppe, entdeckte der 26-Jährige Simon Gietl eine "ziemlich steile Wand", die er unbedingt "bohrhakenfrei" klettern wollte.
Bei über 200 Metern Wandhöhe und einem Schwierigkeitsgrad von bis 10- auch für einen Profi ein recht ambitioniertes Vorhaben. Anfang Juli machte sich Gietl zusammen mit seinen Seilpartner Klaus Gruber an das Projekt „Fairplay“. Knapp zwei Monate später gelang es ihm, alle sieben Seillängen seiner Erstbegehung rotpunkt zu klettern.
„Es war also im späten Sommer 2007 als ich den bauchigen Überhang links der Mittersteiner Route erblickte. Genau das, was ich immer suchte. Gelber, splittriger, stark ausladener und vor allem unberührter Fels im Herzen der bleichen Berge. Doch das Selbsvertrauen ebendiese Linie erstzubegehen war noch zu klein. Eingeschüchtert von der gelben Dolomitmarkisse trat ich die Heimfahrt in meinem klapprigen VW Transporter an. Zwei Sommer zogen ins Land. Ich wurde stärker, wurde sicherer und die Idee den nahezu unüberwindbar erscheinenden Überhang zu knacken, wurde zum fixen Entschluss.
Mai 2010. Endlich. Voll bepackt mit Freinds und Haken stehe ich unter diesen von Dächern übersäten Wandteil. Mein Seilpartner Klaus Gruber schenkt mir vollstes Vertrauen, feuert mich an und nimmt mich in die Sicherung. Sein typischer Spruch darf auch heute nicht fehlen „Etwas wird schon fliegen, Lass es tuschn (krachen)!“. Bereits am Einstieg geht es ordentlich zur Sache. Von den Bewegungen her fühlt es sich eher als eine Bouldersession an als die ersten meter einer alpinen Erstbegehung. Schon ein komisches Gefühl, voller Haken und Schlingen seine maximalkraft zu strapazieren. Heimlich funkt mir mein Inneres. „So schwierig hättest du dirs nicht vorgestellt?!“. Nach gut 15 Metern kann ich den ersten Haken schlagen. Bis dort dämpfen im schlimmsten fall einige modrige Sanduhren und ein fixer Klemmkeil einen Sturz. Die darauffolgenden Metern sollte sich als Schlüsselstelle erweisen. Eine sehr Kraft raubende Sequenz nach links versetzt körperliche wie mentale Kraftreserven auf Alarmstufe Rot. Mein liebgewonnener Cliff ist mein Tanzpartner bei diesem delikaten Tanz auf Eiern. Wichtig dabei ist die Schrittfolge bei diesem alpinen Tànzchen. Tanzpartner vertrauen, ihn nicht ueberfordern und immer richtig belasten. Wie ein alpiner Walzer mit einem kleinen Cliff. Nach gut 40 Metern kann ich den ersten Stand einrichten. Langersehnt und ebenso exponiert. Klaus kann es kaum erwarten, die Seillaenge nachzusteigen. Mein Verdacht bestaetigt sich. Die Route wird schwierig, sehr schwierig. Und ebenso erweisen sich die Sicherungsmoeglichkeiten heikler als erwartet. Klaus gratuliert mir zur dieser Seillänge. Fuegt seinen ueberschwaenglichen Glueckwuenschen allerdings hinzu, dass er es kaum fuer moeglich haelt, mittels bohrhakenloser Absicherung dieser Seillaenge den roten Punkt zu verpassen. Die zweite Seillaenge ist trotz kaum nachlassender Ausgesetztheit um einiges leichter. Doch immerhin erfordert auch diese den 9. Grad. Insgesamt brauch ich schlussendlich fuenf Tage bis ich meine Erstbegehung verwircklicht hatte. 250 steile Meter, wobei man sich in den ersten Seillaengen fuehlt als hangle man sich entlang eines riesigen Elefantenbauches, sind das Ergebnis dieser muehevollen Schinderei. Die Route ist eingerichtet. Kein einziger Haken ist gebohrt. Der Felsen ist nach einer laengeren Regenperiode wieder trocken. Mein Seilpartner motiviert. Die richtigen Zutaten der Route den finalen Schliff zu geben. Die Rotpunktbegehung gelingt mir schliesslich nach zaehem Ringen und kompromisslosen Durchziehen entlang einer fragwuerdigen Sicherungskette. Ich geh als Sieger vom Platz. Als Sieger einer fairen Begegnung mit dem Berg. Fairplay ist geboren.“
Simon Gietl