Ja, in Coronazeiten ist einiges anders, das wissen wir mittlerweile alle. Und wenn täglich nicht das Murmeltier sondern ein neues Dekret grüßt - muss man dann halt oftmals erfinderisch - spontan und ganz wichtig - unempfindlich sein.
Ein (fast) ganz normaler Bericht über eine (fast) ganz normale Skitour während der Ausgangssperre - von Andrea Wisthaler
Innichen, 13. Februar 6 Uhr irgendwas.
Ich öffne die Tür, mache einen Schritt nach draußen und sofort wieder zwei zurück. „Leicht frisch heint“ sage ich zu Markus und ziehe mir mein Halstuch über die Nase. Das Thermometer zeigt -21° an. Wir steigen auf die Räder und fahren auf dem Fahrradweg Richtung Toblach. Auf dem Rücken Rucksack mit Ski, Skischuhen und Stöcken, gefühlte 50 Kilo. Nach gefühlt 2 Tretern schmerzt mir bereits der Arsch. Ich hätte nicht gedacht, dass die erste Mountainbiketour des Jahres Mitte Februar sein wird. Die Entscheidung auf dem Radweg anstatt der Hauptstraße zu fahren war nicht wirklich schlau – auf dem Schnee zu fahren ist ziemlich anstrengend, fährt man zu langsam ist es zu „haale“, fährt man zu schnell kommt man ins Schleifen. Stückeweis sind Eisschollen über die komplette Breite des Weges und wir sind gezwungen abzusteigen. Markus ist hinter mir, doch ich höre noch etwas. Ich schaue zurück und sage zu Markus „Schau do kimp seggo a Auto“ , „Jo und zwor di Carpf“ antwortet er mir lächelnd. Ich bereite mich bereits auf die Rede vor, die Ich Ihnen gleich aufsagen werde, aber es kommt leider nicht dazu. Sie fahren einfach weiter.
In Toblach können wir endlich auf der Haupstraße weiterfahren, was uns sehr viel Kraft spart. Wir treten in das Höhlensteintal, einsam und verlassen, nur einige Male kreuzen wir den Ordnungshütern.
1. Wechsel – Vom Rad auf die Ski
Ich bin froh – sobald wir beim E-Werk in Landro ankommen. Trotz treten bin ich irgendwie nicht wirklich warm geworden, die Zustiegsschuhe sind ziemlich gefroren und ich freue mich auf Skischuhe zu switchen. Es wird nicht lange getrödelt, weil es wirklich arschkalt ist. Wir hängen die Räder zusammen – steigen auf die Ski – und starten auf der Loipe in Richtung Schluderbach. Man merkt, dass uns kalt ist, unser Schritt ähnelt einem leichten Jogging, aber es ist angenehm und wir kommen gut voran. Kurz bevor wir die Straße überqueren müssen, kommen wir das erste Mal in die Sonne. „Oooooh do ent kimmp is Moidile“ sagt Markus zu mir. Wir schießen noch ein Selfie und mir kommt vor, mir gefriert fast mein Lächeln ein.
8 Kilometer Loipe sind gemacht und ich freue mich, wenn es endlich aufwärts geht. Mit dem langen geraudeaus-gehaatsche habe ich bereits Blasen an den Füßen, aber das bin ich mittlerweile gewohnt. Wir ziehen eine Schicht aus und schalten unsere Piepser ein. Jetzt geht es über die (normalerweise) Rodelbahn auf die Plätzwiese. Wir nehmen den kürzesten Weg – direttissima über den Wald hoch. Schon bald können wir die Dürrensteinhütte sehen, unser Ziel ist aber noch ein Stückchen entfernt. Wir tschaggeln gemütlich und nun wieder flach Richtung Almgasthaus Plätzwiese. Bei einer Hütte beschließen wir, eine Pause zu machen, setzen uns kurz hin, essen einen Riegel und trinken ein paar Schluck Tee. Beim wieder-Aufstehen merke ich, dass wir schon ein paar Kilometer in den Füßen haben. Unser nächster POI den wir anpeilen ist der Dürrenstein. „Juhuuu mir terfn spurn“ sage ich höhnisch zu Markus, welcher entschlossen voraus marschiert.
Wir marschieren in relativ gutem Tempo, ich merke aber bald, dass wir langsamer werden. Zum einen müssen wir spuren, zum anderen haben wir bereits über 20 Kilometer in den Beinen. Wir wechseln uns mit dem Spuren ab und kommen unserem Ziel Schritt für Schritt näher. Auf dem Gipfelrücken angekommen pfeift uns ein eisiger Wind entgegen. Den Gipfel selbst schenken wir uns – weil wir beide schon gefühlt 50mal beim Kreuz gestanden sind. Wir Essen und Trinken ausgiebig, unsere Körper brauchen das jetzt definitiv. Er ist immer noch kalt – wir merken es, weil wir den Tee nicht wie sonst immer abkühlen lassen müssen, sondern direkt runtertrinken können. Plötzlich kommt ein Italiener auf den Gipfel, allein, nur er und seine Handykamera, mit der er bereits Videotelefoniert bevor er aus der Bindung ausgeklipst ist. Ich verstehe nicht viel, nur das alles „spettacolare“ ist, aber das hätte ich auch ohne Ihn gewusst. Wir packen unsere 7 Sachen zusammen und schauen uns den Weiterweg zu unserem nächstes Ziel an – der Nordrinne.
Die Nordrinne
Markus ist die Nordinne bereits einmal gefahren und weiß, wo wir hin müssen. Zuerst müssen wir südseitig ein Stück abfahren, dann rechts raus – nochmals 50m aufsteigen und dann sind wir in der Rinne. So der Plan. Nach dem ausführlich studierten Lawinenlagebericht wissen wir, dass die Gefahren in Rinnen und Mulden sind. Das merken wir auch relativ schnell und fahren das erste Stück einzeln und sehr vorsichtig ab. Markus fährt voraus und bemerkt, dass er zu früh rechts raus ist. Kein Weiterkommen, falsch, verdammt. Wir queren vorsichtig zurück und fahren noch ein Stück ab. Nun sehen wir, wo wir wieder hoch müssen. Ich klemme die Skistöcke zwischen Rücken und Rucksack und nehme die Skier als Stöcke. Wir stapfen die kurze Rinne hoch und stehen nun beim Einsteig in die Nordinne.
Ich freue mich ungemein auf die Rinne und hoffe, dass wir guten Schnee haben. Das erste Stück ist hart und ich hoffe, dass die restliche Abfahrt besser wird. Und plötzlich. POWDER!! Und was für einer. Unverspurt. Es macht unglaublich Spaß. Wir grinsen beide über beide Ohren und genießen jeden Schwung. Ein Stück unten sehe ich Markus warten, ich wedle zu ihm und er sagt mir „Des Sahnestickl lodde dir„. Ich sehe einen Kessel der nach unten hin immer breiter wird, alles unverspurt und nur für uns alleine. Der liebe Gott meint es wohl gut mit uns und belohnt uns für die Strapazen, die wir heute auf uns genommen haben. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht quere ich in den Hang und setzte zum ersten Schwung an, in Erwartung auf Puderzucker. Mein Lächeln verwandelt sich schnell in ein trauriges Smiley und ich höre es „gratschen“. Die Kante meines rechten Skis hat sich bereits in den Schnee geschnitten und ich reagiere schnell, um mir keine Verletzung zuzuziehen. Ich bleibe stehen, drehe mich zu Markus und lache Ihn an “ na Vogelsgott gel für des „Sahnestickl“ – an sean scheiß Schnea one jo seltn doleb“. Es sind aber nur ca. 200 Höhenmeter bevor es wieder grenzgenial wird und wir insgesamt 1500 Höhenmeter ins Tal „powdern„. Immer wieder bleiben wir stehen, machen Fotos und Videos und betonen mehere Male, dass es einfach geil ist.
Das letzte Stück im Wald ist nochmals ein wenig ein „gebocke“ und ziemlich anstrengend, was man nach einer solch geilen Abfahrt aber gerne in Kauf nimmt. Wir checken kurz einmal auf der Karte der Alpenvereinaktiv – App ob wir richtig sind und kurz danach sehen wir schon das E-Werk, wo wir vor einigen Stunden gestartet sind. Perfekt – besser hätte es nicht gehen können! Erneut satteln wir den Rucksack und ich steige auf den Drahtesel. „Jo falz, woasch wie mir do Orsch wea tut“, lächle ich zu Markus, dem es aber selbst auch nicht besser geht.
Nur mehr heimrollen?!
„Gottseidank müssen wir jetzt nur mehr heimrollen“, denke ich mir. Leider ist dem nicht so. Es weht ein grauslicher Wind, der uns natürlich entgegen kommt und nicht nach Hause bläst. Ich trete teilweise wie eine Wahnsinnige, schaue nach unten und sehe, dass ich nur minimal vom Fleck komme. Wenn es etwas gibt, das mich auf die Palme bringt, dann Gegenwind beim Radfahren. Aber nicht heute. Heute kann mich nichts mehr drausbringen. Einmal fahre ich voraus, dann wieder Markus, damit der hintere etwas rasten und windschattenfahren kann. In Toblach begegnen wir nochmals einem ganzen Trupp Ordnungshütern, die uns mit einem breiten Lächeln und freundlichen „Ciao“ weiterwinken. Von Toblach nach Innichen fahren wir dieses Mal auf der Hauptstraße und kassieren dabei den ein oder anderen seltsamen Blick. Ich grinse immer freundlich wenn ein Auto vorbeifährt, das mit dem Winken lasse ich schnell wieder, nachdem es mich fast vom Rad wirft. In Innichen angekommen umarmen wir uns und stoßen auf eine waschechte Corona – Skitour „by fair means“ an.
Mit freundlicher Unterstützung von
Mama und Tata – uhne disem gebats ins et