„Easy Rider“, Sattelspitze Tschamintal
Erstbegehung der "Easy Rider" © Klaus Reichhalter und Rebecca Finch

Klaus Reichhalter berichtet über seine Erstbegehung mit Rebecca Finch an der Sattelspitze.

6 Uhr morgens am 3. August 2008. Ein Wecker läutet. Irgendwo in Tiers kondensiert koffeinhaltiger Dampf in den oberen Teil einer Mokkamaschine: „chchchchschsch …“
In einer vorsichtig übermütigen Art stehe ich auf. Wir reden nicht viel.

 

Wir, nicht etwa die Huber- Buabn, die Riegler- Buabn, Gietl- Buabn und was es sonst noch alles für bekannte Buabn in der Kletterszene gibt. Wir haben viele Namen: das Dream Team, Klaus und Schwesterherz, Klaus und seine Freundin, Klaus und Schorsch`s Freundin – viel Fantasie hat die Bergsteigerszene. An diesem Tag sind wir einfach nur Rebecca, die begeistert, aber hauptsächlich schnell und sicher mit Rucksack nachsteigt. Und mir, Klaus, der sich vor nichts fürchtet, außer vielleicht vor den Carabinieri.

Aber nun zu unserer Tour:

Wir nehmen die am Tag zuvor nicht gepackten Rucksäcke und stopfen alles, was man für eine Erstbegehung im ethisch strengsten Stil braucht, hinein. Das ist zwar nicht viel, aber doch schwer.
Auf der Straße in Tiers. Klaus: „Hopp, steig au! Fescht hebn!“. Die 600 cm3 Hubraum kombiniert mit 2 Crossreifen befördern uns schnell über die Almen und den Forstweg in das Tschamintal, bis der Weg mitten im Wald zu Ende ist. Weiter kommen wir nicht. Gleichzeitig lassen wir unsere Helme ins hohe Gras fallen. Von hier ist es noch gut 1 Stunde bis zum Wandfuß. Zuerst steil durch den Wald, dann über Wiesen und zuletzt über Schotter.
Total verschwitzt stehen wir unter der Nordwestwand der Sattelspitze. Seil und Material werden geordnet, schnell noch ein Schluck Saft und wir klettern teils gleichzeitig oder am kurzen Seil den schroffigen Vorbau über eine von links nach rechts ziehende Rampe hinauf (ca. 150 m). Hier machen wir ca. 50 – 60 m links von einer großen Verschneidung Stand.
Ab hier steigen wir in unberührtes Gelände. Über uns ist eine steile weiß-gelbe Wand. Der Fels ist nicht wirklich kompakt, aber weiter oben sollte es besser werden. Ich schlage einen Haken, er ist schlecht. Dafür schlage ich gleich noch einen, der auch schlecht ist (Haken rot lackiert, Eigenbau). Nach 30 m mache ich Stand an einer Schuppe, die in einem Köpfl endet (nicht belasten). Sich zu zweit in diesen Stand reinzuhängen wäre wie mit einem Feuerzeug in einen Tank zu leuchten. Deshalb klettere ich weiter und versuche eine gute Sicherung zu legen. Der nächste Stand ist gut (2 Sanduhren, 1 Schlinge belassen). Nach einem weiteren rechts-links- Bogen über relativ kompakten Fels befinden wir uns circa auf Halbweg, Stand ist an zwei Haken unter einem kleinen Dachl. Unsere Linie folgt nun dem Weg des geringsten Widerstandes und ich muss ein paar Mal ein kleines Stück zurück klettern, um es an einer anderen Stelle zu probieren.
Wir haben schönes, warmes Wetter, die Sicht ist gut und die Motivation bei uns beiden groß. Wir kommen schnell voran. Nach zwei weiteren Seillängen über graue, kompakte Platten wird das Gelände etwas flacher. Wir sind kurz unter dem Gipfel. Die Kletterei ist sehr genussvoll, bis ich zu einer großen, brüchigen Schuppe komme. Mein Gefühl sagt mir, dass es jetzt wohl nicht angebracht wäre, die Erosion des Berges künstlich zu beschleunigen, und vorsichtig umgehe ich diese heikle Stelle.
Ein paar Minuten später stehen wir am Gipfel. Unsere Freude ist groß, nicht nur wegen des Gipfels, sondern auch wegen des kompromisslosen Stils unserer Erstbegehung.Über die Absicherung ist nicht viel zu sagen, da wenig vorhanden. Alle Haken wurden aus der Kletterstellung geschlagen und nur zur Sicherung verwendet. Es wurden einige Sanduhrschlingen zur Orientierung belassen. Über die genaue Schwierigkeit und einzelne Stellen wollen wir nicht viel verraten, so werden auch die Wiederholer mit einer Portion Ungewissheit und Abenteuer konfrontiert.

Klaus Reichhalter

Seit 9. Juni 2009 ist Klaus nicht mehr unter uns. Diesen Bericht hat er heuer im Frühjahr verfasst und oft den Wunsch geäußert, ihn zu veröffentlichen. Klaus ist nicht mehr dazu gekommen. So habe ich seinen Text, den mir seine Familie zur Verfügung gestellt hat, abgetippt und dem AVS zur Veröffentlichung weitergeleitet.
Rebecca

Erstbegehung der "Easy Rider" © Klaus Reichhalter und Rebecca Finch

Routeninformationen

Sattelspitze Nordwestwand „EASY RIDER“, 03.08.2008, Klaus Reichhalter und Rebecca Finch

Kletterzeit: ungefähr 4 h

Schwierigkeit: Vorbau II-III, danach durchgehend V bis VI+

Material: es wurden 8 Haken belassen, mitzunehmen sind Friends, Reepschnüre und Bandschlingen (und wer will ein paar Nägel).

Zustieg: bei der Tschaminschwaige oder den Traunwiesen parken, zuerst über den Wanderweg ins Tschamintal bis zum 2. Leger, Bach überqueren und über den Forstweg die andere Talseite hinauf. Kurz bevor die Forststraße endet zweigt in einer Kehre ein Steig ab. Über diesen Steig und zuletzt über steile Wiesen und Geröll zur Sattelspitze hinauf. Ca. 2h.

Abstieg: den Felsgrat entlang Richtung Osten bis zum Sattel, südseitig über den Felsrücken in eine Schotterrinne absteigen und –klettern, über die Rinne kommt man zurück auf die Wiesen.