ALPINIST: Rissklettern in China

Im Zuge des AVS-Projektes ALPINIST waren im Oktober 2017 sechs junge Kletterer gemeinsam mit Simon Kehrer zum Rissklettern in China.
Ihr Ziel: Li Ming, umgeben von hohen Sandsteinwänden ... Video online!

Sieben nicht-chinesisch-sprechende Kletterbegeisterte in Chinas Hinterland

Die erste Herausforderung: Raus aus dem Flughafen von Lijiang, Geld wechseln und den chinesischen Taxifahrern erklären, wo unsere Reise hingehen sollte …

Lijang liegt im Südwesten Chinas, in der Provinz Yunnan. Mit unserem Englisch hatten wir dort keine Chance mehr. Nach etlichen Versuchen via Google-Translator und dem Anruf einer chinesischen Bekannten, setzten wir uns in Taxis und hofften, dass diese uns auch an den richtigen Ort bringen würden …

Alpinist China 2017 © Simon Kehrer
Alpinist China 2017 © Simon Kehrer

Unser Ziel: Li Ming, das drei Autostunden entfernt liegt. Erschöpft von der langen Flugreise hieß es dennoch wach bleiben und schauen, ob wir auf dem richtigen Weg waren… „als ob jemand von uns die chinesischen Schilder hätte lesen können“…
Vorbei an chinesischen Märkten, weiten Feldern, Traktor-Lieferwagen-Neukonstruktionen und mit eingeschlafenem Hintern, erreichten wir unser Dörfchen, umgeben von hohen Sandsteinwänden: Li Ming.

Sandsteinwände mit unzähligen Risslinien für jeden Geschmack!

Die meisten Kletterer, die sich in dieses Tal verirren, kommen im Faraway Hostel unter, welches auch unsere Unterkunft war. Rustikal, dennoch sehr stilvoll eingerichtet, fehlten die Türen! Später erkannten wir, dass es sowas in Li Ming trotz winterlicher Temperaturen nicht gibt.
Gleich am nächsten Tag begann unser Risskletter-Abenteuer. Wir packten unsere sieben Friends und gingen los. Eine bequeme Treppe führte hoch hinauf bis hin zum Wandfuß. Die Chinesen scheinen unbequeme Zustiege zu meiden. Beeindruckt von den gewaltigen Risssystemen und gepackt vom Enthusiasmus, legten wir sofort los. Risshandschuhe bzw. Tapegloves anziehen und schnell Material umhängen. Nach einigen Metern in der Wand fiel uns auf, dass wir beim Material umhängen, doch nicht so sparend umgehen hätte sollten. Es waren noch einige Meter zum Stand, aber kein bzw. die falschen Friends am Gurt. Erste Lektion gelernt: richtiges Material umhängen und besser zu viel als wenig.

Alpinist China 2017 © Simon Kehrer

Bohrhaken gibt es hier nur am Stand, ansonsten werden alle Längen selbst abgesichert. Was anfangs noch sehr schmerzte, wurde bald einfach hingenommen, denn spätestens nach der klassischen Kamin-Verschneidung wusste jeder, dass Rissklettern Ganzkörpereinsatz verlangt. Nur durch drücken, schieben und stemmen kommt man hier ans Ziel.

Alpinist China 2017 © Simon Kehrer

Grundnahrungsmittel: Reis

Am ersten Abend waren wir fix und fertig und konnten das Abendessen kaum mehr erwarten. Es gab einen großen Suppentopf mit Gemüse und Reisnudel. Am nächsten Tag zum Frühstück gab es wieder Reisnudelsuppe und zum Abendessen Reis mit Gemüse und Fleisch. So ging es jeden Tag. Das Sprichwort „Chinesen essen nur Reis“ wurde bestätigt.

Alpinist China 2017 © Simon Oberbacher

Der Ultraklassiker

In den nächsten Tagen versuchten wir uns auch an manchen Mehrseillängen. Entweder ganz leicht, extrem schwer, brutal brüchig bzw. sandig oder einfach nur der Hammer! Unsere Empfehlung, sollte es mal jemand in dieses Gebiet verschlagen: Klettert besser die genialen Einseillängen-Touren. Den Ultraklassiker Soul’s Awakening (5.10, 175m) dürft ihr aber nicht auslassen! Hier ein kleiner Vorgeschmack, dieses Klassikers; aber am besten einfach selbst ausprobieren:

  • 1. Seillänge: Fäuste und Füße in den Riss stecken und nach oben schieben. Möglichkeiten außerhalb des Risses zu steigen, gibt es nicht!
  • 2. Seillänge: Um die Kante klettern und hoffen, dass die eingeklemmten Blöcke gleich über dem Stand auch dort bleiben wo sie sind.
  • 3. Seillänge: Über eine ultraglatte Platte hin zu einem Riss in Verschneidung tänzeln.
  • 4. Seillänge: Wunderschöner Verschneidungs- Hand- Faustriss. Technik ist gefragt.
  • 5. Seillänge: Ganzkörpereinsatz in einem Off Width, wo es schon mal passieren kann, dass man im Riss steckt und Hände und Füße die Wand nicht mehr berühren. Ohne Camelot Nr. 6 hat man hier einen erheblichen Runout.
  • Benötigtes Material: C4 (vierachsiger Camelot) #0,3-6 / dreifach #1 und #2 / doppelt #3-#6
  • 1. Seillänge: Fäuste und Füße in den Riss stecken und nach oben schieben. Möglichkeiten außerhalb des Risses zu steigen, gibt es nicht!
  • 2. Seillänge: Um die Kante klettern und hoffen, dass die eingeklemmten Blöcke gleich über dem Stand auch dort bleiben wo sie sind.
  • 3. Seillänge: Über eine ultraglatte Platte hin zu einem Riss in Verschneidung tänzeln.
  • 4. Seillänge: Wunderschöner Verschneidungs- Hand- Faustriss. Technik ist gefragt.
  • 5. Seillänge: Ganzkörpereinsatz in einem Off Width, wo es schon mal passieren kann, dass man im Riss steckt und Hände und Füße die Wand nicht mehr berühren. Ohne Camelot Nr. 6 hat man hier einen erheblichen Runout.
  • Benötigtes Material: C4 (vierachsiger Camelot) #0,3-6 / dreifach #1 und #2 / doppelt #3-#6
Bild © Fotograf, Bild © Fotograf usw.

Die Bewertungen haben wir bis zum letzten Tag nicht ganz verstanden. Ob hoher oder niedriger Grad nach dem Yosemite System, hart war es immer. Von kleinsten Fingerrissen über den Faustklemmer bis zum fetten Off Width haben wir alles ausprobiert und definitiv sehr viel über die Risskletterei und die chinesische Kultur gelernt.

Zusammenfassend zum Schluss: „SUUUPER wors, sel isch holt amol fix!“

Alpinist China 2017 © Simon Oberbacher

Ein Dank geht an den AVS für die tolle Unterstützung, an Massimo Falletti für die Demonstration der Rissklettertechnik beim Vorbereitungswochenende im Val del Orco, an Massimo’s chinesisch-sprechenden Freundin, der wir die Rettung unserer plötzlich stornierten Unterkunft in China verdanken und natürlich an Simon, der uns begleitet hat.

Johanna Ratschiller

Gebietsinfos

Li Ming (2.400 m) liegt im Südwesten von China. Außer einer Handvoll Kletterer verirren sich kaum Westler in dieses Tal. In der Yunnan Region herrscht von Juli bis September Monsun. Klettern ist möglich in der Zeit von Oktober bis Juni, wobei die Monate Dezember und Januar sicher eher kühl, an den südseitigen Wänden aber angenehm zum Klettern sind.
Die Geschichte des Kletterns in Li Ming begann wahrscheinlich bereits vor Jahrhunderten. Einheimische aus dem Volk der Lisu haben Bienenstöcke und Vogelnester aus den Felswänden geholt. Noch heute sind die Zeitzeugen an manchen Wänden zu sehen: wacklige Astleitern, die bis 60 Meter den senkrechten Fels hoch führen.
Alle Kletterrouten sind Tradrouten, zum großen Teil Einseillängen. Die Vielfalt an Rissen ist groß: Feine Fingerrisse, die sich überhängend durch mächtige Felspfeiler ziehen, perfekte Handrisse, unvergessliche Offwidths. Für die Absicherung braucht es Camalots in allen Größen, am besten in mehrfacher Ausführung. Auch grosse Camalots bis Grösse 5 oder 6 fanden oftmals Verwendung.
Sechs Junge Südtiroler Alpinisten waren gemeinsam mit Simon Kehrer zwei Wochen zum Klettern in diesem Paradies für Risskletterei. Das Gebiet ist noch relativ unbekannt und wurde erst vor ca. 10 Jahren entdeckt. Potential an Neuerschließungen gibt es noch jede Menge. Der entsprechende Führer liegt nun in der AVS-Bibliothek auf.

Alpinist China 2017 © Simon Oberbacher

Mit freundlicher Unterstützung von
Assi Broker International, Panorama Diffusion, Skylotec, Vaude, Meindl

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