ALPINIST: Kletterfahrt Marokko 2015

Nachdem es 2014 nach Norwegen ging, war für 5 junge Alpinisten das Ziel für die Kletterreise in diesem Jahr Marokko. Dass alles komplett anders sein würde war uns bewusst. Und trotzdem: die Gegensätze waren beeindruckend ..

Die anfangs karge Landschaft in der Umgebung von Marrakesch, unserem Ankunftsort mit dem Flugzeug, hatte nichts mit der wilden, zerklüfteten Umgebung der Lofoten zu tun. Je weiter wir jedoch während unserer sechs Stunden Fahrt mitten in das Atlasgebirge vordrangen, umso schöner wurde es auch landschaftlich.
© Helmut Gargitter
© Helmut Gargitter

Von einem Kletterbaren Felsen war lange aber nichts zu sehen, bis kurz vor Ankunft in Zaouiad Ahansal, unserem ersten Zwischenstopp. Dort türmten sich die Kalkrießen schließlich vor uns auf. Ihr Anblick lässt garantiert jedes Klettererherz höher schlagen, vor allem da diese Felsen in solch einer Umgebung ehern überraschend kommen.

© Helmut Gargitter

Gastfreundschaft der Berber

Bei unserer Ankunft in der Gite d´etape von Fatima erlebten wir auch gleich die unglaubliche Gastfreundschaft der Berber, einer Volksgruppe, die heute rund 70% der Marokkanischen Bevölkerung ausmacht. Sofort wurden wir mit Pfefferminztee, Keksen und Kuchen empfangen. Nach dieser Stärkung legten wir uns vorerst in die Sonne, erholten uns von der anstrengenden Anreise, und bewunderten die traumhafte Kulisse. Wir konnten es kaum erwarten endlich Fels zwischen die Finger zu bekommen. Doch noch waren wir nicht am Ziel unserer Reise angekommen.

© Helmut Gargitter

Kletterfelsen um Taghia

Nach einer erholsamen Nacht und einem köstlichen Frühstück, das keine Wünsche offen ließ, wurden am Morgen die Esel mit unserem Gepäck beladen und es ging in einem 2 Stündigen Marsch noch weiter Tal einwärts. Unterwegs begegneten uns immer wieder kleine Grüppchen von Berbern die sich die Zeit für ein kurzes Gespräch oder eine freundliche Einladung nicht nehmen ließen. So ging es durch eine Schlucht, später vorbei an in mühevoller Handarbeit angelegten Trassen für die Kornfelder, durchzogen von Wasserwaalen und immer entlang eines kleinen Baches bis zum Bergdorf Taghia, unserem zuhause für die nächsten 10 Tage. Auch hier gab es zur Begrüßung eine große Kanne mit Pfefferminztee und Keksen. Der Tee begann uns so gut zu schmecken, dass wir auch nach jeder Klettertour ein bis zwei Kannen voll leerten. Das Dorf selbst könnte für Kletterer kaum besser liegen. Jede Menge Felswände in allen Expositionen sind in kürzester Zeit zu Fuß und direkt vom Schlafsack aus erreichbar. Trinkwasser kann bequem beim Zustieg aus einer wunderschönen Quelle gefasst werden.

© Helmut Gargitter

Traumfelsen zum Klettern

Die Kletterei selbst verläuft meist über Platten, selten in Verschneidungen oder Rissen, aus diesem Grund sind die Routen zum größten Teil perfekt mit Bohrhaken ausgestattet. Wo es möglich ist selbst Zwischensicherungen anzubringen, sind auch hin und wieder Friends oder Keile nötig. Der Fels ist ein Traum zum Klettern. Ziemlich rau und bombenfest, kann man sich selbst auf kleinsten Griffen und Tritten halten dass es nur so ein Genuss ist. Die Schwierigkeiten sind meist technischer Natur, aber auch eine Menge Finger- und Armkraft ist gefragt, da die Routen immer in steilstem oft sogar leicht überhängendem Fels verlaufen. Die ersten Tage hatten wir immer wieder mit dem Wetter zu hadern. So mussten wir unsere erste Tour „Belle et Berbere“ vor den letzten beiden Seillängen abbrechen und die Route über ein Ausstiegsband verlassen, da wir in ein Gewitter gerieten. Am darauffolgenden Tag kletterten wir jeweils verschiedene Routen daneben, die es uns ermöglichten, die letzten beiden Seillängen der ersten Route im oberen Bereich zu vollenden. Auch hierbekamen wir beim Abstieg wieder eine Dusche verpasst.

© Helmut Gargitter, © Helmut Gargitter, © Plank Stefan, © Plank Stefan

Wetterbedingungen

Der nächste Tag schließlich war komplett verregnet und es kühlte spürbar ab. Wir beschlossen, es mit Sportklettern zu versuchen. Tatsächlich waren im mittleren Bereich des Klettergartens einige Routen die sich unter einem Dach befinden trocken. Schließlich kam es sogar so weit, dass wir in Marokko ein Lagerfeuer entzünden mussten, um unsere Hände zu wärmen. Das hätten wir uns vor der Reise nicht gedacht. Und das Wetter wurde nicht besser. Für den Montag war die Prognose bewölkt aber kaum Niederschlag, so beschlossen wir die Route „Au nom de la Réforme“ auf den Taoujdad zu versuchen. Vor uns kletterte eine Belgische Seilschaft, die etwas schwer in die Gänge kam, und wir mussten uns ziemlich lange gedulden, bis auch unsere 3 Seilschaften starten konnten. Die Temperatur an diesem Tag war ziemlich frostig, und es hatte am Tag zuvor sogar auf den etwas höheren Gipfeln im Umfeld geschneit. Mit Schuhplattlereinlagen bei den Ständen und allen möglichen Aufwärmübungen schafften wir es dann auch etwas unterkühlt aber glücklich auf den Gipfel. Die Route selbst ist ein absoluter Traum zum Klettern. Bei unserer Rückkehr im Dorf wurden wir dann von einer Schar Kindern empfangen, die gerne Schokolade oder Bonbons ergattert hätten, aber auch die Nüsse und getrockneten Früchte die wir anzubieten hatten wurden mit Freude entgegengenommen.

© Helmut Gargitter

Leben in Taghia

Leider nicht vollenden konnten wir die Route „Canyon Apache“, wo uns am Tag darauf erneut ein Gewitter 2 SL vor dem Ausstieg zum Abseilen zwang. Auch diese Tour war ein tolles Erlebnis, das schon beim Zustieg durch einen engen Canyon begann. Nach unseren Klettertouren blieb am Abend immer noch genügend Zeit um mit den anderen Kletterern aus aller Welt zu plaudern, oder einen kurzen Abstecher ins Dorf zu machen, zum Beispiel um Tabak zu kaufen. Das gestaltete sich allerdings schwieriger als erwartet, da die beiden kleinen Läden im Dorf keinen anzubieten hatten. Schließlich führten uns zwei einheimische Kinder zu einem abgelegenen Haus am Dorfrand wo uns eine ältere Frau 2 Packungen Zigaretten verkaufte, die sprachlichen Barrieren wurden mit Händen und Füßen überbrückt. Überhaupt kann man sich das Leben der Menschen in Taghia bei uns kaum noch vorstellen. Alle Felder werden von Hand mit Sicheln geerntet, die Kornbündel auf Eseln ins Dorf getragen und dort vor den Häusern zum Trocknen ausgelegt. Die Kinder laufen mit alten Holztafeln zur Schule und als Spielzeug reichen ihnen Steine und Stöcke. Manche der Kinder fragen anstelle von Süßigkeiten um einen Stilo, also einen Kugelschreiber zum malen, aber alle haben immer ein Lächeln im Gesicht und wirken glücklich. Auch als Gast in diesem Dorf passt man sich schnell an das einfache Leben an, und man genießt die Zeit ohne Smartphone (Handyempfang gibt es sowieso nicht), TV und sinnlosem Stress. Man sitzt gemütlich um eine Kanne Pfefferminztee und hat jede Menge Zeit zu plaudern.

© Helmut Gargitter

Nach den ersten etwas ungemütlichen Tagen stellte sich dann endlich auch schöneres und wärmeres Wetter ein, und es wurde Zeit für die ersten Touren in kurzen Hosen. Ziel war die in der Paroi de la Cascade liegende Route „Haben oder sein“. Hier verläuft der Abstieg abenteuerlich über die von den Berbern angelegten Wege durch unwegsamstes Gelände. Tags darauf war für einen Teil der Gruppe die Zeit reif für einen Pausentag. Eine Seilschaft aber ließ es sich nicht nehmen als krönenden Abschluss für die Tolle Zeit in Taghia die lange Route „Baraka“ – 7b auf den Oujdad zu klettern, dann hieß es Abschied nehmen. Auf dem Weg Tal auswärts wollten wir noch eine Tour mit 6 SL klettern, bereits startbereit machte uns jedoch der Regen einen Strich durch die Rechnung. Zurück in Zaouiad Ahansal war das Wetter besser und nach dem Mittagessen startete ein erneuter Versuch an der Wand hinter dem Dorf, der wieder in der 1. Seillänge vom Regen zunichte gemacht wurde. Unsere Hartnäckigkeit wurde aber beim 3. Versuch am Abend belohnt als wir bei Sonnenuntergang endlich am Gipfel standen.

Unsere Reise führte uns anschließend noch in die Todra Schlucht, wo wir noch 2 richtig heiße Klettertage erleben durften.
© Helmut Gargitter

Mit freundlicher Unterstützung von
Assi Broker International, Panorama Diffusion, Skylotec, Vaude, Meindl

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