Aiguilles Dorées mit dem Projekt Alpinist

Klettern an den hochalpinen Granitnadeln der Aiguilles Dorées, da wird man sich hauptsächlich mit den Elementen Fels und Eis beschäftigen: Dies war unsere Vorstellung vor Beginn des Abenteuers. Doch am meisten würde uns das Element Wasser beschäftigen, in seinem flüssigen Aggregatzustand und in seiner aufgespaltenen, gasförmigen Form.

Der Klimawandel beeinflusst unser allerliebstes Hobby des Kletterns und Bergsteigens auf zwei Arten, zuerst einmal ganz konkret durch das unaufhaltsame Abschmelzen der Alpengletscher und dann auch weil er uns zwingt, frühere Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen: Müssen wir wirklich Hunderte von Kilometern zurücklegen und weiteres Kohlendioxid in die Atmosphäre ausstoßen, nur um unser triviales Bedürfnis nach Abenteuer zu befriedigen? Da kommt uns die Nachricht sehr gelegen, dass der Unterstützer des Projekts Alpinist “H2 Südtirol” uns moderne Wasserstoffautos verleiht. 

 

Kein Internet, kein Empfang, dafür bestes Wetter und Traumfels.

Die Autos selber sind überaus leise und bieten tollen Fahrkomfort, jedoch ist das Tanknetz bisher schlecht ausgebaut, was uns zu einem Umweg durch die Schweiz zwingt. Ob die Umweltbilanz durch die längere Strecke und die energieintensive Produktion von Wasserstoff wieder zunichte gemacht wird? Statt genauere Berechnungen anzustellen, studieren wir lieber die Kletterbücher. “Best granite on earth!” klingt doch vielversprechend. 

 

Best granit on earth

Zuerst müssen wir jedoch eine der wenigen Wasserstofftankstellen in der Nähe von Zürich anpeilen, mit einer Restreichweite von siebzig Kilometern gelangen wir dorthin. Doch die Zapfsäule funktioniert nicht. Achtzig Kilometer sind es bis zur nächsten Tankstelle. Mit abgeschalteter Klimaanlage, deutlich reduzierter Geschwindigkeit und blanken Nerven kommen wir endlich dort an. Diesmal gelingt die Betankung mit Wasserstoff und wir fahren weiter bis Champex. Die großen Rucksäcke befüllen wir randvoll mit Essen, welches unserer Versorgung im abgeschiedenen Biwak dienen wird. Auf dem Weg zur Cabane d’Orny drücken die Rucksäcke schwer auf unseren Schultern, aber nach der Odyssee quer durch die Schweiz lechzen unsere Körper nach Bewegung. Ein kalter Wind begrüßt uns an der Cabane, sodass wir schnell nach innen in die gemütliche Hütte verschwinden. Über das ausgezeichnete Abendessen freuen sich Alexandra, Steffi, Joey, Andreas, Tobias, Hannes und die zwei begleitenden Bergführer Martin und Alex (der sich mit diesem hoffentlich unterhaltsamen Text abgemüht hat).  

 

that Zero Emission Feeling / H2 Southtyrol / Lifealps / Alperia

Am nächsten Tag klettert eine Gruppe an der Aiguille d’Orny und die andere am Petit Clocher du Portalet. Wir sind begeistert über die Qualität des rötlichen Granits. Vom Tal, welches unter einer dichten Wolkendecke liegt, ziehen immer wieder Nebelschwaden hinauf, ein paar Tropfen bekommen wir auch ab. 

Für die folgenden Tage ist nun perfektes Wetter gemeldet: Eine wertvolle Information, weil es oben am Biwak kein Internet und Handyempfang gibt. Vom Biwak der Aiguilles Dorées heißt es ja, es sei die schönste Unterkunft der gesamten Alpen. Als wir nach einer längeren Wanderung über vergletschertem Gelände dort ankommen, können wir dies bestätigen. Das Innere des Biwaks fällt durch schlichte Gemütlichkeit auf und die umgebende Landschaft, geprägt von zerklüfteten Gletschern und schlanken Felstürmen, strahlt eine kraftvolle, urtümliche Schönheit aus. Vor langer Zeit war ein Gletscherforscher so fasziniert von der goldigen Farbe der Wände, dass er die Gruppe”Dorées” (vergoldet) nannte. Auch auf uns üben die schimmernden Wände eine solche Anziehung aus, dass wir noch am selben Nachmittag die “Tajabone” und die “Ballade des Dorées” klettern. Am Tag darauf trauen wir uns längere Routen zu, die “Eolé danza per noi” mit einer spektakulären Verschneidung ganz zum Schluss und die “Le sud, le soleil, la plage, les palmiers”  am Capucin des Dorées, die wohl herausragendste Route der Gebirgsgruppe. Der Capucin ist ein freistehender Turm, er fällt auf allen Seiten sehr steil ab und wirkt auf dem ersten Blick unnahbar. Bis zu seiner Basis überwinden wir bereits fünf wunderschöne Seillängen. Plötzlich werden Strukturen sichtbar, eine Reihe von anstrengenden Rissen gibt uns den Weg zum Gipfel vor. Die Arme verschwinden teilweise bis zu den Ellenbogen im Granit, beim Rissklettern darf man nicht zimperlich sein. Der Gipfel des Capucins ist gerade so breit, dass wir nebeneinander sitzen können und doch verweilen wir länger dort oben, durchströmt von tiefer Zufriedenheit. Beim Abseilen müssen wir besonders darauf achten, dass die Seile sich nicht in den scharfen Granitschuppen verheddern. Ein einziges Mal sind wir gezwungen, ein Stück hochzuklettern um ein Seil zu befreien.

Vergoldet
"Der stille Zauber, der von dem Biwak und der Südseite der Aiguilles Dorées ausgeht."

Unsere geschundenen Hände verlangen nun nach einer Pause. Unterhalb des Biwaks entdecken wir einen See, der die erstaunliche und gleichzeitig so passende Form eines Herzens hat. Die sehr tiefe Wassertemperatur hält uns nicht davon ab, hineinzuspringen. Irgendwann sollte man schließlich auch duschen. Hannes, der schon vor Abreise ein abwechslungsreiches Menü zusammengestellt hatte, beweist am Abend einmal mehr, dass es für ein exzellentes Essen nicht viele Zutaten braucht. Er hat sich mittlerweile eindeutig als Küchenchef etabliert, wobei wir natürlich alle mithelfen.—

Aiguilles Dorées mit dem Projekt Alpinist

Inzwischen erscheinen andere Kletterinnen und Kletterer im Biwak, neben freundlichen Worten bringen sie alle gute Wetterprognosen mit. Deshalb steigen wir am nächsten Tag wieder in lange Routen ein. Nach einem erfüllenden Tag draußen diskutieren wir anschließend am Abend wieder über die außergewöhnlichsten Kletterpassagen. Tagsüber Schnee, Fels, Wind und Sonne und abends Spaß und Geselligkeit: An diese einfachen Elemente haben wir uns längst gewöhnt, deswegen fällt auch das Verlassen des wunderbaren Biwaks so schwer am nächsten Morgen. Immerhin sind die Rucksäcke nun wesentlich leichter ohne Essen. Zum Abschluss üben wir noch Gratkletterei auf dem ersten Teil des malerischen Grates der Aiguilles Dorées. Danach laufen wir über den Gletscher zurück zur Cabane d’Orny und finden uns plötzlich in einer Realität wieder, wo alle Masken tragen.In der Nacht stürmt es. Dank der tief hängenden Wolken am Morgen fällt uns der Abstieg nicht allzu schwer. Jetzt, da wir das Wasserstoff-Tankstellennetz bestens im Blick haben, verläuft die Heimreise reibungslos. Vor allem auf den Passstraßen staunen wir über die beeindruckende Beschleunigung unserer Autos. Am tiefsten ins Gedächtnis eingeprägt hat sich jedoch der stille Zauber, der von dem Biwak und der Südseite der Aiguilles Dorées ausgeht.

 

Eine gelungene Aktion des Projekt Alpinist
Fotos © Martin Dejori

Mit freundlicher Unterstützung von

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