Illustration "holy crap!" © Valentine He I AVS

Kennst du dieses Gefühl, wenn du denkst: „Ach, diese paar Meter schaffe ich auch alleine“ – und am Ende feststellst, dass der Berg andere Pläne für dich hat? Genau so erging es Benjamin, der zusammen mit einem Kumpel eine unbefahrene Skiabfahrt vom Unterlandler Weißhorn ins Visier nahm. Keine Standardroute, keine bekannte Linie, sondern ein Abenteuer über die Blätterbachschlucht und den Eisfall Gorz bis hinunter zum Geopark. Klingt spannend? War es auch, aber eben auch: „Holy Crap!“-würdig. Aber erstmal der Reihe nach.

Holy Crap! Knapp daneben: Geschichten vom Berg, die fast schief gingen.

Der Plan:
Der Aufstieg aufs Weißhorn ist von Tramin aus gut einsehbar und keine große Sache. Doch Benjamin und sein Kollege wollen mehr als nur die Standardabfahrt – sie haben eine Linie im Kopf, die so vielleicht noch niemand gewagt hat. Ein Stück alpine „Whitebox“, in die man sich ohne Karte wagt. Abenteuerlich, klar, aber eigentlich wenig riskant.

Kleine Kante – große Wirkung:
Kurz vor dem Eisfall stoßen sie auf eine verschneite Stufe, rund drei Meter hoch. Der Moment, in dem du dich fragst: Springe ich mit den Skiern in die Tiefe – oder mache ich’s lieber sicher mit Steigeisen und Pickel? Der Kollege entscheidet sich für eine denkbar ungünstige Variante: Er wirft das Material runter und klettert ohne Steighilfen hinterher. Ergebnis: Er rutscht aus, bleibt hängen und kugelt sich die Schulter aus. Autsch! Die Folge: Bergrettung rufen, Hubschrauber kommt und der Kollege wird ausgeflogen. Ende des Kapitels? Noch lange nicht.

Benjamin bleibt allein:
Jetzt steht Benjamin da: hochalpines Gelände, unbekannte Route, Partner weg. Die Flugretter bieten zwar an, auch ihn mitzunehmen. Aber er lehnt ab*  – warum auch Hilfe annehmen, wenn man sich selbst für tough genug hält? Also bleibt er. Der Plan: über den Eisfall abseilen und weiter geht’s. Doch da sind zwei Kletterer im Eisfall unterwegs. Eisbrocken als ungewollte Zugabe braucht niemand. Benjamin wartet, die Zeit rinnt, und er wählt den „leichten Ausstieg“.

Plan B – ein echter Energiefresser:
Also Plan B: Quer über die Blätterbachschlucht wieder hoch und über eine Alternativroute zurück. Doch die Steilheit und frischer Neuschnee machen daraus eine Tour der Leiden. Zudem schleppt er jetzt auch noch zwei Paar Skier: seine eigenen und die seines ausgeflogenen Kollegen. Irgendwann muss Benjamin sich eingestehen, dass dieser Umweg ihn nur weiter von seinem Ziel entfernt. Er dreht um, zurück zum Eisfall, zurück zum Punkt, an dem er hätte einfacher, sicherer und schneller vorankommen können.

Gemeinsam statt einsam – wie es sich gehört:
Zurück am Eisfall: Erneut zwei Paar Skier am Rücken, Abseilen unter erschwerten Bedingungen? Klingt nicht gerade nach einer spaßigen Nachmittagseinlage. Doch endlich kommt Bewegung ins Spiel: Die beiden Kletterer am Eisfallausstieg sind da, Benjamin kennt sie, und sie sind erfahren genug, um gemeinsam abzuseilen. Zu dritt klappt’s problemlos. Erleichterung, denn plötzlich ist alles halb so wild, wenn man nicht alleine ist.

Benjamin sagt heute: „Hätte, hätte, Fahrradkette … natürlich wäre vieles theoretisch auch allein machbar gewesen. Aber ohne Partner bist du plötzlich doppelt so vorsichtig – oder du hängst eben fest. Wenn der Berg dich unerwartet alleine dastehen lässt, zählt nur eines: Vernunft. Statt sich selbst weiter in Gefahr zu bringen, kann es klüger sein, Rettungsangebote anzunehmen. Das Ziel ist doch, gemeinsam gesund ins Tal zu kommen, nicht stur an einem Plan festzuhalten.“

Danke Benjamin „Holy Crap!“ – Dein Abenteuer hat’s in sich gehabt. Eine Tour, spektakulär und eine mühsame Lektion in Sachen Selbsteinschätzung. Also merke dir: Wer in unbekanntem Gelände unterwegs ist, sollte nicht leichtfertig auf Hilfe verzichten. Manchmal ist die mutigste Entscheidung, sich helfen zu lassen, anstatt sich durchzukämpfen.

 

Bis zum nächsten Mal und seid sicher unterwegs,

Andreas Leiter, Referat für Recht.

 

*Hier muss angemerkt werden, dass die Bergrettung darauf bestanden hat, dass Benjamin sich laufend telefonisch meldet. Dies hat er auch getan, und auch die Flugrettung hat sich im weiteren Verlauf aktiv wiederholt bei ihm gemeldet.

Jetzt bist du dran:

  • Hast du selbst schon einmal eine Tour abgebrochen, obwohl dein Ego „Das schaffst du!“ gerufen hat?
  • Welche Tipps hast du, um deine eigenen Grenzen am Berg realistisch einzuschätzen?
  • Hast Du eine persönliche „Mini-Check-Liste” zum Risikobewusstsein, wie sicher du wirklich unterwegs bist! 

Schildere dein Erlebnis!

Du hast auch eine Erfahrung am Berg gemacht, wo es nochmal gutgegangen ist? Oder dir ist etwas passiert, was viel schlimmer hätte ausgehen können? Hilf uns, andere Bergbegeisterte darauf aufmerksam zu machen und dadurch Unfälle am Berg zu vermeiden!

Ruf uns einfach an oder schreibe uns und schildere dein Erlebnis!

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