Die Südtiroler Bergsteigerdörfer Matsch und Lungiarü organisieren jährlich abwechselnd eine Weiterbildung für Wanderleiter:innen. Im Fokus standen am 8. November in Matsch die „Alpen im Klimastress“.
Wanderleiter:innen sind wichtige Multiplikatoren für die Bergsteigerdörfer: Sie erklären ihrer Gruppe was ein Bergsteigerdorf ausmacht und unterstützen uns Alpenvereine dabei, die Philosophie der Initiative in die Breite zu bringen. Dazu zählen die nachhaltige Entwicklung und sanfte Mobilität, ein ressourcenschonender Tourismus, der Erhalt der alpinen Natur und Landschaft, die Stärkung vorhandener Potenziale und der Gemeinschaft im Dorf.
Klimaforschung aktuell
Wanderleiter:innen müssen aber auch auf viele drängende und hochaktuelle Fragen zum Klimawandel und Auswirkungen und professionell antworten können und den Gast an die Hand nehmen. Daniel Schrott, Südtiroler Meteorologe beim ORF, informierte über 50 Wanderleiter:innen den aktuellsten Stand der Klimaforschung und beleuchtete brennende Fragen zu Permafrost, Zustand der Gletscher sowie Wettervorhersagen und die Zuverlässigkeit von Wetter Apps.
„Es ist höchst an der Zeit, jetzt noch die Möglichkeit zu nutzen einen Alpengletscher zu besuchen“, so Schrott, „denn schon sehr bald wird es sie nicht mehr geben“. Auch das Eis auf der Weisskugel schmilzt pro Jahr mehr als was dazukommt, der Matscher Ferner hat in 8 Jahren 20% Eismasse verloren. Denn nicht die Winter sind für die Gletscher entscheidend, sondern die Niederschläge in Form von Schnee im Sommer. Schnee deckt das Gletschereis zu und erhöht das Reflexionsvermögen. Doch dieser nötige Schnee im Sommer fällt immer öfter nur noch als Regen. Kein Wunder – seit Juni 2023 war bisher jeder Monat global so warm wie noch nie. Seit 1980 werden im Alpenraum so gut wie keine Kälterekorde mehr verzeichnet, nur noch Hitzerekorde aufgrund des menschengemachten Klimawandels.
”„Es ist höchst an der Zeit, jetzt noch die Möglichkeit zu nutzen einen Alpengletscher zu besuchen“ (Daniel Schrott, Meteorologe)
Langzeitmessungen des Instituts für Alpine Umwelt der Eurac Research haben am auf 2.700 m gelegenen Messpunkt in Matsch sogar Trockenheit im Boden festgestellt. „Ein Warnsignal“, meint Georg Niedrist. Er betreut das Klimamonitoring im Matscher Tal mit 25 Messstationen. Ein Vergleich von Vegetationskartierungen aus 1976 und 2018 ergab, dass eine Sauergrasart 200 Höhenmeter zurückgelegt, also nach oben gewandert ist. Diese Wanderung von Arten findet weltweit statt und verändert die Artenvielfalt und Artenzusammensetzung in der Höhe, „denn die konkurrenzstarken Arten der tieferen Lagen verdrängen die konkurrenzschwachen Spezialisten in der Höhe“, so Niedrist.
Was auf uns zukommt
Aufgrund des Abschmelzens der Gletscher wird auch in Südtirol in den Sommermonaten dieses zusätzliche Wasser fehlen, das gerade für die Landwirtschaft so wichtig ist, welches aber dann auch weiter südwärts fehlen wird. „Wasserkonflikte werden kommen“, so Niedrist. Als erster Sektor wird die Lebensmittelproduktion betroffen sein. Für ihn steht fest: „Die Klima-Krise ist kein Umweltproblem, sondern eine Sozial- und Ernährungskrise.“ Kritisch sieht Niedrist den Südtiroler Klimaplan 2040, der zwar in den Zielen klar ist, wo aber konkrete Maßnahmen fehlen. Und Klima-Ausreden haben auch wir selbst alle genug.
”„Die Klima-Krise ist kein Umweltproblem, sondern eine Sozial- und Ernährungskrise.“ (Georg Niedrist, Eurac Research)
Ein bleibender Eindruck
Ein Spaziergang durch das Ortszentrum von Matsch und über den Waalweg ermöglichte einen weiteren Austausch zwischen den Teilnehmer:innen und Referenten. Andreas Pobitzer, selbst Wanderleiter und Referent für Tourismus in der Gemeinde Mals, machte seinen Berufskollegen das Matscher Tal und seine vielfältigen Wandermöglichkeiten schmackhaft. Einen bleibenden Eindruck hinterließen bei wolkenfreiem Himmel und Sonnenschein die Trockenrasen entlang des Ackerwaals, die gelb gefärbten Lärchenwälder, die schneebedeckten Gipfel der Dreitausender im Tal und der Blick auf das rätoromanische Haufendorf Matsch. Kulinarisch abgerundet wurde die Veranstaltung durch die Verpflegung durch Bergsteigerdorf-Partnerbetriebe mit ausschließlich lokalen Produkten aus Matsch und Mals. Ein großes Kompliment an die lokale Arbeitsgruppe Bergsteigerdorf Matsch für die Organisation!