„Nervenspiel (VII)“ – Tribulaun Südwand
Erstbegehung der "Nervenspiel" © Josef Hilpold und Hubert Eisendle
Hubert Eisendle und Josef Hilpolt gelang im Sommer 2012 mit "Nervenspiel, 7" eine neue Route an der Südwand des Pflerscher Tribulauns.
Tribulaun Südwand – Unplugd (ääh…. ungeputzt)
(Ein Erlebnisbericht von Eisendle Hubert)
Der Pflerscher Tribulaun bricht an seiner Südseite, imposant und steil, als gelbe überhängende Wand, ins darunter liegende Pflerschtal ab. Diese Südwand wurde 1978 von Ernesto Menardi und Bepi Magrin an 2 Tagen mit einem Biwak und einem komplizierten Pendelquergang begangen. Sie widmeten die Tour der Frau von Menardi und nannten sie „Via Uta“. Somit war die letzte große Wand am Tribulaun bezwungen.
„Ich war damals 11 Jahre alt und verfolgte fasziniert die ganze Begehung von der Tribulaunhütte aus, die meine Familie im Sommer bewirtschaftete. Die Wand war also bezwungen aber es gab noch eine Linie durch diese Wandflucht, die viel logischer war als die „Via Uta“ und das war die sogenannte Südverschneidung. Diese Rissreihe, rechts von der “Via Uta“, sticht jedem Kletterer sofort ins Auge, der die Südwand betrachtet.
So standen im Herbst 2011, Josef Hilpold, Vulgo – Hilti genannt und ich schon um 6 Uhr im Dunkel am Parkplatz zur Tribulaunhütte und packten unsere Rucksäcke. Es war Ende Oktober, die Tage waren bereits sehr kurz und es war kalt. Schwer beladen mit Haken und Klettermaterial steigen wir im Morgengrauen auf. Unser Ziel ist die Tribulaun Südverschneidung.
Plötzlich hören wir Stimmen hinter uns und schon bald überholen uns 3 Jäger im Eilschritt! Das darf nicht wahr sein! Noch gebeugter und in unserem Selbstwertgefühl verletzt, steigen wir unbeirrt weiter, unserem heutigen Ziel entgegen. Nach 2,5 Stunden queren wir über ein Band unter die Tribulaun Südwand, die uns mit ihrer Wuchtigkeit fast erdrückt. Durch diese Wand, einem Wirrwarr aus Rissen, Überhängen und brüchigem Fels wollen wir einen Kletterbaren Weg finden. Im Moment allerdings, erscheint uns unser Vorhaben fast lächerlich und verwegen.
Wir fühlen uns klein und ausgeliefert.
Trotzdem beginnt Josef mit der 1. Seillänge. Es gilt eine steile Platte zu queren, um in ein Riss – und Verschneidungssystem zu gelangen, das dann zu einer großen Dächerzone in der Wandmitte führt. Dort werden wir dann sehen, ob es überhaupt einen Weiterweg gibt oder ob wir in eine Sackgasse geklettert sind.
Mit kalten Fingern meistert Josef gekonnt die schwierige Seillänge, sodass ich dann über eine leichtere Verschneidung weiterklettern kann, und Josef nach einer weiteren Seillänge unter die imposante Dächerzone gelangt. Nun sind wir gespannt wie es weitergeht. Ich spreize vorsichtig über eine Art Kamin hinauf, bis auf meiner linken Seite ein feiner grauer Riss, horizontal durch die gelbe senkrechte Wand quert.
Das könnte die Lösung sein.
Ich hangle also waagrecht und wahnsinnig ausgesetzt zwischen Dächern hinaus Richtung Kante, bis sich die Wand etwas zurücklegt, um schließlich in eine steil ansteigende Rampe zu münden. Das ist eine geniale Lösung! Über die Rampe gelange ich in den oberen Teil der Wand und ein großes Fragezeichen ist beseitigt. Mittlerweile ist es schon fast 2 Uhr und wir beschließen noch eine Seillänge weiter zu klettern und dann abzuseilen, da uns sonst ein kaltes Biwak erwarten würde. Nach 4-mal abseilen und 2 Stunden Abstieg treffen wir wieder bei eintretender Dunkelheit im Tal ein.
Wir wissen jetzt daß der untere Teil passt.
Jetzt darf der Winter kommen und mit dem Frühling werden wir zurückkehren. So ist es auch. Am 18. Juni stehen wir wieder an dem Punkt wo wir letztes Jahr umgekehrt sind. Die Umstände sind diesmal aber anders. Es ist angenehm warm, der Tag ist lang und der untere Wandteil ist bereits hinter uns.
Trotzdem liegt uns ein großer Stein im Magen wenn wir nach oben schauen. Die Südverschneidung steilt sich vor uns bedrohlich auf und endet unter einem schwarzen Dach. Es trifft Mich, diesen Zentralen und steilsten Teil der Verschneidung anzugehen. Leider ist das auch der brüchigste Abschnitt. Deshalb haben wir den Standplatz etwas seitlich rechts angebracht damit der Sichernde vor Steinschlag geschützt ist. Ich versuche also vom Stand weg zu einem Riss im Grund der Verschneidung zu klettern. Dieser Riss würde eine gute Möglichkeit bieten einen sicheren Friend zu setzen, ansonsten brauche ich gar nicht an ein weiterkommen zu denken. Ich versuche es 2 – 3-mal, muss aber immer wieder zurückklettern.
Es ist mir einfach zu brüchig und zu steil! Müssen wir jetzt umkehren? Unsere Stimmung ist am Tiefstpunkt.
Ich versuche mich trotzdem noch einmal zu motivieren. Ein letzter Versuch! Es sind nur 3 Meter bis zum Riss. Ich stehe auf fragwürdigen Schuppen, mit der rechten Hand halte ich eine kleine Leiste, die linke Hand drückt einen kleinen Absatz nach unten der lediglich aus losen Kieselsteinen besteht.
Solange man diese Kiesel schön nach unten drückt und nicht nach außen zieht, hält das Ganze Gebilde meistens auch. – Meistens eben! Prekär stehe ich in der Wand, – der rechten Hand geht langsam die Kraft aus, mit der Linken darf ich nicht zu viel ziehen…..!?
Verdammt…, schießt es mir durch den Kopf; – Klettern an Bohrhaken ist eigentlich Fake! – dient nur der Befriedigung unseres Kletteregos! – Das hier ist die Realität….,!! – mit einem Friend, den ich zwischen meinen Zähnen festbeiße, damit ich ihn schneller griffbereit habe, zu riskieren auf das 5 Meter unter mir liegende Band zu stürzen! Das ist Realität!
Ich bin jetzt total fokussiert, den Körperschwerpunkt tief lassend finde ich mit der Rechten Hand eine Kante die ich als Seitgriff verwenden kann, den rechten Fuß setze ich auf die kleine Leiste wo vorher die Hand war und lege den Körper auf die andere Seite. Den Linken Fuß setze ich neben meine linke Hand auf den Schotterabsatz. – Im brüchigen Fels steigt man am besten dorthin wo man sich gerade vorher festgehalten hat – So bekomme ich jetzt die linke Hand frei und erreiche den Riss, wo ich schnell den Friend aus dem Mund nehme und ihn mit einem großen Gefühl der Erleichterung, solide im Riss versenken kann.
Der Friend ist bombig, jetzt brauche ich zumindest keine Angst mehr zu haben mich zu verletzen.
Der Weiterweg ist immer noch nicht leicht aber langsam, langsam komme ich höher. Nach 40 Metern mache ich Stand. Wir sind jetzt unter dem großen schwarzen Überhang. Ist hier Endstation? Wir suchen angespannt den Fels vor Uns mit den Augen ab. Weiter oben entdecken wir eine Art Absatz oder Band, fast einem Fenstersims ähnlich, das nach links in leichteres Gelände zu führen scheint. Also steige ich zu diesem Absatz hinauf. Ich lege 2 Friends und hangle mich nach links. Langsam wird es unter dem Band überhängend und immer kraftraubender. Außerdem liegt Geröll und Mergel auf dem Band, so daß ich wegen des ganzen Geröll keine Sicherungen mehr anbringen kann und auch als Griffe eignet sich lediglich noch der äußerste Teil des Fenstersimses. Wir sind mittlerweile schon ziemlich müde aber irgendwie müssen wir hier raus. Also hangle ich mich entschlossen zur Kante in der Hoffnung daß es dort leichter wird. Aber Irrtum! Es wird nicht leichter! Ich habe seit 6-7 Meter keine Zwischensicherung mehr untergebracht, und ich hänge an müden Armen und 800 Metern Luft unter mir im Quergang. Ich weiß daß hier jetzt etwas passieren muss, denn sonst passiert wirklich was!
Kurzentschlossen schwinge ich das rechte Bein auf das Band stemme meinen Körper mit Schwung nach, so dass ich auf das Band hineinrolle und mit dem Bauch nach unten zu liegen komme. Geschafft! Ich mache Stand und Josef kommt nach.
Der Fels wird jetzt kompakter.
Das muss Josef auch sofort spüren. Er bringt keine Sicherungen mehr unter und schimpft. Schließlich höre ich Ihn sagen „nogeln konni guet!“ – daraufhin drischt er einen Haken in den Fels, so daß er seinem Spitznamen „Hilti“ wirklich alle Ehre macht. Nach einem kleinen Überhang und einer letzten leichten Seillänge stehen wir am Gipfel. Wir sind Überglücklich!
Aber in Wirklichkeit sind wir nach 8 Stunden in der Wand, nur Hundemüde, mit unseren Nerven am Ende, und eigentlich nur froh, gut aus dieser Wand herausgekommen zu sein. Josef tauft die Route auf „Nervenspiel“. Es ist eine dieser Touren die etwas Zeit brauchen um sie richtig zu realisieren und um sich an ihr zu erfreuen. Mittlerweile ist es halb 7 und wir haben noch 2,5 Stunden Abstieg ins Tal vor uns wo uns meine Frau mit Nudeln erwartet.
Für diese Nudeln lohnt es sich einen ganzen Tag lang durchzubeißen!“
Erstbegehung der "Nervenspiel" © Josef Hilpold und Hubert Eisendle
Routeninformationen
Wandhöhe: 450 Höhenmeter
Schwierigkeit: 7- / 7
Material: Haken, Sortiment Klemmkeile, Sortiment Friend
Zeit der Erstbegeher: 8 Stunden
Zustieg: Von der Kirche in St.Anton 2,5 – 3 Stunden
Abstieg: 2,5 – 3 Stunden
Besonderheit: Die Tour ist nur Alpinen – versierten Kletterern zu empfehlen