Drei Erstbegehungen im Rosengarten: „Architettura gialla(VI+ A1), die “Via Anne-Michele (VI/VI- obl.)“ und die „Via Spigolo sud diretto (VI)"
Erstbegehungen im Rosengarten © Heinz Grill, Florian Kluckner, Martin Heiß und Barbara Holzer
Im Frühsommer 2018 zog es die Seilschaft Heinz Grill, Florian Kluckner, Martin Heiß und Barbara Holzer in den Rosengarten. Ihnen gelangen drei Erstbegehungen an drei verschiedenen Wänden. Einmal an der Gulia Franca die "Via Anne - Michele", des weiteren an der Pala di Socorda die "Via Spigolo sud diretto" und mit der "Architettura Gialla" das Highlight an der Punta Emma.
Architettura Gialla
Im Frühsommer 2018 zog es die Seilschaft Heinz Grill, Florian Kluckner und Barbara Holzer unter die Punta Emma, welche als massiger Nollen direkt über der Vajolethütte aufragt. Uns beschäftigte der Gedanke, ob man an der von Dächern durchzogenen Ostwand noch neue Kletterjuwelen hinzufügen könnte? Von der gemütlichen Sonnenterrasse der Vajolethütte aus stellten wir unterschiedliche Überlegungen an, wobei sich eine Linie herauskristallisierte. Die Idee gab uns den unwiderstehlichen Antrieb, zur Tat zu schreiten.
Die Fragen nach der Felsqualität und ob in den steilen Abschnitten auch für unser, mittlerweile schon fortgeschrittenes Alter, noch entsprechend große Griffe versteckt sind, blieben unbeantwortet. Klar hingegen war, dass die Route aufgrund der guten Erreichbarkeit und relativ geringen Wandhöhe von 250 Metern eine zugängliche und für Dolomitenverhältnisse gut gesicherte Tour werden sollte.
So legten wir links der „Via Helma“ die Hände an den Fels und wir fanden wie erwartet schöne graue Platten vor. Die Schwierigkeiten blieben gemäßigt im klassischen V und VI Schwierigkeitsgrad. Dies sollte sich aber mit dem Beginn des gelben Wandbereichs mit seinen lastenden und schaurigen Überhängen und Dächern schlagartig ändern. So gelangen uns im ersten Anlauf fünf zufriedenstellende Seillängen.
Nach all den Jahrzehnten des Bergsteigens, der Erschließung von hunderten Neutouren und Auszeichnungen stellte sich mir die Frage, warum es mich und viele andere Menschen immer wieder in die Berge treibt? Ist es tatsächlich wie eine Gegenbewegung zum erdrückenden und bequemen Alltag mit seinen von außen auferlegten Regeln, Sicherheitsbestimmungen und Überwachungsmaßnahmen? Oder ist es, da das Bergsteigen wie ein Gleichnis für das Leben ist, das von Spannungen, Hindernissen, Schönheit, scheinbaren Unlösbarkeiten, Schlüsselpassagen, Bedrängnissen und Möglichkeiten, diese zu überwinden, erzählt? Der Bergsteiger stellt sich freiwillig den Strapazen, Gefahren, großen Entbehrungen und nimmt damit eine Opferleistung auf sich, oder er bezahlt sogar dafür. Für viele Bürger erscheint diese Tatsache verrückt oder auf jeden Fall nicht ganz normal zu sein. So gehört der Bergsteiger wohl zur Spezies der abnormalen Menschen.
Nach dem Philosophen und Schriftsteller Heinz Grill liegt in der Begegnung von Berg und Mensch ein Mysterium. Er schreibt, dass der feste und unverrückbare Berg seine Herausforderung setzt und der sich bewegende Mensch mit seinem Bedürfnis nach Formüberwindung und der Eroberung des bisher unbekannten, sich immer phantastischeren Höhen hingibt und sich Schwierigkeiten sogar freiwillig aussetzt. Dadurch reift seiner Meinung nach die Individualität im Menschen.
Wörtlich: „Das äußere Abenteuer, das immer reichhaltig mit Emotionen geschmückt ist, führt, um es nur einmal etwas tiefgründiger zu betrachten, zu einer Willenserkraftung und dadurch zu einer Stärkung der Persönlichkeitsstruktur. Die Berührung am Felsen, mit dem absolut unnachgiebigen Festen, fördert die individuelle Unabhängigkeits- und Freiheitsnatur des Menschen“.
Erst im dritten Versuch gelang der Durchstieg der „Architettura gialla“ , VI+, A1, wie wir die Route aufgrund der plastischen Formen von schwindelerregenden gelben Überhänge, Dächer, Pfeiler und Kanten nannten. Dabei brachten wir an den Standplätzen einen Ring und an den zwei schwierigsten Stellen, welche den VII Grad erreichen, noch einen Bohrhaken an, sodass eine frei Begehung entspannter möglich ist. Wie erwartet gab es bereits einige Wiederholer, welche die Schwierigkeiten der athletischen Kletterei und Schönheit der Route bestätigten
Guglia Franca, Via“Anne-Michele“ .
In der Schlucht zwischen Punta Emma und der Rosengartenspitze 2981 m mit ihren drei Gipfeln, liegt ein bislang vergessener ca. 200 m hoher Turm. Die unscheinbare Guglia Franca. Sie wurde 1929 durch H. Steger und P. Wiesinger erstiegen und ein Gipfelbuch hinterlegt. 2018 kundschaftete die Seilschaft Grill, Heiß, Holzer an einem Schlechtwettertag diese Erhebung aus. Es muß eine große Überraschung gewesen sein, als sie sich als achte Seilschaft in das Gipfelbuch eintrugen. Aufgrund dieser historischen Besonderheit suchten sie eine Linie mit der beste Felsqualität um die gut gesicherte Via“Anne-Michele“ VI-, VI zu kreieren.
Pala di Socòrda 2440 m, Südwand, Via„Spigolo sud diretto“.
Im Gegensatz zu den beliebten Vajolettürmen erntet die gezackte und verwinkelte Larsèc Gruppe trotz ihrer Nähe zur Gardeccia nur wenig Aufmerksamkeit. Nur in einer halben Stunde ist der Einstieg erreicht. Der Fels der 450 m hohen Wand ist vielfach von Gras durchsetzt, doch darunter verbirgt sich eine erlesene Qualität von festem Gestein.
Es zeigte sich das in Bergsteigerkreisen sehr wohl bekannte Phänomen, dass das Zusammenwirken einer Seilschaft, relativ unabhängig vom Kletterniveau gute oder schlechtere Ergebnisse herbeiführen kann. Das menschliche Vertrauen in den Gefährten mit dem man zusammen die nicht immer ganz gefahrlose Schule am Berg durchläuft ist wie eine gediegene Basis für das Unternehmen. Es werden Durchhaltevermögen, Können, Geistesgegenwart, Entscheidungskraft und Selbstverantwortung in jedem Augenblick vom Kletterer abverlangt und nehmen sein ganzes Gemüt in Anspruch. Auch der große Emilio Comici schrieb davon.
Die Logik der direkten Linie war durch eine luftige Kante rechts der „Schubert-Werner“ von 1970 vorgegeben. Mit ihrer „Eroberung“ wollten wir nicht nur ein persönliches Abenteuer erleben und uns in der Eitelkeit mit der Bewältigung größter Schwierigkeiten darstellen, sondern ein Werk hinterlassen das sich in den Berg harmonisch einfügt. Die Wiederholer sollten sich am Berg durchaus aufgenommen fühlen und eine weite Atmosphäre mit einem freien Atem wahrnehmen.
Routeninformationen
Architettura Gialla
Erstbegeher:
Heinz Grill, Florian Kluckner und Barbara Holzer im Juni 2018
Länge:
9 SL / 300m
Schwierigkeit:
VI+/ A1
Beschreibung:
Detaillierte Beschreibung siehe Topo
Routeninformationen
Via Anne – Michele
Erstbegeher:
Heinz Grill, Barbara Holzer und Martin Heiß am 01.07.2018
Länge:
10 SL / 200 m
Schwierigkeit:
VI / VI- obl.
Beschreibung:
Detaillierte Beschreibung siehe Topo
Routeninformationen
Via Spigolo sud diretto
Erstbegeher:
Heinz Grill, Barbara Holzer, Florian Kluckner und Martin Heiß am 01.06.2018
Länge:
16 SL / 450 m
Schwierigkeit:
VI / eine Stelle VII-
Beschreibung:
Detaillierte Beschreibung siehe Topo