„Glühweinfee“ Piz Ciavaces, Sella
Erstbegehung der Route "Glühweinfee" an der Piz Ciavaces Nordwestwand von Ivo Rabanser und Philipp Hüther

Am 11.07.2023 eröffneten Philipp Hüther und Ivo Rabanser an der kaum begangenen Nordwestwand des Piz Ciavaces die Tour "Glühweinfee".

Die Glühweinfee 

Dann und wann wird unser Leben durch Zufälle bestimmt, so etwa wie die Zufallsbegegnung vor vielen Jahren mit Ivo Rabanser. Es war in der Gross am Sass Pordoi, als unsere Wege in steiler Dolomitenwand sich kreuzten und in der Folgezeit sich eine kameradschaftliche Freundschaft entwickelte. Zwei Gleichgesinnte im vertraulichen Gespräch, so bereicherten nicht nur die Berges unseren gemeinsamen Kletterabenteuern, sondern ebenso um das Interesse an Geschichte und Philosophie, der geteilten Haltung zur Politik, sowie das Bestreben unser Lebensbogen in vollen Zügen zu geniessen. Einen Austausch über Gott und die Welt – auch in den schwierigsten Kletterpassagen, ohne dabei den Focus zu verlieren

So wurde es unumgänglich, dass wir auch eine gemeinsame Route in den Fels verewigen mussten, etwas das Bestand haben sollte und unsere Freundschaft besiegelte, was Verbindliches das man mit so vielen Metapher füllen kann, dass wir es einfach gemacht haben. Erschaffen, statt zu konsumieren.

Und so entstand diese Linie, gemacht mit einem Freund für die eigene Liebe: Eine neue Linie im Fels zu finden, ist manchmal genauso schwierig wie die Frau fürs Leben. Anno 2022 traf ich ein Erfurt auf dem Weihnachtsmarkt eine Glühweinverkäuferin. Ziemlich angetan von ihr begab ich mich zwei Wochen lang auf ihrer Suche – leider erfolglos. Als zum Ende des Weihnachtsmarktes schon fast alle Hoffnung verloren war, kam mir wiederum der Zufall zur Hilfe, denn ich erfuhr den Namen sowie den Arbeitgeber der vermissten Frau.

Nun gab es nur eine Möglichkeit. Ihr eine Mail zu schreiben, wie jedoch, wenn ihr Name falsch geschrieben war. Also probierte ich alle erdenklichen Schreibweisen des Namens aus, bis auf eine Antwort kam. Wie der erhoffte Griff beim nächsten Zug, der die Route spannend und vollkommen zugleich macht. 

Man kann sich diese Route wie einen Lebensabschnitt vorstellen, mit Höhen und Tiefen, leichtgängigen Passagen und Steinen im Weg – trotzdem aber voller Genuss. Und wenn man im Abstieg darauf zurückblickt und sagen kann »Ich würde es wieder genauso machen«. 

Und genau deshalb sind die Weiten der Kletterwände so wertvoll, zum Austoben, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, etwas zu hinterlassen, Freundschaft zu zeigen und einfach nur Spass zu haben – weit weg von jeglicher Wertung und Zivilisation.

Text: Philipp Hüther

Routeninformationen

Erste Begehung: Philipp Hüther und Ivo Rabanser, 11. Juli 2023.

Schwierigkeit : 6 (eine Stelle), 5+ (in einer Seillänge), sonst 5 und 4+

Länge / Zeit : 220 m / 9 Seillängen / 3 bis 4 Stunden

Exposition / Zustieg / Abstieg: Nord-Westen / ½ Stunde / 1½ Stunden

Charakter:

Als südwestliche Eckpfeiler der Sellagruppe, fällt der an sich unbedeutende Gipfel des Piz Ciavazes nach Süden mit einer imposanten Wandflucht aufwartet, die sich direkt über die Passstraße erhebt und zu den bekanntesten und meist gekletterten Objekten der Dolomiten zählt. Nordwestseitig  hingegen geht das knapp unter der Gipfelhöhe ansetzende und nach allen Seiten abfallende Schuttfeld in einer Senke über um schließlich mit einer bis 350 Meter hohen Steilwand abzufallen, welche eine Fortsetzunge der Sellatürme darstellt. Die hier verlaufenden Anstiege werden, mit Ausnahmen Plaisirroute Doctor Scintilla, kaum begangen, wenn auch der kurze Zustieg sowie der sportliche Abstieg über den nahegelegenen Pößnecker-Klettersteig die Unternehmung gut aufrunden. Aufgrund der schattigen Ausrichtung eignen sich die Touren besonders für heiße Sommertage.

Die neulich eröffnete Glühweinfee bietet eine knackige Genusskletterei über den Wandpfeiler unmittelbar rechts des Mëisules-Wasserfalls, wobei der Pößnecker-Klettersteig ohne direkten Kontakt, an der Außenseite des Pfeiles gekreuzt wird. Nach den vier eher durchschnittlichen Seillängen, geht es über steile Platten mit vielen Erosionslöchern hinauf zum Ausstieg. Schlüsselstelle in der fünften Seillänge an einen athletischen aber recht gut durch Haken und Sanduhren abgesicherten Überhang.

Material: Die Standplätze an Sanduhren und einige Bohrhaken, Zwischensicherungen ebenfalls an zahlreichen bereits gefädelten Sanduhren. Dazu sind ein Satz Cams und Schlingen empfehlenswert.

Anfahrt: Brennerautobahn > Ausfahrt Klausen > Gröden > Sellajoch

Talorte: Wolkenstein in Gröden (1540 m) / Canazei im Fassatal (1465 m)

Parken: Parkplatz am Sellajoch beim Hotel Maria Flora. Beschränkte Parkmöglichkeiten an der Passstraße. 

Beste Zeit: Juni bis September

Zustieg: Vom Sellajoch (2242 m), westlich des Hotels Maria Flora, auf den ebenen Zustiegsweg zum »Pößnecker-Klettersteig«. Einstieg rechts des Klettersteigs, am tiefsten Punkt des Wandpfeilers bei Sanduhrschlinge (½ Stunde).

Abstieg : Vom Ausstieg den ausgesetzten Pößnecker-Klettersteig hinab zum Wandfuß (1 Stunde). Nun auf dem Zustiegsweg zurück zum Sellajoch (½ Stunde, insgesamt 1½ Stunden).