Eisklettern, Seiser Klamm, Schlern
Erstbegehungen in der Seiser Klamm © Philipp Angelo und Thomas Gianola
Im Zeitraum Dezember 2012 bis März 2013 haben Phillip Angelo und Thomas Gianolla mit Freunden verschiedene Eisrouten in der Seiser Klamm erstbegangen.
Seiser Klamm, Schlern
Unter dem Schlernplateau, hoch über dem am Fuße des Schlern gelegenen Dorfes Seis, kann man im Winter vom Dorf aus silber schimmernde Eiszapfen und Eisstreifen beobachten, die in der Ferne über die Wände herabhängen. Erstklassige Eislinien in wilder, abgeschiedener Umgebung – einziger Nachteil: der lange Zustieg. Alles in allem ein alpines Unterfangen, das auf so manchen, von kurzen Zustiegen verwöhnten Eiskletterer wohl eher abschreckend wirken könnte. Wer jedoch auf der Suche nach einem mit knackigen Eisklettermetern gewürtztem Abenteuer ist, wird hier auf seine Kosten kommen.
Die Seiser Klamm ist ein nordseitig ausgerichtetes Tal, das in direkter Linie vom Schlernplateau richtung Seis herabzieht. Der obere Teil ist eine steile und enge Rinne, ein Kanonenrohr das dann nach den ersten 500 hm in eine etwas breiteren Schlucht mündet. Vor einigen Jahren überredete ein Freund (Andreas Tonelli) mich mit ihm die Rinne abzufahren. Als wir über die Rinne aufstiegen bemerkten wir am oberen linken Schluchtrand einige imposante Eislinien. Schön waren sie zwar und auch interessant, doch damals erschienen sie uns sehr schwierig, viel zu schwierig. Ausserdem war der Gedanke an einen ewig langen Zustieg über die Klamm nicht gerade motivationsfördernd.
Fast vier Jahre später habe ich dann trotzdem beschlossen mir das ganze meinem Seilpartner Thomas nochmals genauer anzusehen. Thomas ist erst 17 Jahre alt, jedoch sehr talentiert, zuverlässig und hochmotiviert: ein idealer Seilpartner, davon zeugen auch die zahlreichen gemeinsamen Kletter und Eisklettertouren im letzten Sommer und in diesem Winter (u.a. Hasse Brandler an der Großen Zinne, Loss lai, heb schun am Heiligkreuzkofel, Viva Mexico Cabrones an der Civetta, Sognando l’Aurora an der Tofana, Bonatti am Gran Capucin, usw..; Hängende Gärten, Zauberflöte, Supervisor, Per gli amici every, usw..)
Innerhalb eines Monats sind wir insgesamt 5 Mal zu den Eisfällen aufgestiegen.
Bei einer der Hauptlinein brauchte der Eisaufbau etwas länger und so bin ich am 13.März ein sechstes Mal über die Klamm aufgestiegen um zusammen mit Mario Fonzo die Linie „Stairway to Heaven“ erstzubegehen. Diese Eisspur ist die logische Fortsetzung der Route Bremsspur. ( Auf dem Übersichtsfoto ist die Linie noch nicht optimal ausgebildet). Die Eisqualität bei der Erstbegehung war nicht immer gut und vor allem auf den steilsten Metern in der zweiten Seillänge erwies sich die Kletterei als sehr prekär…
Natürlich sind die Bewertungen von den Eisverhältnissen abhängig. Aufgrund der Höhe der Einstiege ist die Eisqualität nicht immer optimal und wir haben ab und zu sprödes und trockenes Eis angefunden. Im Spätwinter/Frühjahr bei viel Schnee ist es möglich, dass die ersten Seillängen der Routen z.B. „Visions of Ecstasy“ und „Bremsspur“ etwas kürzer ausfallen als im Topo angegeben. (etwa die Sanduhrschlinge auf der Route „Visions of Ecstasy“ befindet sich normalerweise auf ca. 7m Höhe, momentan, Mitte März, auf 2-3m Höhe).
29. Dezember 2012, Visions of Ecstasy, M5, WI 5-, 350m (davon ca. 60 hm in 40° Schneerinne)
Schon über zwei Stunden sind Thomas und ich nun schon unterwegs. Der Neuschnee und die schweren Rucksäcke erleichtern uns nicht gerade den sowieso schon langen Zustieg. Hoch oben, am Ende der schmalen Rinne schimmert ein Eiszapfen und auch etwas tiefer kann man eine etwas bräunliche Eislinie erkennen die über die linke Schluchtwand herabzieht. Ic h hebe den Kopf und blicke links ober mir hoch: ein Eisstreifen zieht über die gesamte Wand hoch. Auf den ersten Metern ist das Eis nur spärlich vorhanden aber nach oben hin scheint die Eisschicht dicker zu werden. Nun steht es fest: Heute gehen wir hier hoch!
Anfangs klettert man über Mixedgelände hoch (M5). Die ersten Meter steigt man mehr oder weniger gerade hoch (absicherbar mit Friends mittlerer Größe), dann quert man kurz nach links (Schlinge in guter Sanduhr). Nach ca. 20 Metern wird das Gelände weniger steil und die zweite, leichte Seillänge (WI3) führt zum Beginn einer schon von unten ersichtlichen Steilstufe. Links kann man Stand im Fels auf zwei Sanduhren machen (keine Schlingen zurückgelassen). Die nächste Seillänge, unten ein relativ breites Eisschild, ist ca. 60 Meter lang (WI5-) und endet in einer ca 3-4 Meter breiten Eisrinne (Stand auf Eis). Nach weiteren 15-20 Metern im Eis (WI3+) gelangt man in eine Schneerinne und einige Meter höher kann man linkerhand auf Fels Stand machen (oranger Normalhaken mit Schlinge). Nun steigt man am besten am kurzen Seil ca. 60 hm über die Schneerinne hoch. Man gelangt auf ein Band von dem verschiedene Eislinien starten. Es bieten sich verschiedene Möglichkeiten.
Erstbegehungen in der Seiser Klamm © Philipp Angelo und Thomas Gianola
Routeninformationen
Möglichkeiten:
- Visions of Ecstasy (oberer Teil): WI 4+, ca. 80m. 2 Seillängen: 1.SL: 60m, WI4+, (Stand auf Eis); 2.SL: 20m, WI3, (Stand auf Eis oder Fels). Erstbegangen am 29.12.2012 von Philipp Angelo und Thomas Gianola
- Softy: WI 3+/4-; ca. 80m. 2 Seillängen. Erstbegangen am 10.01.2013 von Philipp Angelo
- Red Bull: WI 5+/6-, ca. 100m. 3 Seillängen: 1.SL: 30m, WI5, (Stand auf Fels: Haken und SU); 2.SL: 35m, WI5+/6-, (Stand auf Fels und Eis: SU mit Schlinge); 3.SL: 35m, WI5/+, (Stand auf Fels: zwei Haken). Erstbegangen am 03.01.2013 von Philipp Angelo und Thomas Gianola.
- Pole Dance: WI6-, ca. 70m: 2 Seillängen: 1.SL: 35m, WI5+, (Stand auf Eis); 2.SL: 35m, WI6-, (Stand auf Fels: zwei Haken und SU). Erstbegangen am 12.01.2013 von Philipp Angelo und Thomas Gianola
- Stairway to heaven: WI 6-, ca. 80m: 3 Seillängen: 1.SL: 25m, WI5-, (Stand auf Eis); 2.SL: 25m, WI6-, (Stand auf Eis),; 3.SL: 30m, WI5+, (Stand auf Eis). 13.03.2013. Philipp Angelo und Mario Fonzo
- Magic Stick: WI 6+. Nur die erste Seillänge geklettert (WI 6+, ca.40m). Versuch: 30.01.2013. Philipp Angelo und Peter Manhartsberger . Aufgrund der Sonneneinstrahlung im oberen Teil des Wasserfalls und darausfolgendem Eisschlag haben wir beschlossen den Versuch abzubrechen. Projekt
Die Routen, die vom Querband starten können auch erreicht werden indem man über die Schlucht weitere ca 250 hm aufsteigt und dann über das breite Band nach links zu den Einstiegen quert. Eine weitere Möglichkeit ist der Aufstieg über folgende Eislinie:
- Bremsspur: WI 4, ca. 160m: 3 Seillängen: 1.SL: 60m, WI4-, (Stand auf Fels: 1Haken und SU); 2.SL: 60m, WI4, (Stand auf Fels: 2 Haken); 3.SL: 40m, WI4, (Stand auf Fels: 2 Haken) . Erstbegangen am 03.01.2013 von Thomas Gianola und Philipp Angelo
Über die Linie Bremsspur kann auch gut abgeseilt werden.