ALPINIST: Wilde Dolomiten
Alpinklettern in den Pale di San Martino
Vom 21.-24.07. kamen 5 junge Alpinisten in den wilden Dolomiten der Palagruppe voll auf ihre Kosten. Immer alleine in den spärlich abgesicherten Routen, fantastischer bis veränderlicher Fels und ein Naturschauspiel aus Blitz und tosenden Wasserfällen trugen zum großen Abenteuer bei.
Um 7:30 treffen wir uns beim AVS Lokal in Bozen, um von dort aus mit dem Bus zu den Pale di San Martino zu starten. Wir, 5 motivierte Bergsteiger und zwei Bergführer verstehen uns von Anfang an sehr gut. Uns alle verbindet die Leidenschaft für das Alpinklettern und das Bestreben, in diesen Tagen so viel wie möglich mitzunehmen. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt über kurvenreiche Bergstraßen kommen wir beim Albergo la Rotonda im Canali Tal, Trient an. Nach einem obligatorischen Kaffee hieven wir die fast 20 Kg schweren Rucksäcke auf unsere Rücken und machen uns auf den Weg zum Rifugio Pradidali, welches unser Stützpunkt für die nächsten Tage werden soll. Während den gut 1000 Höhenmetern zur Hütte wird unter der drückenden Mittagshitze schon ordentlich geschwitzt und wir erahnen, warum wir hier wenig begangene, wilde Alpinrouten erwarten können. Der Anblick der Hütte, welche von beeindruckenden Felswänden umzingelt ist, enttäuscht uns ganz und gar nicht.
Nach einem leckeren Mittagessen und einem weiteren Kaffee steuern wir eine nahe gelegene Wand an, um dort die Standbautechniken zu wiederholen. Jeder baut ein paar Stände, welche dann von der Gruppe beurteilt werden. Die Bergführer geben uns einige wertvolle Tipps und Verbesserungsvorschläge. Dann fängt der Spaß so richtig an: Mit fast schon kindlichem Enthusiasmus hämmern wir die ersten Nägel in den Felsen. Dabei sorgen wir für eine beeindruckende Klangkulisse. Als wir zufrieden sind, klettern wir noch ein paar Sportkletterrouten und kehren dann zur Hütte zurück. Nach dem Abendessen suchen wir uns die Touren für den nächsten Tag aus: Da diese für den ersten Tag nicht zu schwer ausfallen sollen, wählen drei von uns die Via Castiglioni-Cima Wilma und die anderen die Spigolo del Vecchio auf den Campanile Pradidali. Begleitet werden wir jeweils von einem der Bergführer. Beide Touren haben Passagen bis in den fünften Grad.
Die Castiglioni ist eine sehr schöne, exponierte Route mit 10 Seillängen durch Platten, Verschneidungen und durch ein kleines Dach. Besonders in den ersten Seillängen glänzt sie durch sehr gute Felsqualität. Nur ein paar alte Nägel und bereits gefädelte Sanduhren befinden sich bereits im Felsen. Die Stände an Sanduhren und Nägeln verstärken wir meist mit eigenen Nägeln oder Friends. Einer von uns stellt als Nachsteiger eindrucksvoll unter Beweis, dass die Felsqualität in den letzten Seillängen eher mittelmäßig ist: Ein Henkel bricht aus und er stürzt ein paar Meter ins Seil. Fünf Minuten später fällt ihm in der nächsten Seillänge ein von der oberen Seilschaft losgetretener Stein auf den Helm. Mit der Erkenntnis, dass loses Gestein höchste Vorsicht verlangt, kommen wir alle heil und zufrieden am Gipfel an. Der Abstieg besteht aus leichten Kletterpassagen, gefolgt von einer gut eingerichteten Abseilpiste mit circa 8 Abseilständen. Der erste, der sich abseilt, nimmt dabei ein zusätzliches Seil mit nach unten, um die nächste Abseilstrecke einzurichten. Die letzten nehmen die Seile wieder auf und reichen sie nach vorne weiter. So sind ständig vier Seile im Einsatz und wir kommen überraschend schnell am Fuß der Wand an.
Auch die Spigolo del Vecchio enttäuscht nicht: 350m Genusskletterei entlang einer schönen Kante. In den ersten der neun Seillängen befindet sich leider oft ein Bohrhaken am Stand. Dafür erfordern die letzten Seillängen, die jeweils gut 50 Meter lang sind viel Spürsinn und Improvisation beim Standbau: Entweder an einem soliden Köpfel oder gänzlich mit Friends. Die Glocke auf dem Gipfel des Campanile Pradidali macht seinem Namen alle Ehre. Der Abstieg besteht wieder aus leichten Kletterpassagen, gefolgt von einer Abseilpiste.
Wieder bei der Hütte angelangt, gönnen wir uns eine leckere Speckplatte. Am Abend denken wir über die Tour für den folgenden Tag nach, wobei wir berücksichtigen müssen, dass am Nachmittag
schwere Gewitter vorhergesagt sind. Die Wahl fällt auf den Buhlriss an der Cima Canali, da die Route einerseits ein wunderschöner Klassiker sein soll und andererseits mit einer Abseilpiste nahe der Aufstiegsroute versehen ist. So können wir uns zur Not schnell zurückziehen. Die Linienführung der 400 Meter hohen Route, die einem nahezu immer senkrechten Riss folgt, ist von der Hütte aus gut erkennbar und weckt große Vorfreude in uns. Sie erscheint uns als würdiger Höhepunkt unserer Tage in den “Wilden Dolomiten”.
Der Wecker klingelt um 5:15, wir kämpfen uns aus dem Bett, frühstücken und machen uns auf den Weg zum Einstieg. Dieser befindet sich auf einem ausgesetzten Band, sodass wir uns schon in den ersten Seillänge in luftigen Höhen befinden. Obwohl nur im Grad V+, hat es schon die Verschneidung in der zweiten Seillänge in sich, da diese sehr schwer absicherbar ist. Die Schlüsselstelle im 6. Grad in der vierten Seillänge besteht aus einer Platte, gefolgt von einem Dach, das überwunden werden muss. Die Passage ist leicht absicherbar, sodass wir großzügig Material platzieren. Wir verdrängen allerdings, dass die Seillänge 40 Meter lang ist, was zur Folge hat, dass ein Vorsteiger am Ende zwei gute Haken auslassen muss. Nachdem wir in der nächsten Seillänge ein anspruchsvolles Dach überwinden (einer von uns umgeht es einfach), bestehen die restlichen Seillängen aus gleichbleibend schwerer Kletterei in Kaminen und Verschneidungen. Dabei muss man sich auch zehn Meter über der letzten Zwischensicherung wohl fühlen, um die Route zu genießen. Die Route verwöhnt uns durch ausgezeichnete Felsqualität und sehr luftige, ästhetische Kletterei. Da wir zusammen drei Seilschaften sind und alle zugleich in der Route klettern, bauen wir an den meisten Ständen zwei Fixpunkte. Somit haben wir die Gelegenheit, neben den bereits ziemlich gut eingerichteten Ständen unsere eigenen zu basteln.
Glücklich und zufrieden kommen wir am Ausstieg der Route an. Nach einem verdienten “Bergheil” beginnen wir, uns abzuseilen. Unter Verwendung von sechs Halbseilen schaffen es alle sieben von uns die 400 Hm zum Einstieg der Route. Ein traumhafter Abstieg für diese traumhafte Route, die wohl zu den schönsten in den Dolomiten zählt.
Zurück bei der Hütte fragen wir uns nur, wo denn das angekündigte Gewitter geblieben ist. Doch plötzlich brechen Blitz, Donner, Hagel und Starkregen über uns herein. Binnen Minuten schießen Wasserfälle aus den Bergen heraus, Muren bahnen sich den Weg ins Tal und Steine poltern über die Felswände. Ein Wasserfall prasselt genau auf das Band herab, das wir eben noch querten und ein Teil der Serpentinen des Zustiegweges wird einfach weggeschwemmt. Dröhnender Lärm krönt diese Kraftdemonstration der Natur. Als es dunkel ist und sich das Wetter wieder normalisiert hat, werden wir noch Ohrenzeugen eines Felssturzes.
Für den nächsten und letzten Tag unseres viertägigen Abenteuers suchen wir relativ kurze Touren, um zu Mittag wieder zurück zu sein. Nach langer Diskussion entscheiden wir uns für die Spigolo del Vecchio, die drei von uns schon am ersten Tag geklettert sind und für die Via Franceschini auf den Torre Pradidali.
Übrigens war es nicht gerade selbstverständlich, dass wir am Samstag einen Schlafplatz in der Hütte bekommen, da sie ausgebucht war. Das Unwetter hielt aber genau sieben Menschen davon ab, zur Hütte aufzusteigen, sodass wir in den Genuss eines Bettes kamen.
Die beiden Routen am Sonntag enttäuschen nicht und sind ein schöner Abschluss dieser Klettertage. Beim Mittagessen in der Hütte verewigen wir uns noch im Tourenbuch. Die tiefsinnige Aussage “La BUHL è COOL” darf dabei nicht fehlen. Danach geht es auch schon in Richtung Tal. Nach der zweieinhalbstündigen Autofahrt nach Bozen verabschieden wir uns herzlich und freuen uns schon, uns in zukünftigen Touren zu begegnen. Ein beherzter Schlussprint am Bahnhof Bozen, welcher uns den Zug zur Heimreise erwischen lässt, rundet den Tag ab.
Wir alle haben eine sehr schöne Zeit zusammen gehabt und einiges für unsere nächsten Abenteuer am Berg dazugelernt. Keine einzige andere Seilschaft ist uns während dieser Tage begegnet. Zwei Wörter, die zugleich das Motto dieser Tage waren, beschreiben dieses einzigartige Klettergebiet am besten: Wilde Dolomiten.
Text: Maximilian Braun
Mit freundlicher Unterstützung von
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