ALPINIST: Trafoier Eiswand und Hochtouren im großem Kaukasus
Nach einem intensiven Vorbereitungswochenende an der Trafoier Eiswand machten sich Ende Juni acht Bergsteiger:innen auf den Weg in den wilden Kaukasus – genauer gesagt nach Georgien. Als Stützpunkt diente das rustikale und ideal gelegene Bergdorf Mestia in der Region Swanetien. Von dort aus starteten sie zu mehrtägigen Touren, bei denen sie unter anderem den markanten Gipfel Ushba ins Visier nahmen. Simeon Hitthaler und Franziska Gafriller erzählen in amüsanten Berichten, wie sie die Zeit gemeinsam erlebt haben.
Vorbereitungswochenende- Trafoier Eiswand 07-09. Juni
Das Vorbereitungswochenende für die Hochtourentage im Kaukasus begann anders als geplant. Der Samstag war wettertechnisch durchwachsen und wurde für die gesamte Vorbereitung genutzt. Von Packlisten erstellen, über organisatorische Dinge abklären, bis zu Tourenplanungen erstellen, gab es viel zu tun.
Am Pfingstsonntag dann, früh morgens, der Start nach Trafoi. Das Ziel, die Trafoier Eiswand über die Nordwand, mit dazugehörigem Nachtlager auf dem Gletscher. Der Zustieg führt über die Berglhütte und danach einem markierten Wanderweg hinein, zum Ortlerferner. Dort geht es in einem Rechtsbogen hinauf bis unters Pellicioli- Biwak. Klingt doch recht plausibel und berechenbar, vielleicht gehen sich noch einige Übungen auf dem Gletscher aus, dachten wir. Spätestens 3 Stunden nach dem Start war klar, dass es so leicht wohl doch nicht wird. Vom Weg keine Spur, eröffnete sich uns unterhalb des Ortlerferners ein Moränengraben nach dem Anderen, über den wir drüber mussten. Loses Geröll, steilesGelände und Steinschläge natürlich inklusive. Mit anderen Worten, “isch des ein Bockorscht“. Alle waren froh, sobald es später als geplant, schließlich doch noch auf den Gletscher ging. Allerdings war es bei Ankunft am Lagerplatz dann doch schon später Nachmittag. Mehr als Nachtlager einrichten, Wasser schmelzen und Abendessen zubereiten war dann nicht mehr drin. Naja, das Finale der French Open, welches Jannik Sinner gerade bestritt, verfolgten wir doch noch ein wenig.
Die Nacht wurde klar und kalt und so ein erster guter Test für das Material. Früh morgens um kurz vor 4Uhr dann der Wecker. Das Wetter und die Verhältnisse in der Eiswand waren perfekt. Dennoch war Eile geboten, da es doch ziemlich warm wurde. Nach dem Gipfelsieg ging es direkt wieder über eine steile Flanke hinab zum Lager. Dort fing der Schnee schon an weich zu werden, zusammenpacken und abhauen, war die Devise. So machten wir es dann auch. Über die Moränen hinaus versuchten wir uns einen besseren Weg zu suchen, was uns auch gelang. “An greasan Drecksorscht wearmo in Georgien wo a et fenn“, sagten wir uns. Und doch waren wir schon am frühen Nachmittag wieder zurück in Trafoi. Dort gab es zur Stärkung noch eine Bratwurst und ein Bier. Und natürlich jede Menge Schnupftabak.
So wurde das Vorbereitungswochenende zu einem rundum gelungenen Abenteuer. Drei Wochen später und einige Tausend Kilometer weiter östlich, sollten uns viele weitere solcher Abenteuer erwarten.
Ein Dank gilt dem gesamten Team, sowie dem AVS- Südtirol für diese Möglichkeit und die erlebten Momente.
Text: Simeon Hitthaler
Georgien:
Mit dem unerschütterlichen Optimismus von acht Bergsteigern packten wir Ende Juni unsere Rucksäcke und waren wirklich überzeugt, dass 20 Kilo reichen würden, um zwei Wochen lang in den georgischen Bergen unterwegs zu sein. Naiv? Vielleicht. Aber immerhin waren wir zu acht – geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid. Und als kleinen Bonus hatten wir sogar einen echten Deutschen dabei.
Am Flughafen dann die erste Herausforderung: Mit Hochtourenschuhen, Helm und Daunenjacke durch die Sicherheitskontrolle. Irgendwie haben wir es geschafft und saßen dann tatsächlich im Flieger. Jetzt konnte ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. In Kutaissi angekommen, gönnten wir uns eine kurze Nacht und machten uns direkt am nächsten Morgen auf den Weg Richtung Mestia. Sechs Stunden kurvige Autofahrt später waren wir da. Unser Zuhause für die nächsten zwei Wochen: eine einfache, aber gemütliche Hütte etwas abseits von Mestia, umgeben von spektakulären Bergen.
Am Dienstagmorgen ging es dann direkt los: Der erste Gipfel wartete. Der Mt. Tetnuldi – 4.850 Meter hoch, perfekt zum Akklimatisieren. Die Rucksäcke waren vollgepackt, von Zelt bis Kocher und natürlich ein paar Gummibärchen für die Moral. Und als wäre das noch nicht genug, lief uns auch noch ein Hund hinterher. Einfach so. Wahrscheinlich hatte er Mitleid mit uns oder roch eine versteckte Wurst im Rucksack. Im Basislager angekommen haben wir Zelte aufgebaut, Material sortiert und ein edles Gourmetmenü genossen (gefriergetrocknete Carbonara). Danach ging es direkt in die Schlafsäcke. Naja, ins Zelt – und das bei Wind, Hagel und Sturm. Camping Deluxe.
Um 3 Uhr morgens dann endlich klarer Himmel. Nach rund vier Stunden Aufstieg standen wir tatsächlich auf über 4.800 Metern. Atemberaubende Aussicht, kalte Temperaturen und ein Wind, der uns fast vom Gipfel verwehte. Und unser vierbeiniger Begleiter? Der hat es fast bis ganz nach oben geschafft. Der Abstieg war lang und zäh, aber am Ende wartete eine Belohnung der besonderen Art. Unser Fahrer hatte einheimisches Bier dabei. Gaumarjos – Prost auf Georgisch. Das Abenteuer hatte gerade erst begonnen.
Die nächsten drei Tage meinte es das Wetter nicht besonders gut mit uns. Statt Sonne gab es Regen, Nebel und nasse Socken. Aber die Laune blieb erstaunlich stabil. Wir planten Touren, übten Seiltechniken und erkundeten das Dorf. Das ein oder andere Bier durfte natürlich auch nicht fehlen. Außerdem stand Bürokratie auf dem Programm. Wir meldeten uns bei der Grenzkontrolle an, da unser nächstes Ziel auf die russische Seite hinausführen würde. Die Kontrolle? Typisch georgisch. Einer arbeitete konzentriert am Computer während zehn andere interessiert zuschauten. Dann kam endlich der ersehnte Wetterumschwung. Blauer Himmel, Sonnenschein und gute Laune. Unser nächstes Ziel: über die Nordostflanke auf den Nordgipfel des Ushbas. Für viele fast schon das georgische Matterhorn. Die Rucksäcke wieder schwer, dafür die Motivation doppelt so groß. So machten wir uns wieder auf den Weg. Am ersten Tag schlugen wir unser Lager mitten auf dem Gletscher auf. Eine kleine Steininsel diente uns als Schlafplatz mit direktem Blick auf die beeindruckende Nordwand des Ushbas. Am nächsten Morgen hieß es Zelte einpacken und weiter. Der Gletscher war von vielen Spalten durchzogen, aber zum Glück meist noch gut zugeschneit. So konnten wir sogar einen kleinen Abstecher auf einen Bonusgipfel auf der russischen Seite machen. Unser zweites Lager lag direkt unter der Wand des Ushbas auf einem kleinen Plateau. Früh am Morgen klingelte der Wecker und wir starteten topmotiviert in die Tour. Die Bedingungen? Ein Bergsteigertraum mit festem Trittschnee, solides Eis, steile Flanken und zum Abschluss ein traumhafter Grat. Genau so stellt man sich einen perfekten Gipfeltag vor. Wieder am Zelt, müde, aber überglücklich, beschlossen wir, das Lager etwas weiter abzubauen und am nächsten Tag noch eine kleinere Tour zu unternehmen, bevor es zurück ins Tal ging. Ziel war der “Little Uschba”. Wobei „klein“ eher irreführend war. Die Route hatte es in sich. Brüchiges Gelände und steile Kletterstellen standen auf dem Programm. Nach ein paar knackigen Seillängen und da das Gelände zunehmend anspruchsvoller und brüchiger wurde, entschieden wir uns abzuseilen. Auch mit Blick auf den langen Abstieg schien das die vernünftigere Wahl.
In den letzten Tagen gingen wir dann getrennte Wege. Einige suchten den Nervenkitzel beim Klettern am Gulba. Dort erwartete uns steile Granitkletterei vom Feinsten und die Abseilpiste musste erst selbst eingerichtet werden, was nicht nur Nerven, sondern auch ein paar Ausrüstungsstücke kostete. Andere machten sich auf zum Laila Peak, mit traumhafter Aussicht, aber einem ewigen „Gletscherhatscher“, der uns ordentlich gefordert hat. Zwei von uns gönnten sich währenddessen zwei wohlverdiente Hüttentage da der Magen rebellierte, die Haut schälte sich vom Sonnenbrand und die Knie schmerzten. Am letzten Abend, müde, zufrieden und voller Eindrücke, kamen wir alle wieder zusammen. Zur Feier des Tages gab es noch einmal alles, was das Herz und den Magen begehrt: Khachapuri, Kubdari und andere Leckereien, dazu natürlich georgischer Wein und ein paar Gläser Schnaps. Schließlich muss man so ein Abenteuer auch gebührend ausklingen lassen. Nach der ein oder anderen kurzen Nacht ging es am nächsten Tag wieder zurück Richtung Heimat. Im Gepäck: schmutzige Socken, müde Beine und Erinnerungen an zwei unvergessliche Wochen im Kaukasus.
Und eine letzte wichtige Lektion des Trips: Schick niemals einen Deutschen allein einkaufen. Sonst landen Omlett mit Nutella, Wurst, Käse und Tomate auf dem Tisch – alles gleichzeitig.
Ein Abenteuer mit Tobi, Markus, Simeon, Benedikt, Franzi, Tobi, Janluca und Markus
Text: Franziska Gafriller




