Stand im Eis © Peter Plattner
Obwohl Steileisklettern an gefrorenen Wasserfällen zu den anspruchsvolleren Bergsportdisziplinen zählt, hat es in den letzten Jahren wieder etwas an Beliebtheit gewonnen. Haben sich früher vor allem hartgesottene Alpinisten der Kälte und Exponiertheit von gefrorenen Eisfällen gestellt, probieren heute immer mehr vom Sportklettern beeinflusste Menschen ihr Können an Eisspuren und gemixten Fels-/Eis-Linien. Das Material hat sich parallel zum steigenden Niveau verbessert und heute gibt es fürs Wassereis- und Dry-Tool-Klettern eigene hochgezüchtete Ausrüstung.
von Peter Plattner (Bergeerleben 05/17)
Geblieben ist die Notwendigkeit des selbstständigen Anbringens von Fixpunkten – abgesehen von teilweise vorhandenen (Bohr-)Haken im Fels. Und weil diese Fixpunkte nahezu immer aus eingedrehten Eisschrauben bestehen, gibt es hier Parallelen zum Bergsteigen – auf klassischen Eistouren (sofern dort noch genug Eis vorhanden ist) funktioniert das Setzen bzw. der Standplatzbau ziemlich gleich.
Eisschrauben setzen
Nicht nur der Klettergenuss und die Herausforderungen, auch die Verlässlichkeit sprich Haltekraft der Eisschrauben hängt von der Eisqualität (siehe Beitrag S. 18) ab. Und natürlich der Dicke der vorhandenen Eisschicht: Ist das komplette Eindrehen einer 13–19 cm langen Eisschraube nicht mehr möglich, können auch bei guter Eisqualität die Haltekräfte für eine Zwischensicherung bald kritische Werte erreichen. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich eine herausstehende Eisschraube abzubinden – sprich den Karabiner nicht in die Lasche zu klinken –, auch wenn sie weniger als 5 cm übersteht (auch wenn die Meinung im Umlauf ist, dass ein Überstand von bis zu 5 cm problemlos sei).
Die Eisqualität und der damit zusammenhängende Setzwinkel der Eisschraube: Die allgemeine Empfehlung für alle „Eisdisziplinen“ lautet: im rechten Winkel zur Eisoberfläche. Die Wahl eines guten Platzes – homogenes Eis, tendenziell in einer „Mulde“, genügend Abstand zu Rand/ anderen Schrauben, usw. – ist meist relevanter als die Diskussion um den besten Setzwinkel. Gemessen wurde allerdings auch, dass bei guter Eisqualität (kompaktes Wassereis ohne Lufteinschlüsse) ein 10 Grad–20 Grad nach unten hängender Setzwinkel (verwirrenderweise manchmal als „positiver- „und aber auch als „negativer- „Setzwinkel bezeichnet) noch höhere Festigkeiten garantiert; dabei ist nicht die Gesamtlänge der Schraube, sondern die Länge oder die Tiefe des Gewindes ausschlaggebend. Nur bei hohen Temperaturen oder direkter Sonneneinstrahlung (im Gletscherbruch) ist es noch sinnvoll die Schraube „von oben nach unten“ zu setzen, da abfließendes Schmelzwasser die Haltekraft des Gewindes schwächt bzw. das nicht abfließende Schmelzwasser für eine „Kühlung“ sorgt.
Das Hauptproblem für wenig routinierte Kletterer ist, zu erkennen, ob es sich um eine solche gute Eisqualität handelt oder nicht. Deshalb bleiben wir bei der Standardempfehlung: Setzwinkel 90 Grad.
Standplatz bauen
Egal wie die Eisqualität eingeschätzt bzw. in welchem Winkel eingedreht wird, am Standplatz werden immer zwei Eisschrauben gesetzt. Das ist eigentlich wie im Fels und die Verbindung dieser beiden Fixpunkte erfolgt gleich, mit dem Vorteil, dass ich im Eis oft den Abstand optimal wählen kann.
Im guten Eis gesetzte Eisschrauben können mit etwas Wohlwollen mit einem Bohrhaken verglichen werden und dementsprechend (wie im Fels) werden diese mit einer Reihenverankerung verbunden: Die komplette Belastung verlagert sich auf die untere Eisschraube und die obere hängt gerade nicht belastet dahinter.
Bei nicht optimaler Eisqualität und zu erwartenden schlechteren Haltekräften der Eisschrauben werden diese idealerweise mit einer Ausgleichsverankerung verbunden: Dabei hat sich die Technik des Universalstandes bzw. Pseudoausgleiches bewährt.
Eissanduhr erstellen
Die Abalakov-Eissanduhr (benannt nach dem Russen Vitaly Mikhaylovich Abalakov, 1906–1986) ist eine ziemlich kolossale Methode, im Eis einen guten Fixpunkt herzustellen: Es wird einfach mit einer Eisschraube eine Eissanduhr gebohrt, eine Reepschnur durchgefädelt und fertig. Ideal zum Abseilen, als Toprope-Verankerungen u. Ä. – egal ob im gefrorenen Wasserfall oder in einer Eisflanke. Bei gutem Eis, mindestens 19 cm Eisschrauben und richtiger Technik hält eine Eisuhr bis zu 10 kN – da kann unter Umständen die Bruchkraft der durchgefädelten Reepschnur geringer sein.
Apropos Reepschnur bzw. eingezogenes Seil: Um die optimale Haltekraft zu erzielen, darf diese nicht zu kurz abgeschnitten werden, sodass ein Winkel von maximal 60 Grad entsteht. Auch die Enden dürfen nicht zu kurz sein, da insbesondere der Sackstich bei ringförmiger Belastung die Tendenz zum Umschlagen hat und sich so lösen könnte. Als Anhaltspunkt sind mindestens 120 cm Reepschnur oder Seil nötig.
Beim Abseilen oder Ablassen empfiehlt es sich, die Abalakov beim Ersten mittels einer Eisschraube zu hintersichern; erst der Letzte nimmt dann die Schraube mit und hängt „nur“ in der Abalakov-Eisuhr.
Im Gegensatz zur „selbstausdrehbaren Eisschraube“ und ähnlichen Spielereien ist die Eissanduhr ein Fixpunkt, der sich seit Jahren bewährt hat und für verschiedenste Anwendungen genutzt wird.
Wie macht man eine Abalakov-Eissanduhr?
1. Schraube (19 cm) 60° zum Eis ansetzen und erste Loch drehen.
2. Im Abstand von ca. einer Schraubenlänge (15 cm) …
3. … Schraube wieder 60° ansetzen und zweiter Loch bohren (ev. mit Orientierungshilfe) …
4. … bis erstes Loch getroffen wird. Die Menge tobt!
5. Mit oder ohne Fädler eine min. 6 mm dicke Reepschnur durchfädeln …
6. … lang genug abschneiden (min. 120 cm) und sauber verknnoten; alternativ (Abseilen) das Seil direkt durchfädeln.