„Ghost Dog (WI6/M5+/V+)“, Pordoi Westwand
Erstbegehung der "Ghost Dog" © Corrado „Korra“ Pesce und Jeff Mercier
Corrado „Korra“ Pesce und Jeff Mercier aus Chamonix, die zum ersten Mal in den Dolomiten waren, gelang vom 3.-5. Dezember 2013 die Erstbegehunghte der neuen Mixed-Route „Ghost Dog“ an der Pordoi-Westwand. Spannende Geschichte der Erstbegehung und den zahlreichen Wiederholungen innerhalb weniger Tage ...
Von Geisterhunden und brechenden Kerzen
Die spannende Geschichte der neuen Mixed-Route „Ghost Dog“ an der Pordoi-Westwand
Das Schreiben dieser Geschichte verlief wie das Klettern einer Eisroute: Die Bedingungen veränderten sich kontinuierlich, fast jeden Tag gab es Neuigkeiten. Herausgekommen ist die Geschichte der Winterbegehung einer beeindruckenden Kletterlinie und ihrer raschen Wiederholungen.
Im Dezember 2013 herrschte in den Dolomiten Betrieb wie im Hochsommer. Der Grund: perfekte Bedingungen fürs Eisklettern und Mixedrouten. Auch wenn die Inversionswetterlage die Temperaturen in der Höhe nach oben schnellen lies, gab es noch von den kalten Novembertagen bestes Eis und es lag relativ wenig Schnee. Viele Spitzenkletterer liebäugelten schon lange mit dieser Linie. Mehrere Versuche scheiterten.
Die Erstbegehung
Ausgerechnet zwei „auswertigen“ Kletterern, Corrado „Korra“ Pesce und Jeff Mercier aus Chamonix, die zum ersten Mal in den Dolomiten waren, gelang die Erstbegehung. Sie wollten sich eigentlich an einer Erstbegehung am Langkofel versuchen, stiegen aber auf Anraten von Freunden am 3. Dezember in die Fedele-Route, einem Sommerklassiker in der Pordoi-Westwand, ein, um die Lage zu erkunden. Nach circa 150 Klettermetern deponierten sie das Material und seilten ab. Am nächsten Tag gelang ihnen der Ausstieg bis zum Band, über delikate Seillängen im Eis und die berüchtigte Kerze, die sich sehr selten bildet. Wieder beschlossen sie abzusteigen, da sie das Warmwetter und die Dunkelheit in einer für sie unbekannten Gegend fürchteten. Korra meinte: „Wahrscheinlich werden die Einheimischen unsere Entscheidung belächeln, auch wir würden jetzt in der Nacht vom Pordoi-Plateau absteigen. Aber für uns war die Gegend völlig unbekannt.“
Die letzen 200 Klettermeter schafften sie am 5. Dezember, nachdem sie am frühen Morgen zum Einstieg des oberen Wandteils mit den Skiern gequert waren. Der Name der Route, „Ghost dog“ kommt von der unliebsamen Begegnung der beiden Bergsteiger mit einem „Geisterhund“ auf der Autobahn bei der Anreise, der ihnen eine schlaflose Nacht beim Mechaniker bescherte.
Die Wiederholungen
Kaum war die Notiz im Netz, ließen es sich die einheimischen Spitzenkletterer nicht nehmen, die Route zu wiederholen. Am Mittwoch, eine Woche nach der Erstbegehung, kletterten die Profi-Eiskletterer Adam Holzknecht und Simon Gietl die Route in beeindruckender Manier in 7,5 Stunden durch. „Natürlich ist es etwas anderes, wenn man die Wand kennt. Die Konditionen waren perfekt und das Klettern war ein Genuss“, so die beiden.
Am Samstag sind weitere Kletterasse und Bergführerkollegen in der Wand. Christoph Hainz und Simon Kehrer gelingt ebenfalls eine sehr schnelle Begehung in circa sieben Stunden; den ersten Teil der Fedele klettern sie aufgrund der guten Bedingungen sogar seilfrei. „Das Eis kam uns bombenfest vor, auch vom Klang her. Als ich in der Kerze im oberen Teil einen zehn Zentimeter breiten Riss sah, habe ich den Eishaken darüber angesetzt,“ meint Simon Kehrer schmunzelnd. Auch die nachfolgende Seilschaft mit Philip Angelo und Thomas Gianolla sah den Riss, aber dass die Kerze brechen würde, haben auch sie nicht geglaubt. Sie sind dann am Band ausgestiegen und wegen der ansteigenden Wärme abgestiegen.
Die Kerze bricht
Als dann die beiden Osttiroler Vittorio Messini und sein Kletterkollege am darauffolgenden Tag um 7 Uhr früh in die Route einsteigen wollten, bemerkten sie, dass der gesamte freistehende Teil der Kerze abgebrochen war. „Wahrscheinlich ist das auf die plötzlich angestiegene Kälte zurückzuführen, wodurch im Eis Spannungen entstehen,“ vermuten die Kletterer. Auch Adam Holzknecht meint, dass Eisgebilde, die sich selten bilden, viel labiler sind.
Ist die Route noch begehbar?
Dass die Route noch begehbar ist, haben die jungen Alpinisten und Spitzenkletterer Alex Walpoth und Martin Dejori bewiesen. Am 18. Dezember gelang ihnen die erste Begehung „ohne Kerze“. Die neue Linie quert vor dem Ausbruch nach links (Richtung Norden), dann leicht abwärts, bis man parallel zur alten Linienführung in einem Riss entlang gut bis zum Band kommt. Ebenfalls an diesem Tag durchstiegen wurde die Route vom Bergführer Veit Bertagnolli aus Bozen und seinem Kletterfreund Roland Marth von der HG Meran. Auf die Frage, warum das Klettern im Winter auch bei den jungen Kletteren so beliebt ist, antwortet Veit, dass es mit der modernen Ausrüstung einfach ein Genuss ist, im Winter in den Bergen herumzuklettern. Und auch Martin und Alex meinen, dass Klettern im Winter vom Feinsten ist.
Der Dank und die Komplimente gelten den Akteuren dieser spannenden Geschichte, die natürlich nicht zu Ende geht. Sicherlich wird sich bis zum Erscheinen dieses Heftes noch vieles in der Route tun – vorausgesetzt die Bedingungen stimmen.
Autor: Ulla Walder
Erstbegehung der "Ghost Dog" © Corrado „Korra“ Pesce und Jeff Mercier
Routeninformationen
„Ghost Dog“ am Sas Pordoi (2.950 m)
Erstbegeher: Korra Pesce und Jeff Mercier, am 03.12.2014 den unteren Teil bis zum Gamsband, am 04.12.2014 den oberen Teil
Schwierigkeit: 5+/6° WI 6 M5+
Höhenunterschied: 800 Meter
Seillängen: 9 im Fels bis zum Erreichen des Eises, 10 Seillängen Eis und Mixgelände
Ausrüstung: Eisschrauben, Kevlar und Friends bis mittlere Größe
Zeit: sehr abhängig von den Eis- und Fels-Verhältnissen