„Amore e ombra (M9/VIII/WI5)“, Col Turont, Langental
Erstbegehung der "Amore e ombra " © Alex Walpoth und Adam Holzknecht

Was gibt es für einen jungen Alpinisten Aufregenderes, als eine Mixed-Route mit einem seiner Vorbilder eröffnen zu können? Dem jungen Grödner Alex Walpoth gelang mit seinem Seilpartner, dem erfahrenem Alpinisten Adam Holzknecht eine beeindruckende Erstbegehung im Langental.

„Amore e Ombra“ – Weil das Eine ohne das Andere unvorstellbar ist.

Was gibt es für einen jungen Alpinisten Aufregenderes, als eine Mixed-Route mit einem seiner Vorbilder eröffnen zu können?
Als Adam Holzknecht mir vor einem Jahr erklärte, dass er vielleicht etwas Neues entdeckt hätte, etwas was man sich mal anschauen müsste, war ich sofort begeistert.

Am Ende des Langentales
Die Rucksäcke auf den Rodeln geschnallt, gingen wir bis zum Ende des Langentales hinein, wo wir endlich weit oben auf der rechten Seite die unerforschte Wand erblickten. Eis sahen wir nur wenig, die Wand gab ihre Geheimnisse noch nicht preis. Um diese zu lüften, mussten wir uns durch Latschen hindurch kämpfen und einen steilen, mit Pulverschnee bedeckten Abhang aufsteigen. Belohnt wurden wir mit einer beeindruckenden Naturformation, eine tiefe Einsenkung in den Felsen, von unten nicht einsehbar. Eine fragile Eisspur zierte die dunkle Wand, weiter oben außerhalb der „Höhle“ stach eine dünne Kerze hervor. Gleich zu Beginn testete Adam einen Friend, danach erreichte er über einen quer nach links ziehenden Riss das Eis. Bereits der erste Pickelschlag zeugte von der hervorragenden Qualität des Eises, Adam zeigte sich begeistert: „Das Schönste am Mixed-Klettern ist ins Eis zu kommen“. Beim Nachsteigen dachte ich mir das Gleiche, auch weil ich mit dem „Drytoolen“ noch gänzlich unerfahren war. In der zweiten Länge überließ ich wieder bereitwillig Adam den Vorstieg. Es handelte sich um eine äußerst diffizile Querung unter einem Dach. Immer wieder brachen Schuppen ab, erst als Adam einen Haken schlagen konnte gelangte er mit ein paar unsicheren „Hooks“ ins Eis, das uns 10 Meter wunderschöne Kletterei schenkte. Als ich mich irgendwie mit Pickel und Händen diese Länge hochkämpfte dämmerte es bereits: So einladend der weitere Verlauf auch aussah, wir mussten uns auf ein anderes Mal trösten.

Bizarre Kulisse
Es verging ein Jahr, in dem ich die Kunst des Mixed-Kletterns erlernte. Als wir in diesem Jänner wieder am Einstieg unserer begonnen Route standen, erinnerte mich Adam an meine Behauptung vom letzten Jahr, dass „Drytoolen“ nichts für mich sei. Ja, die Leidenschaft war eindeutig dennoch erwacht! Die Querung der 2. Seillänge war diesmal noch schwieriger, weil weniger Eis vorhanden war. Danach betrat Adam endlich Neuland: Ein Riss, anfangs überhängend, dann in eine glatte Verschneidung und eine fragile Eiskonstruktion übergehend. Mit weit voneinander entfernten „Hooks“ kam Adam rasch voran, dann wurden die natürlichen Absicherungsmöglichkeiten spärlicher und der Übergang ins Eis erforderte komplexe und kreative Kletterei. Zwei, drei Pickelschläge im Eis, dann atmeten wir beide auf und Adam verschwand aus meinem Blickfeld. Als ich zu ihm aufschloss war ich einmal mehr verzaubert von der bizarren Kulisse: Wir befanden uns in einem tiefen Kamin, eine Seite war vollkommen mit Eis überzogen, vom Luftzug verbogene Eiszapfen hingen herab.

Der sich nach oben hin verschließende Kamin drängte mich nach außen und weiterhin über wunderschönes Eis kletternd kam ich unter ein weiteres Dach. An dessen Beginn hingen noch ein paar Eis-Stalaktiten herab. Es kostete viel Überwindung, sich diesen anzuvertrauen. Im Felsen konnte ich dann endlich den ersten guten Friend unterbringen; die Pickel am Gurt hängend, bewegte ich mich mit den Händen einen kräftezehrenden Riss hinauf, der mich schließlich zum Auslassen zwang. Anfangs war ich noch zerknirscht darüber, an der Onsight-Eröffnung gescheitert zu sein aber spätestens nach ein paar erfolglosen Versuchen, von denen einer mit einem beträchtlichen Sturz mitsamt Ausreißen eines großen Friends endete, galt es nur noch die Länge raufzukommen. Der Riss verschloss sich nämlich zu einer sehr glatten Verschneidung, erst mithilfe eines Knieklemmers und einiger kraftvoller Zügen überwand ich die schwierigste Stelle, danach folgten noch schöne und anspruchsvolle Klettermeter bis zu einem Klemmblock, den ich als Stand verwendete. Als Adam, begeistert von dieser schönen und schweren vierten Seillänge meinen Stand erreicht, neigte der Tag sich bereits dem Ende zu. Eine reine Felslänge, die schwer abzusichern war, entließ uns auf ein flaches, schneebedecktes Plateau. In der Dunkelheit seilten wir über die Route ab. Die Euphorie über die beendete Route, die sich als äußert interessant und abwechslungsreich heraus gestellt hatte, ließ uns den langen Abstieg gelassen zurücklegen.

Die freie Begehung
Doch bereits bei der anschließenden Pizza sprachen wir über die ausstehende freie Begehung, die eigentlich nur an der 4. Länge gescheitert war: Diese ist äußerst kraftraubend und in der Mitte muss man von Klettern mit den Pickeln zu Klettern mit den Händen wechseln, welches eine doch recht verschiedene Technik erfordert.
Drei Wochen später wollten wir die freie Begehung versuchen. Diesmal hatten wir die größten Friends mitgebracht, die sich in der zweiten und vierten Seillänge als äußerst nützlich erwiesen. Adam „erfand“ für die zweite Länge wieder eine neue Methode und nachdem uns die dritte Seillänge beiden schwerer als das letzte Mal vorkam, standen wir etwas skeptisch vor der Schlüsselseillänge. Adam schickte mich aufmunternd voraus, bis zu den Stalaktiten verlief die Kletterei reibungslos, auch die paar labilen Hooks blieben an ihrem richtigen Platz. Nun zog ich die Handschuhe aus und kletterte entschlossen am Knieklemmer vorbei. Die schwerste Stelle war geschafft, doch es wartete eine zweite Passage, zu dessen rein technischen Schwierigkeit sich nun auch die erhöhte Anspannung gesellte. Wider Erwarten und nach langem Zögern gelang mir auch diese; die folgenden Meter bis zum Stand legte ich begeistert und bewusst zurück.

Adam gingen leider die Kräfte aus, doch anstatt sich davon demotivieren zu lassen, kletterte er mit Bravour die letzte Seillänge: Einmal mehr demonstrierte er seine Überlegenheit im senkrechten, schneebedeckten und etwas brüchigen Felsen. Am Ausstieg standen wir im letzten Licht der untergehenden Sonne. Doch bis wir das Auto erreichten war es wieder finster, aber auch da war der Tag noch nicht zu Ende … 😉
Den passenden Namen zu finden, stellte sich einmal mehr als genauso schwierig wie die freie Begehung heraus. Bereits nach der Eröffnung schlug Adam etwas mit „Schatten“ vor, um die abgelegene Lage und das sonnenlose Ambiente hervorzuheben. Andererseits hätte ich gern die Schönheit der Route betont und als ich beim Suchen eines Buches auf „D’amore e ombra“ von Isabell Allende stoß war ich sofort begeistert. Ich hatte dieses wunderschöne Buch bereits gelesen und auch Adam freundete sich sogleich mit dem Namen an. Mit der Zeit bekam der Name für mich eine allgemeinere Bedeutung, indem mir bewusst wurde wie nahe die beiden Gegensätze doch beieinander liegen und bei der freien Begehung erfuhr ich eine große Genugtuung.

Erstbegehung der "Amore e ombra " © Alex Walpoth und Adam Holzknecht

Routeninformationen

„Amore e ombra“ überwindet die zum Langental hin steil abfallende Wand des Col Turont, indem sie einer logischen Serie von Rissen und Verschneidungen folgt.
Der lange Zustieg führt bis zum Ende des Lagentales hinein, dann steigt man nach rechts gerade zur gut sichtbaren Wand hoch. Zum Schluss hin wird die Rinne enger und steiler, man muss auch eine kurze Stelle im 4. Grad klettern.
In den ersten 4 Längen klettert man in schwierigem Mixed-Terrain, eine letzte reine Felslänge führt auf das flache Plateau hinauf. Die selbstständig zu gestaltende Absicherung erfolgt über Friends und Eisschrauben, einzig in der 2. Seillänge steckt ein Zwischenhaken. Wir empfehlen, den Friend Nr. 5 und 6 mitzubringen, von Nr. 4 abwärts eventuell auch ein doppeltes Sortiment. Auf dem Felsen verwendeten wir die für uns leichteste Art der Fortbewegung, so überwanden wir zum Beispiel die schwerste Stelle mit den Händen anstatt mit den Pickeln und danach richteten wir uns auch bei der Bewertung. Der Abstieg erfolgt mittels 3-maligen Abseilens über die Route.