„Minenfels (VII)“, Punta Filip, Edelweißtal, Kolfuschg
Erstbegehung der "Minenfels" © Hannes Hofer und Simon Oberbacher

Wie viele junge, motivierte Alpinisten, suchten auch Hannes Hofer und Simon Oberbacher sich ein schönes Ziel für ihre erste Erstbegehung. Als Simon aus der benachbarten Wand am Piz dla Dorada die markante Verschneidung an der Punta Filip entdeckte, war für die beiden ihre Linie klar...

Anfang Juni 2015, ein paar Wochen nach der Klettertour am Piz dla Dorada, machten wir uns bei schlechtem Wetter zur besagten Verschneidung auf, um eventuelle Begehungsspuren zu suchen, denn wir wussten nicht genau, ob und welche Touren bereits in dieser Wand existierten, da sie doch ziemlich unbekannt ist. An Klettern war aufgrund des Wetters leider nicht zu denken – es schneite.

Am 11. Juli 2015 starteten wir den zweiten Versuch; diesmal bei Bilderbuchwetter. Simon stieg in die erste Länge ein und entschied sich für einen kleinen Überhang im unteren Teil, welcher leider unerwartet brüchig war, wodurch wir sofort zweifelten, den optimalen Einstieg gewählt zu haben. Trotzdem, mit einem Kriechmanöver, welches ich im Klettersport noch nicht gesehen habe, konnte er diesen Teil bewältigen. Im oberen Teil wurde es einfacher. Nach 55 Metern richtete er unter der großen gelben Verschneidung den ersten Stand an Zwei Normalhaken ein. Endlich ging es auch für mich los. Rasch klettere ich bis zum Stand nach und dann war ich am Drücker.

Der Beginn der steilen Verschneidung war leider auch ziemlich brüchig und dementsprechend viele Felsbrocken traten die Reise nach unten an. Simon war an seinem Standplatz glücklicherweise in Sicherheit. Vorsichtig kletterte ich Meter für Meter nach oben, bis ich an einem großen Felsblock angelangt bin, der alles andere als Stabil aussah. Dieser wurde mit einem kleinen Schubs sofort in die Tiefe befördert. Auch einige Wanderer konnten das Spektakel aus sicherer Entfernung beobachten.
Erste Seillänge Variante

Die Verschneidung mit dem 40 cm breiten Riss erforderte ganzen Körpereinsatz und ein paar Pausen waren notwendig um sicher weiter zu kommen. Auf diese anstrengenden Meter in nicht optimalem Fels folgten zehn genüssliche Meter in Traumfels an Schuppen und Leisten bis zum geplanten Standplatz auf einem kleinen Band. Nach dieser Seillänge entschieden wir uns zur Umkehr, weil es schon spät war und wir noch die bereits bewältigten Meter etwas putzen wollten.

Zweite Seillänge der "Minenfels"

Ende Oktober wanderten wir wieder mit Sack und Pack ins wunderschöne Edelweißtal, mit dem Ziel vor Augen, unsere Route fertig zu stellen. Die ersten Seillängen konnten wir ohne größere Probleme durchsteigen. Die dritte Seillänge war wieder Neuland. Simon war an der Reihe und querte nach links, weil rechts von unserem Stand der Fels wieder brüchig war. Nach einem Quergang in super Fels ging es an Untergriffen und guten Löchern erneut nach oben zu einem bequemen Stand unter der nächsten Verschneidung. Dabei war sehr aufzupassen, die Sicherungen so zu legen, damit Seilreibung vermieden werden konnte.

Hannes in der Schlüsselstelle der vierten Seillänge

Ziemlich ausgekühlt vom Warten am schattigen Stand, kletterte ich nach und stieg gleich in die nächste Länge ein. Ein faustgroßer Riss in Bombenfels zog sich durch die restliche Wand, welche immer steiler wurde. In den letzen zehn Metern dieser Länge befindet sich die Schlüsselstelle der gesamten Route. Mit vielen Friends und einigen Normalhaken kämpfte ich mich hoch. Am Ende des Risses war ich überglücklich, dass ich diese schöne Seillänge klettern durfte und konnte mir einen Freudenschrei nicht verkneifen. Die letzten vierzig Meter im offensichtlich leichteren Gelände ließen wir noch bleiben, um sie dann bei der ersten Rotpunktbegehung zu klettern.

Simon in der zweiten Seillänge der "Minenfels"

1. Rotpunktbegehung, 28.05.2016: Endlich fanden wir wieder die Zeit, um unsere Route fertig zu stellen und den ersten Versuch der Rotpunktbegehung zu wagen. Am Einstieg angelangt, sortierten wir unsere Ausrüstung und dann ging es los. Simon entschied sich dazu, in der ersten Seillänge eine direktere Linie zu nehmen, welche schöner und vor Allem nicht brüchig zum Klettern war. Dann übernahm ich die Führung. Zwar habe ich diese zweite Seillänge schon zweimal geklettert, allerdings war es noch immer kein Honigschlecken. Als Simon nachkletterte, brach ihm plötzlich ein Tritt aus, doch er konnte sich noch an einer kleinen Leiste halten, um einen Sturz zu vermeiden. Simon brüllte mit Gelächter: „Diese Länge ist das reinste Minenfeld.“ Minenfeld – Minenfels – der perfekte Namen für unsere Tour. Zwei Seillängen später waren wir am Traumriss angelangt. Meter für Meter kletterte ich daran hoch – eine sehr anspruchsvolle Kletterei – und schließlich konnte ich diese Länge Rotpunkt begehen. Auch Simon war begeistert von dieser Länge und trat schließlich den Gipfelsturm an. Mit einem gewaltigen „Highfive“ gratulierten wir uns und genossen die letzten Sonnenstrahlen am Gipfel.

Auf weitere Wiederholungen freuen sich Simon Oberbacher und Hannes Hofer.
Erstbegehung der "Minenfels" © Hannes Hofer und Simon Oberbacher

Routeninformationen

Erstbegehung:

Hannes Hofer und Simon Oberbacher am 28.05.2016

Schwierigkeit:

VII

Länge:

5 Seillängen

Absicherung / Material:

NAA, 1-2 set Friends sind ein muss, Absicherung an Normalhaken

Zustieg:
Parkplatz am Col Pradat Sessellift, Wand von dort gut ersichtlich, große Verschneidung im rechten Wandteil.
Abstieg:
über Route abseilen