„Strisk 150 (V+)“, Antersasc Spitze, Puez-Geisler Gruppe
Erstbegehung der "Strisk 150" © Lorenz Clara und Terence Mischi

Lorenz Clara und Terence Mischi gelang in der Nord-Ostwand des Antersasc-Gipfels eine neue Linie, die sie ausschließlich mit Normalhaken einrichteten. Den beiden Kletterern war es wichtig, dass ihre erste Erstbegehung in den Heimatbergen sein muss ...

An einem schönen Sonntagnachmittag saßen wir gemütlich am Fischersee in unserem Heimatdorf Campill. Der Blick ausgerichtet auf die umliegenden Berge, ein frisches Bier sorgte für Kühlung und das Gespräch drehte sich wie meistens ums Klettern.
Ich äußerte Terence meinen Wunsch nach einer Erstbegehung und er war von der Idee sofort begeistert, ihm sei es aber wichtig dieses Unterfangen in unseren Heimatbergen zu realisieren.

Er deutete auf einen markanten Grad auf den Antersasc-Berg, dieser sei ihm bereits vom Dorf aus öfters ins Auge gefallen.

Da es Terence im Juni gern ans Meer zieht, nutze ich die Zeit machte ein paar Fotos und zeichnete eine provisorische Linie ein. Dann ging es Schlag auf Schlag und in weniger als zwei Wochen war das Nötige besorgt. In der Zwischenzeit wurde der Gips an Terence Unterarm auch abgenommen und unserer Erstbegehung stand nichts mehr im Weg.

Tag: 1. Juli 2018; Uhrzeit: 6:00 und Wetter passt !
Bevor wir das Auto zurückließen wurde noch ein letzter Material-Check durchgeführt und dann starteten wir voll motiviert Richtung Wand. Während dem 1,5 stündigen Zustieg philosophierten wir bereits über den Routennamen und waren gespannt darauf was für Schwierigkeiten auf uns zukommen würden. Es war immerhin für beide die erste Erstbegehung.

Am geplanten Einstieg angekommen, zauberte ich ein selbstgemachten T-Shirt aus dem Rucksack und sagte zu Terence: “Für diesen besonderen Anlass braucht es ein besonderes T-Shirt“. Ich schenkte ihm dieses türkis-gefärbte T-Shirt mit der Aufschrift „choose your line“.

Der Kirchglockenklang des Dorfes begleitete uns in den ersten Klettermetern, es war 8:30 Uhr. Es war schon von vorn herein ausgemacht, dass ich alles vorsteigen würde, da Terence weniger Erfahrung im alpinem Gelände mitbrachte.

Nach genau 60 Meter erreichte ich eine ideale Stelle, um den ersten Stand zu schlagen. Die Haken setzten sich mit Leichtigkeit und verkeilten sich gut im Felsen. Da dachte ich mir: “Na wenn das so weiter geht!“ Nach ca. 1,5 Stunden erreichten wir wie geplant die erste Steilwand. Diese offenbarte sich schwieriger als angenommen. Mit einem kühlen Kopf und einem antreibenden Partner konnte ich die 35 Meter erzwingen. In den nächsten Längen folgten wir dem Grad, lösten einige unstabile Felsbrocken, kamen jedoch zügig voran. Bei der 10. Länge wurde es mit der Linienfindung etwas schwieriger. Wir wollten nach links überqueren, ohne dabei auf zu anspruchsvolles Gelände zu treffen, damit wir dann den feinen Riss in der oberen Platte klettern konnten. Es gelang uns eine schöne 30 Meter Länge, mit einem angenehmen Sitzstand. Jetzt blieb nur noch die große Platte mit dem Riss – die Schlüssellänge. Die Platte zeigte sich als äußerst kompakt mit guter Felsqualität. Sicherungstechnisch war es nicht ganz einfach gute Friends/Keile zu setzen und vertrauenswürdige Nägel konnte ich auf Anhieb auch keine schlagen. Jetzt, wo es um die „letzten“ Klettermeter ging, kam ich langsam an meine psychischen und körperlichen Grenzen. Zurück und die leichtere Linie einschlagen war keine Option und somit galt es Ruhe zu bewahren und Meter für Meter weiterzuklettern. Nach 50 Klettermeter und 2 Stunden Arbeit machte ich eine erschütternde Entdeckung: ein Haken!
An dieser Stelle schlug ich zwei zusätzliche Haken und richtete den Stand ein. Eine Länge noch und um 19:50 Uhr erreichten wir recht erschöpft aber voller Glück den Gipfel (2.471m)

Der Haken
Im Gespräch mit meinem Cousin und weitere Kletterkollegen stellte sich heraus, dass diese Wand bereits von ihm geklettert wurde. Er habe sich damals sogar bei mir die Friends ausgeliehen für eine Tour; ich hatte ja an dem Zeitpunkt keine Ahnung, dass er sich genau den Antersasc-Gipfel vorgenommen hatte. Interessant wie die Dinge manchmal ihren Lauf nehmen.

Jedoch schlug nicht er den Haken, den wir fanden. Laut ihrer Beschreibung wählten sie einen anderen Weg nach oben. Somit wissen wir, dass die Nord-Ost Wand schon vor uns von Bergbegeisterten erstiegen wurde, welche genaue Linie sie dabei wählten wissen wir jedoch nicht. Da unsere Vorgänger keine Beschreibungen oder Skizzen über ihr Unternehmen hinterließen, wissen wir nicht an welchen Stellen sich die Linien evtl. kreuzen. Der Besitzer vom geheimnisvollen Haken im 11. Stand konnten wir bis heute nicht ausfindig machen.

Routennamen
Da ich bis jetzt immer alle Alpin-/Plaisirkletterrouten aufgeschrieben habe, wusste ich, dass es ungefähr an den 150 sein mussten. Als wir das Datum für die Erstbegehung fixierten, war mir bewusst, ich muss noch schnell eine Klettertour machen damit die Erstbegehung auf dem Punkt genau die 150. Route sein würde. Die Nr. 150 kann schon was besonderes werden !

Terence, der morgens beim Frühstück den Klettergrad schon beobachten kann, hatte sich des öfteren die genaue Linie, welche wir klettern wollten, durch die Antersasc-Wand angeschaut. Eines Tages sagt sein kleiner Sohn zu ihm:“ Papa beobachtest du schon wieder diesen „Strisk„? (gemeint war wohl: Strich)

Das war die Geburt des Namens „STRISK 150“ !

Zweite Begehung
Zwei Wochen später konnten wir wieder Zeit für unser Projekt finden und wir planten das Topo zu zeichnen, die Schachtel mit dem Tourenbuch zu montieren und die letzten Längen besser einzurichten. Die Wetterverhältnisse meinten es jedoch nicht gut mit uns und so entschieden wir uns trotz Regenwetter, den Abstieg hochzulaufen, uns abzuseilen und die Schachtel samt Buch zu montieren. Als wir uns durch die Wand abseilten, kam es ganz anders mit dem Wetter, entgegen der Prognose lösten sich die Wolken und die Sonne kam heraus. Somit hatten wir genügend Zeit die Schlüssellänge mit ein paar Hacken zu ergänzen um diese besser für den Wiederholern abzusichern. Zudem lösten wir auch einige lockere Schuppen um eine schöne kompakte Platte zu hinterlassen.

Dritte Begehung
Da die offizielle Feier des Dorfes als Bergsteigerdorf vor der Tür stand, hatten wir noch ein letztes Wochenende Zeit, unser Kletterprojekt fertigzustellen, um rechtzeitig zur Feier die Tour präsentieren zu können. Zudem stand mein Freund Terence ganz schön unter Druck – seine Frau hatte vor drei Tage seine Tochter zur Welt gebracht. Er konnte beim Klettern ja nicht die Finger vom Handy lassen, da er sie so schnell wie möglich im Krankenhaus besuchen wollte.

Das Programm war, das Topo zu zeichnen und noch ein wenig zu säubern. An diesem Tag lief alles super, die Kletterlängen fühlten sich schon sehr vertraut an und auch Terence kam auf seine Kosten. Er kletterte einige Längen im Vorstieg und fand in der brüchigen Länge sogar eine bessere Variante. Für die Schlüssellänge brauchte es etwas Überredungskunst, aber dann meisterte er diese souverän im Vorstieg.
Beim Tourenbuch angekommen, widmeten wir noch ein paar Zeilen an den Wiederholern. Unter anderen findet man darin ein Zitat von Walter Bonatti übersetzt ins Ladinische:

„I gragn crëps dl monn á ma chël valur che la jënt ti dá.
Atramënter restel ma n gran müdl de peres“.
Erstbegehung der "Strisk 150" © Lorenz Clara und Terence Mischi

Routeninformationen:

Antersasc Spitze 2471 m (Puez Geisler Gruppe)

„STRISK 150“

Erstbegehung:

Lorenz Clara und Terence Mischi am 01.07.2018

Ausrichtung:

Nord-Ost

Schwierigkeit: V+

Charakter:

Stände und anspruchsvolle Längen gut eingerichtet, ausschließlich Normalhaken Länge: 496 m /400 hm 12 Sl

Zeit:
5-6 Stunden

Ausrüstung:

NAA, Doppelseil 60 m, Friends Black Diamond: bis zur Größe 3 und 0,75 evtl. auch doppelt

Zustieg:

Vom Dorf Campill (Kletterwand bereits von dort aus sichtbar) in Richtung „Seres/Mischì“ fahren. Nach 1 km vom Dorfzentrum in Richtung Reitstall fahren, an diesem vorbei und über die rechte Brücke fahren. Dort am Straßenrand parken. Über die Schotterstraße bis zur ersten links-Kehre und dann der Beschilderung in Richtung „Pares“ folgen. In „Pares“ angelangt der Schotterstraße in Richtung „Fontanacia“ (Nr.: 5, 5A) für ca. 1 km folgen, nach einem kurzen Anstieg nach links den Forstweg einschlagen der nach 150 m zu einer weiteren Abzweigung bringt (nicht den ersten Pfad nehmen), dort nach rechts und auf dem Weg bleiben bis dieser endet. Dann geradeaus auf schmalen Pfad für ca. 150 m und dann nach links über dem Schotterhang hinaufsteigen bis zum Einstieg. (500 Hm, ca. 1,5 Stunden)

Abstieg:

Richtung Süd-Osten absteigen und in kürze zum Pfad Nr.: 12 der nach „Antersasc“ runterführt. Auf dem Pfad Nr.: 6 aus dem Antersasc-Tal raus. Nach ca. 500 m auf der Schotterstraße weiter nach links auf dem Pfad Nr.: 9 in Richtung Campill- Dorf zurück. Der Schotterstraße bis zum Parkplatz folgen. (ca. 1,5 Stunden)

Bemerkung: Wenige Stände mit ein Haken, diese sind im Topo eingezeichnet und lassen sich integrieren. Das leichte Gelände ist teils brüchig.

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